Kampagnen Workshop „Nuclear Power – A false solution!“

Während die Weltklimakonferenz mit der Akkreditierung von tausenden Menschen startete, bog das Bündnis des „People Climate Summit“ mit seiner Workshop Phase auf die Zielgerade ein.

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Pinar Demircan – nükleersiz.org / Türkei – Makoma Lekalakala – Earthlife / Südafrika – Kumar Sundaram – DiaNuke / Indien – Leona Morgan – Stamm der Diné / USA – Marcus Atkinson – Anti Nuclear Alliance / Australien

Zum Abschluss des von kritischen Initiativen gestalteten Gipfels, stand eine zweitägige intensiv Workshop Phase auf dem Programm. Die Kampagne „Don´t nuke the climate“ präsentierte unter Anwesenheit des Kampagnenteams mit einem erlesenen Podium den Vortrag „Nuclear Power – A false solution“ (Atomkraft – Eine falsche Lösung).

Die Statements aus der Pressekonferenz vom Vormittag wurden von den Umweltschützerinnen noch einmal aufgenommen und mit Zahlen und Aussagen von PolitikerInnen der jeweiligen Länder erweitert.

Makoma Lekalakala von Earthlife aus Südafrika eröffnete die Runde und fungierte als Moderatorin. Erst am Morgen aus Südafrika angereist schilderte Makoma nur mit wenigen Worten die Situation in Südafrika und konzentrierte sich eher auf die Moderation, die sie mit hoher Professionalität und Umsichtigkeit leitete.

Südafrikas Energieerzeugung beruht auf 90% Kohleverstromung. Damit sei Südafrika ein Paradebeispiel für die Anfälligkeit von „Flüsterern“ aus der Atomindustrie, die mit Atomkraft ein Minimieren des CO2 Ausstoß in Aussicht stellen. Zwei Atomreaktoren gibt es bereits in Südafrika und nach der Regierung sollen weitere hinzukommen. „Atomkraft ist eine Lösung“ zitiert die Makoma die heimische Regierung. Nach einer Kabinettsumstellung grassiert Vetternwirtschaft in der Regierung. Es gäbe Verträge mit ROSATOM (russische Atomindustrie in Staatseigentum) über den Bau von acht neuen Reaktorblöcken. Das Volumen des Auftrags betrage 70 Milliarden Euro. Momentan stocke der Bau, aufgrund der Empörung in der Öffentlichkeit. Mit dem Verzicht regenerative Energien zu fördern und damit einen anderen Weg einzuschlagen, gäbe die Regierung jedoch auch keinen Anlass zur Aufgabe des Atomprogramms. (Anm. d. Red. : Der Film „Legacy Warnings“ von Katja Becker, Jean Jaques Schwenzfeier und Jonathan Happ bietet interessante Einblicke in das südafrikanische Atomprogramm)

Leona Morgan kommt aus den USA, genauer aus New Mexico, und gehört zum indigenen Stamm der Diné. Die junge, weltgewandte Frau begrüßte die Anwesenden in der Sprache ihres Stammes und stellt damit gleich heraus, worum es ihr in ihrer politischen Arbeit geht. Sie selbst sieht sich nicht als Umweltaktivistin und erläutert dies anhand ihrer kulturellen Identität. Für die Diné ist Umweltschutz keine Frage von Engagement, sondern Teil ihrer Kultur. „Mutter Erde“ ist nicht nur Lebensraum sondern auch spirituelle Kraft.

Leona beschäftigt sich folgerichtig nicht nur mit den Auswirkungen der Atomkraftnutzung in den USA, sondern engagiert sich auch zu Fragen Wasserschutzes, Frackings, der Menschenrechte und Rassismus. Ihr aktuelles Projekt „Nuclear Colonialism“ deckt damit bereits im Titel verschiedene Aspekte ihrer Arbeit ab. Anhand einer einfachen Zeitschiene stellte sie die Kolonialisierung der Gebiete der UreinwohnerInnen dar, die im Jahr 1493 von Europa ausging. Mit dem Bergbau Gesetz von 1872, das bis heute präsent ist, war es den Einwanderern möglich gegen eine geringe Gebühr, 5-10 Dollar pro Jahr, die Ressourcen des Landes auszubeuten.

