Internationale Großdemo: „Grenzenlose Solidarität statt G20!“

Auch Tage nach dem G 20 Gipfel geht die Debatte unvermindert weiter. Doch geht es um die Kritik am G 20 Gipfel? Nein!In diesem Spiegel TV Beitrag schaut man zumindest differenzierter auf die G20 Tage, wers sehen will.
http://www.spiegel.tv/videos/632235-magazin-vom-09072017
Und das Demo-Geschehen? Wer berichtete über die Demo der 76.000 Menschen am Gipfel-Samstag? Hier könnt ihr/könne Sie zumindest den Redebeitrag von Esther Bejarano ansehen, nachdenklich, eindringlich – mit Bezug auf die Themen des Gipfels:

Liebe Freundinnen und Freunde

aus Hamburg und aus aller Welt,

ihr auf den Straßen und Plätzen, ich grüße euch!

Ihr, die ihr hier protestiert,

weil ihr dem Unrecht und der Unvernunft des Kapitalismus nicht tatenlos zuschauen wollt. Weil ihr eine andere Welt wollt:

eine Welt ohne Kriege, ohne Waffenhandel, ohne Hunger, ohne Ausbeutung, für verantwortlichen Umgang mit unserem Planeten Erde zum Wohle kommender Generationen.

Weil ihr nicht tatenlos zusehen wollt, wenn durch Ausbeutung von Mensch und Natur die Inseln Mikronesien dem Klimawandel geopfert werden.

Weil ihr nicht weiter zusehen wollt, dass tausende indische Bauern sich das Leben nehmen, weil sie ihre Hoffnung auf ein besseres Leben verloren haben, dass die Welt vergiftet wird durch chemieintensive Landwirtschaft.

Weil ihr nicht zusehen wollt, dass mit Waffenhandel viel Geld verdient wird, dass durch Kriege und Verwüstung ganze Länder unbewohnbar und Millionen Menschen heimatlos werden.

Weil ihr nicht zusehen wollt, dass im Mittelmeer tausende Flüchtende ertrinken, dass Geflüchtete ins Ungewisse abgeschoben werden.

Wir sind ein Teil von euch.

Wir, eine Vereinigung der Überlebenden der Konzentrationslager, ihrer Angehörigen, ihrer Freundinnen und Freunde, haben uns zur Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten der Menschen verpflichtet.

Es ist immer gut, wenn Menschen miteinander reden. Die UNO ist für die Lösung der Probleme der Welt nach den Erfahrungen der Weltkriege gegründet worden. Hamburg als Versammlungsort der G20 hat sich offensichtlich übernommen und sich würdelos gegenüber den protestierenden Gästen verhalten, Gerichtsbeschlüsse missachtet, hanseatische Gastfreundschaft, Gelassenheit und liberales Miteinander vergessen. Stattdessen wurde die Konfrontation gesucht. Vor allem Verbote ausgesprochen. Eigentlich wurde alles verboten, Kundgebungen, Aktionen und das Schlafen in Hamburg. Ganz besonders das Schlafen in Aktions-Camps, die gerade jungen Menschen Teilhabe an solchen Ereignissen erst möglich machen.

Die Botschaft war eindeutig: Für euch ist kein Platz bei unserem Gipfel. Das ist eine Schande!

Wer erinnert sich noch, dass diese G-20-Juli-Woche vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz mal als „Festival der Demokratie“ angekündigt wurde?

Liebe Leute,

die Ereignisse der letzten Zeit lassen mir keine Ruhe. Ich kann nicht anders: ich muss laut aufschreien. Es ist Zeit für einen Aufschrei von uns allen, einen unüberhörbaren, lauten Aufschrei, der bis in den letzten Winkel unseres Landes und der ganzen Welt widerhallt. Es ist unvorstellbar, dass wir 72 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Faschismus wieder so viele Opfer beklagen müssen. Opfer der Barbarei, der menschenverachtenden Ideologie durch Terror, Faschismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Ausländerhass.

Ich trauere um die Opfer in unserem Land, verursacht durch den NSU und andere Neonazis, meine Trauer gilt den Opfern der Anschläge von Paris, von Ankara, von Beirut, den Opfern des Anschlags auf das russische Flugzeug, den Opfern der Anschläge von Berlin, London und Manchester und neuer Terroranschläge vielerorts. Ich trauere um die Toten der Kriege im Nahen Osten. Ich trauere um die Menschen, die auf der gefährlichen Flucht vor den Kriegen in ihrer Heimat sterben, weil ein Teil Europas sich abschottet.

