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Teilerfolg – nicht Niederlage – im Kampf gegen geplantes Endlager in Bure
Bure sei „verfassungsgemäß“ hieß es dieser Tage in einigen Zeitungen, u.a. der taz.de/Atommuell-in-Frankreich/!5969183/. Die Gegner:innen des französischen Endlagerprojekts in Bure hätten eine Niederlage vor Gericht hinnehmen müssen. Das ist falsch, betont die Gruppe „Front juridique contre CIGEO“, die eine Klage gegen die Anerkennung eines „öffentlichen Interesses“ der Endlagerplanung führte. 33 Organisationen und 30 Anwohner:innen stehen hinter dem „Front“. Der Staatsrat, vor dem die Klage lief, hatte die Fragestellung zum „Schutz zukünftiger Generationen“ an das Verfassungsgericht delegiert. https://cacendr.noblogs.org/la-protection-des-generations-futures-enfin-reconnue-pour-autant-le-projet-cigeo-nest-pas-valide/ – Klageführerin ist übrigens nicht Greenpeace, wie es in der überregionalen Berichterstattung hieß, sondern eben jener „Front juridique“. Aber auch Greenpeace Frankreich sieht in dem Urteil einen Erfolg.
Von Aktivisten aus Bure wurde uns mitgeteilt, dass ein Bericht des Radio Freies Dreyecksland im Gegensatz zur Taz und auch Heise den Sachverhalt richtig einordnet: „Bei der Verhandlung vom 17. Oktober wollten die Vertreter des Atomstaats tatsächlich auf eine „Nicht-Existenz künftiger Generationen“ pochen, was der Conseil Constitutionnel nicht durchgehen ließ. Wie in Deutschland, wo die Karlsruher Richter im Frühjahr 2021 die Einhaltung von Klimaschutzzielen mit der Notwendigkeit einer intergenerationellen Solidarität begründeten, sind „zukünftige Generationen“ jetzt auch in Frankreich ein schützenswertes Rechtsgut.“
Für die Klägergruppe ist das ein wichtiger Teilerfolg, keine Niederlage. Im Gegensatz zur Taz, die am Wochenende titelte „Bure wird Endlager“ erklärte „Front juridique“ auf Nachfrage, dass das Urteil mit zudem dem eigentlichen Bauantrag – der noch lange nicht genehmigt ist – nur indirekt zusammenhinge. Dagegen sind weitere Klagen geplant.
Hintergrund:
Die Agence Nationale pour la Gestion des Déchets Radioactifs (ANDRA) hatte im Januar 2023 eine Genehmigung für den Bau des Endlagers beantragt. dessen Untersuchung mindestens weitere drei Jahre dauern dürfte. Auch diese Prozedur wird vom „front juridique“ angefochten.
Die ANDRA erkundet seit über 20 Jahren in einem unterirdischen Labor in der Region das Gestein. Der hochradioaktive Atommüll soll in eine Tonschicht 500 Meter unter der Erde versenkt werden – für eine Million Jahre. Vorausgegangen waren in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts verschiedene Versuche, in Tongestein, Schiefer, Steinsalz und Kristallin einen potentiell geeigneten Standort zu finden. Doch all diese Versuche scheiterten an heftigen regionalen Protesten.
Das mutet aus deutscher Sicht absurd an: Ja zur Atomkraft und zur Atombombe – Nein zu den Atommülldeponien. Schließlich verfiel die französische Regierung 1991 auf den Trick, per Gesetz ein „Forschungsprogramm“ zur Errichtung von Untertagelaboren zu verabschieden. Ja, im Plural: Untertagelaboren. Aber aus einem vergleichenden Verfahren wurde nichts, es folgte eine Einbahnstraße bei der Endlagersuche wie einst in Gorleben.
Und es fließt Geld. Anfangs zahlte die französische Regierung 9 Mio. Euro jährlich an die beiden betroffenen Departements, 2012 waren es bereits 30 Mio. Euro. Der französische Stromkonzern Électricité de France (EdF) verlegte sein Archiv nach Bure in einen Neubau. Und das hier erinnert an die „Gorleben Gelder“, die zur Akzeptanz beitragen sollten: Der nahe gelegene Ort Bonnet erhält für jeden der 200 Einwohner jährlich 500 Euro aus einem „Fonds zur finanziellen Begleitung“.
Es gilt fortan bei der Endlagerung das Gesetz der Reversibilität gepaart mit dem Gebot der intergenerationellen Solidarität – alle getroffenen Entscheidungen seien vorläufig und umkehrbar. Außerdem müsste gewährleistet sein, dass bereits eingelagerter Müll während der Betriebsphase wieder geborgen werden kann, so wurde es 2016 in einem weiteren Gesetz beschlossen. So arbeitete sich die französische Regierung scheibchenweise vor. Gesetz um Gesetz. Aber das kann nun zu einem Bumerang werden, weil ein Nachweis dieses Reversibilitätsversprechens und der Schutz künftiger Generationen der ANDRA sehr schwer fallen wird.
Die Öffentlichkeit aber ließ sich nicht täuschen, denn gegen das Projekt gab und gibt es in Frankreich regionale und überregionale Proteste – wie gegen die Atomkraft überhaupt. Der juristische Weg im Kampf gegen die Einbahnstraße Bure hat erst begonnen.
An die Solidarität mit dem „Gorlebener Bure“ erinnert eine Plakette am Startpunkt des Sonntagsspaziergangs in Gorleben.