Erst im Jahr 1934 war es der indigenen Bevölkerung möglich sich neu zu organisieren und eigene regionale Regierungen aufzustellen. Daraus entstand zum Beispiel die „Navajo Nation“, die wiederum nur eine Verwaltung darstellt. Das Land der Diné wird durch vier heilige Berge in den Himmelsrichtungen begrenzt. Innerhalb dieses Gebiets liegen vier große Uranvorkommen (uranium belts) und zahlreiche Atomanlagen, vor allem für das Waffenprogramm der USA. Die indigene Bevölkerung ihrerseits sieht in ihrem kulturellen Ur-Verständnis kein Landbesitz vor. Für die Diné ist ein Leben im Einklang mit Mutter Erde vorrangig. Durch die Ausbeutung der Ressourcen wurde nicht der Frieden der Natur gestört, massive Verschmutzung von Wasser, Boden und Luft waren die Folge.

Profitiert haben davon nur die Unternehmen und Großstädte, die mit den Ressourcen ihren Energiebedarf decken. Für die indigene Bevölkerung, die in Teilen ohne Zugang zu frischem Wasser und Elektrizität ihr Leben fristet, bleibt in letzter Konsequenz oft nur das Verlassen ihrer Heimat, was in den meisten Fällen mit dem Verlust ihrer Kultur und Identität einhergeht. Nach Leona gibt es in den USA heute 15.000 Minen in 14 US Staaten, die mit allen Folgen der atomaren Kolonialisierung ausgebeutet wurden und werden.

Kumar Sundaram von DiaNuke aus Indien lässt schon in den ersten Sätzen keinen Zweifel an der Leidenschaft seines Kampfes gegen die Atomindustrie in Indien. Innerhalb kürzester Zeit schafft er es die ZuhörerInnen mit einem pointierten und temporeichen Sprachstil in den Bann zu ziehen. Einleitend gibt er zu bedenken, dass die Klima Diskussion entbunden ist von den Menschen, die unter der Klimaveränderung leiden. Für ihn sind Indien und China die Vorreiter im geplanten Ausbau der Atomkraft in den jeweiligen Ländern, wobei ROSATOM aus Russland weltweit das umtriebige Unternehmen sei. Indien stehe vor einem massiven Ausbau der Atomkraft. So plant Indien das weltgrößte Atomkraftwerk mit Hilfe von Areva (französischer Atomkonzern) zu bauen. Areva´s Vorzeigeprojekt, der EPR Reaktor, ist aber bereits in Frankreich und Finnland zu einer Endlosbaustelle geworden, deren einziger Zweck Geldverbrennung ist. Mit momentan 1,8% Atomstromanteil will Indien bis zum Jahr 2032 7-8% Atomstrom erzeugen. Bis zum Jahr 2052 soll dann das langfristige Ziel mit 25% Atomstromanteil und somit 275 Gigawatt erreicht werden.

Indien setze dabei nicht nur auf den Bau von Kraftwerken, sondern spreche von einem kompletten Ausbau der gesamten atomaren Kette – Uranabbau, Anreicherung, Brennelementfertigung, Wiederaufarbeitung und Lagerung. Salopp formuliert es Kumar: „Egal wer Uran anbietet, Indien kauft es!“

Besorgniserregend sei auch der Umstand, dass von Indien aus der südasiatische Raum mit Atomkraftprogrammen „versorgt“ werden könnte. Als den wichtigsten Grund der Expansion des indischen Atomprogramms hob Kumar jedoch den Besitz der Atombombe hervor. Um Sanktionen gegen das indische Atomprogramm zu umgehen, wurden Verträge mit dem Westen geschlossen, die zur Aufhebung der Sanktionen führten und den Beitritt zum Klub der Atommächte ermöglichten. Finanziell wurden die Interessen des Westens bedient, geostrategisch tat sich Indien damit als Atommacht hervor. Die Ökonomie spielte für Indien keine Rolle. So beschließt Kumar sein Statement mit den Worten: „Wer in Indien gegen Atomkraft ist, wird zum Staatsfeind denunziert.“