Nie wieder sollte die Menschheit durch Kriege bedroht werden.

Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als dass die Erfahrung meiner Generation in Vergessenheit gerät. Dann wären alle Opfer des Faschismus und des Krieges, alles, was wir erlitten haben, umsonst gewesen.

Wir wünschen uns, dass ihr, weil es ja so bitter nötig ist, auch in Zukunft Widerstand leistet, wie damals die Widerstandskämpfer für ein Leben in Frieden und Freiheit für alle Menschen auf dieser Welt eintraten.

Hier bei uns, in Europa und überall in der Welt. Die Egoisten und die Rassisten dürfen nicht Oberhand bekommen.

Wir stehen an der Seite der Menschen, die für eine Welt des Friedens, der globalen Gerechtigkeit und der grenzenlosen Solidarität eintreten!

Unsere Alternative für eine bessere, gerechtere Welt ist:

Zeigen wir Menschlichkeit, helfen wir den vor Kriegen, vor Verfolgung und Unterdrückung Flüchtenden, solidarisch gegen den Hass.

Wir alle, gemeinsam! Ich glaube an euch.

Polizei war falsch aufgestellt beklagt ein bloggender Polizist, die TAZ beklagt in einem Kommentar „linke Gewalt“….

http://taz.de/Nach-dem-G20-Gipfel-in-Hamburg/!5426968/

http://taz.de/Der-Mescalero-ueber-Linke-und-Gewalt/!5426526/

+++ STELLUNGNAHMEn ZU DEN EREIGNISSEN VOM WOCHENENDE +++ Wir, einige Geschäfts- und Gewerbetreibend e des Hamburger Schanzenviertels, sehen uns genötigt, in Anbetracht der Berichterstattu ng und des öffentlichen Diskurses, unsere Sicht der Ereignisse zu den Ausschreitungen im Zuge des G20-Gipfels zu schildern. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 2017 tobte eine Menge für Stunden auf der Straße, plünderte einige Läden, bei vielen anderen gingen die Scheiben zu Bruch, es wurden brennende Barrikaden errichtet und mit der Polizei gerungen. Uns fällt es in Anbetracht der Wahllosigkeit der Zerstörung schwer, darin die Artikulation einer politischen Überzeugung zu erkennen, noch viel weniger die Idee einer neuen, besseren Welt. Wir beobachteten das Geschehen leicht verängstigt und skeptisch vor Ort und aus unseren Fenstern in den Straßen unseres Viertels. Aber die Komplexität der Dynamik, die sich in dieser Nacht hier Bahn gebrochen hat, sehen wir weder in den Medien noch bei der Polizei oder im öffentlichen Diskurs angemessen reflektiert. Ja, wir haben direkt gesehen, wie Scheiben zerbarsten, Parkautomaten herausgerissen, Bankautomaten zerschlagen, Straßenschilder abgebrochen und das Pflaster aufgerissen wurde. Wir haben aber auch gesehen, wie viele Tage in Folge völlig unverhältnismäß ig bei jeder Kleinigkeit der Wasserwerfer zum Einsatz kam. Wie Menschen von uniformierten und behelmten Beamten ohne Grund geschubst oder auch vom Fahrrad geschlagen wurden. Tagelang. Dies darf bei der Berücksichtigung der Ereignisse nicht unter den Teppich gekehrt werden. Zum Höhepunkt dieser Auseinandersetzung soll in der Nacht von Freitag und Samstag nun ein „Schwarzer Block“ in unserem Stadtteil gewütet haben. Dies können wir aus eigener Beobachtung nicht bestätigen, die außerhalb der direkten Konfrontation mit der Polizei nun von der Presse beklagten Schäden sind nur zu einem kleinen Teil auf diese Menschen zurückzuführen. Der weit größere Teil waren erlebnishungrige Jugendliche sowie Voyeure und Partyvolk, denen wir eher auf dem Schlagermove, beim Fußballspiel oder Bushido-Konzert über den Weg laufen würden als auf einer linksradikalen Demo. Es waren betrunkene junge Männer, die wir auf dem Baugerüst sahen, die mit Flaschen warfen – hierbei von einem geplanten „Hinterhalt“ und Bedrohung für Leib und Leben der Beamten zu sprechen, ist für uns nicht nachvollziehbar. Überwiegend diese Leute waren es auch, die – nachdem die Scheiben eingeschlagen waren – in die Geschäfte einstiegen und beladen mit Diebesgut das Weite suchten. Die besoffen in einem Akt sportlicher Selbstüberschätzung mit nacktem Oberkörper aus 50 Metern Entfernung Flaschen auf Wasserwerfer warfen, die zwischen anderen Menschen herniedergingen, während Herumstehende mit Bier in der Hand sie anfeuerten und Handyvideos machten. Es war eher die Mischung aus Wut auf die Polizei, Enthemmung durch Alkohol, der Frust über die eigene Existenz und die Gier nach Spektakel – durch alle anwesenden Personengruppen hindurch –, die sich hier Bahn brach. Das war kein linker Protest gegen den G20-Gipfel. Hier von linken AktivistInnen zu sprechen wäre verkürzt und falsch. Wir haben neben all der Gewalt und Zerstörung gestern viele Situationen gesehen, in denen offenbar gut organisierte, schwarz gekleidete Vermummte teilweise gemeinsam mit Anwohnern eingeschritten sind, um andere davon abzuhalten, kleine, inhabergeführte Läden anzugehen. Die anderen Vermummten die Eisenstangen aus der Hand nahmen, die Nachbarn halfen, ihre Fahrräder in Sicherheit zu bringen und sinnlosen Flaschenbewurf entschieden unterbanden. Die auch ein Feuer löschten, als im verwüsteten und geplünderten „Flying Tiger Copenhagen“ Jugendliche versuchten, mit Leuchtspurmunition einen Brand zu legen, obwohl das Haus bewohnt ist. Es liegt nicht an uns zu bestimmen, was hier falsch gelaufen ist, welche Aktion zu welcher Reaktion geführt hat. Was wir aber sagen können: Wir leben und arbeiten hier, bekommen seit vielen Wochen mit, wie das „Schaufenster moderner Polizeiarbeit“ ein Klima der Ohnmacht, Angst und daraus resultierender Wut erzeugt. Dass diese nachvollziehbare Wut sich am Wochenende nun wahllos, blind und stumpf auf diese Art und Weise artikulierte, bedauern wir sehr. Es lässt uns auch heute noch vollkommen erschüttert zurück. Dennoch sehen wir den Ursprung dieser Wut in der verfehlten Politik des Rot-Grünen Senats, der sich nach Außen im Blitzlichtgewitter der internationalen Presse sonnen möchte, nach Innen aber vollkommen weggetaucht ist und einer hochmilitarisierten Polizei das komplette Management dieses Großereignisses auf allen Ebenen überlassen hat. Dieser Senat hat der Polizei eine „Carte Blanche“ ausgestellt – aber dass die im Rahmen eines solchen Gipfels mitten in einer Millionenstadt entstehenden Probleme, Fragen und sozialen Implikationen nicht nur mit polizeitaktischen und repressiven Mitteln beantwortet werden können, scheint im besoffenen Taumel der quasi monarchischen Inszenierung von Macht und Glamour vollkommen unter den Tisch gefallen zu sein. Dass einem dies um die Ohren fliegen muss, wäre mit einem Mindestmaß an politischem Weitblick absehbar gewesen. Wenn Olaf Scholz jetzt von einer inakzeptablen „Verrohung“, der wir „uns alle entgegenstellen müssen“, spricht, können wir dem nur beizupflichten. Dass die Verrohung aber auch die Konsequenz einer Gesellschaft ist, in der jeglicher abweichende politische Ausdruck pauschal kriminalisiert und mit Sondergesetzen und militarisierten Einheiten polizeilich bekämpft wird, darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben. Aber bei all der Erschütterung über die Ereignisse vom Wochenende muss auch gesagt werden: Es sind zwar apokalyptische, dunkle, rußgeschwärzte Bilder aus unserem Viertel, die um die Welt gingen. Von der Realität eines Bürgerkriegs waren wir aber weit entfernt. Anstatt weiter an der Hysterieschraube zu drehen sollte jetzt Besonnenheit und Reflexion Einzug in die Diskussion halten. Die Straße steht immer noch, ab Montag öffneten die meisten Geschäfte ganz regulär, der Schaden an Personen hält sich in Grenzen. Wir hatten als Anwohner mehr Angst vor den mit Maschinengewehren auf unsere Nachbarn zielenden bewaffneten Spezialeinheiten als vor den alkoholisierten Halbstarken, die sich gestern hier ausgetobt haben. Die sind dumm, lästig und schlagen hier Scheiben ein, erschießen dich aber im Zweifelsfall nicht. Der für die Meisten von uns Gewerbetreibende weit größere Schaden entsteht durch die Landflucht unserer Kunden, die keine Lust auf die vielen Eingriffe und Einschränkungen durch den Gipfel hatten – durch die Lieferanten, die uns seit vergangenem Dienstag nicht mehr beliefern konnten, durch das Ausbleiben unserer Gäste. An den damit einhergehenden Umsatzeinbußen werden wir noch sehr lange zu knapsen haben. Wir leben seit vielen Jahren in friedlicher, oft auch freundschaftlich-solidarischer Nachbarschaft mit allen Formen des Protestes, die hier im Viertel beheimatet sind, wozu für uns selbstverständlich und nicht-verhandelbar auch die Rote Flora gehört. Daran wird auch dieses Wochenende rein gar nichts ändern. In dem Wissen, dass dieses überflüssige Spektakel nun vorbei ist, hoffen wir, dass die Polizei ein maßvolles Verhältnis zur Demokratie und den in ihr lebenden Menschen findet, dass wir alle nach Wochen und Monaten der Hysterie und der Einschränkungen zur Ruhe kommen und unseren Alltag mit all den großen und kleinen Widersprüchen wieder gemeinsam angehen können. Einige Geschäftstreibende aus dem Schanzenviertel BISTRO CARMAGNOLE CANTINA POPULAR DIE DRUCKEREI – SPIELZEUGLADEN SCHANZENVIERTEL ZARDOZ SCHALLPLATTEN EIS SCHMIDT JIM BURRITO’S TIP TOP KIOSK JEWELBERRY SPIELPLATZ BASCHU e.V. MONO CONCEPT STORE __________________________________ Wir, die Initiativen aus dem Netzwerk Recht auf Stadt, haben uns in der letzten Woche an zahlreichen Aktionen gegen den G20-Gipfel beteiligt und unseren vielfältigen, kreativen Protest gegen die Politik der Reichen und Mächtigen auf Hamburgs Straßen getragen. Wir haben die Türen unserer sozialen Zentren, Wohnungen, Bauwagenplätze, Kleingärten weit geöffnet, um den Tausenden von Menschen, die nach Hamburg gekommen sind, ihren legitimen und demokratischen Widerspruch zur Politik der G20 zu ermöglichen. Über die ganze Stadt verstreut gab es Oasen, Ruheorte, Infopunkte wie das Centro Sociale, das Gängeviertel, die fux-Kaserne und viele mehr, die in den Tagen des Gipfels zu Orten der Solidarität und des lebendigen Austausches wurden. Mit dem Arrivati-Park wurde am Pferdemarkt ein neuer Ort der Solidarität jenseits der Grenzen nationaler Zugehörigkeit geschaffen. Diese Orte sind wichtige Ankerpunkte für eine solidarischen Stadt von morgen, wie wir sie uns vorstellen. Mit unseren Aktionen, Versammlungen, Performances und Demonstrationen haben wir unseren Dissens artikuliert, aber zugleich auch gezeigt, wofür wir stehen: für eine andere Gesellschaft, in der alle Menschen den gleichen Zugang zu städtischen Ressourcen haben. Mit unserer eigenen Praxis haben wir verdeutlicht, dass wir für etwas anderes stehen, als es in Geschehnissen von sinn- und zielloser Gewalt Freitagnacht am Schulterblatt zum Ausdruck kam. Wir sind entsetzt über die enorme Brutalität, die sich über Stunden ungehindert Bahn brechen konnte. Aber auch über die Eskalationsstrategie der Polizei – insbesondere auf der Welcome-to-Hell-Demo – und die zahlreichen Übergriffe gegen Demonstrant*innen während der gesamten Gipfelwoche muss geredet und in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss umfassende Transparenz hergestellt werden. Die Rote Flora ist Teil unseres Netzwerkes. Angesichts der aktuellen Hetzkampagne, der dieses Projekt wie auch andere alternative Strukturen der Zivilgesellschaft zurzeit ausgesetzt sind, solidarisieren wir uns mit der Roten Flora, die ein nicht wegzudenkender Bestandteil von Recht auf Stadt und des Schanzenviertels ist. Wir nehmen in Medien und Öffentlichkeit eine aufgeheizte Stimmung wahr, die undifferenziert alle linken und alternativen Zentren, die diese Gipfelproteste in der Vielfalt und Breite erst ermöglicht haben, an den Pranger stellt, denunziert und mit Kriminalisierung bedroht. Dem stellen wir uns als Netzwerk Recht auf Stadt mit aller Entschiedenheit entgegen. Wir werden uns nicht spalten lassen und jede einzelne unserer Strukturen verteidigen. Für eine andere Stadtentwicklung, für eine Stadt für alle! Netzwerk Recht auf Stadt, den 11. Juli 2017