Pinar Demircan von nükleersiz.org aus der Türkei berichtete von der atomaren Auseinandersetzung seit dem Ende der 1950er Jahre in der Türkei. Damals wurde das „nuclear for peace project“ (Friedliche Nutzung der Atomkraft) unterschrieben. Ein Atomprogramm konnte jedoch nie umgesetzt werden. Die Türkei setze heute im Wesentlichen auf Kohle und Gas zur Stromerzeugung, wobei 60% der Ressourcen importiert werden, was wiederum dafür benutzt, dass die heutige Regierung die Nutzung von Atomkraft als nationale Energiequelle anpreist, obgleich offensichtlich ist, dass Uran importiert werden muss. Auch in der Türkei wurden hinter verschlossenen Türen mit ROSATOM bereits Verträge unterzeichnet. Jedoch auch im Kohle Sektor gibt es Grund zur Sorge.

2004 unterzeichnete die Türkei den UN Klima Wandel Rahmen Vertrag. 2009 wurde ebenfalls das Kyoto Protokoll unterzeichnet. Im Jahr 2012 wiederum erreichte die Kohleverstromung in der Türkei ihre vorläufige Höchstmarke mit 60% des Stromanteils und ging als „Jahr der Kohle“ in die Geschichte ein. 2016 wurde zwar das Abkommen von Paris unterzeichnet, aber unmittelbar nachdem die USA ausstieg, stieg auch die Türkei aus dem Abkommen aus. Aktuell laufen 34 Kohlekraftwerke, 11 weitere wurden 2017 geplant. Wohlmöglich schielt die türkische Administration wohl doch eher auf die Option der Atombombe. (Anm. d. Red. : Mit Spannung wird der Film „Nuclear alla Turca“ erwartet, der sich den türkischen Bemühungen um die Atomkraft annimmt)

Den letzten Vortrag des Workshops hielt Marcus Atkinson von der Anti Nuclear Alliance aus Australien. Marcus ließ für den Vortrag ein Plakat verteilen, auf dem alle atomaren Hot Spots des Kontinents verzeichnet sind. Überraschend für die BetrachterInnen untermauerte er die Vielzahl der verzeichneten Orte mit den Informationen, dass in Australien 35% der weltweiten Uranvorkommen vorzufinden seien. Seitens der Minenunternehmen sprach man vom Saudi-Arabien der Uranindustrie und versprach sich ähnlichen Reichtum, wie die Golfstaaten im Nahen Osten.

Marcus war es wichtig in seinem Vortrag auch einmal positive Nachrichten in den Vordergrund zu stellen. So berichtete er davon, dass es nie zu einem „Saudi-Australien“ kam. Heute seien nur noch zwei aktive Minen in Australien zu finden. In diesem Jahr wurde zudem der zwanzigjährige Widerstand gegen die Jabaluka Mine im Norden Australiens gefeiert. Der Australier glaube fest an einen Sieg über die Atomindustrie, der sich nach seiner Meinung aus zwei Komponenten zusammensetze. Zum einen sei der Widerstand in Australien für den Niedergang verantwortlich, zum anderen gäbe der niedrige Uranpreis den Minenbetreibern den Rest. Dieser läge zurzeit bei nur 20 Dollar pro Pfund, wobei 60 Dollar pro Pfund kostendeckend für die Betreiber wären. Die Exporte von Uran sanken in den letzten Jahren um mehr als 30%.

Trotz der vielen positiven Nachrichten, blieben die ausgebeuteten Minen in Australien natürlich ein Problem. Dies gilt ebenso für die Nachsorge, als auch für die Verschmutzung aus laufenden Betrieben. Ein Erstarken der Nachfrage könnte eine Goldgräberstimmung auslösen und unrentable Minen könnten dadurch wieder versuchen ihren Betrieb aufzunehmen. Daher müsse nach Atkinson der Atomindustrie final der Nährboden entzogen werden. Die perfiden Versprechen der Minenbetreiber und deren Umgang mit Mensch und Natur fasst der Australier abschließend mit den Worten der berühmt gewordenen Ur-Einwohnerin und Kämpferin gegen das Jabaluka Minen-Projekt, Yvonne Margula, zusammen: „None of the promises last, problems always do.“ (Keines der Versprechen hat Bestand, die Probleme hingegen immer).

Text: Torben Klages, BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg