Was war bloß am 5. Mai 1983 los?

ptb-blog-003Eine Frage: Das erste Mal haben wir im Sommer 2008 angefragt. Wie es sich gehört: Vorab per Fax und dann per Brief. Wir wollten vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wissen, welche Gründe es im Jahr 1983 für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt(PTB) – das war die Vorläuferbehörde des Bundesamtes – gab, außer Gorleben noch weitere Standorte zur Erkundung als nukleares Endlager vorzuschlagen.

Der Auslöser: Im Sommer 2008 wurde die Debatte um die angebliche Renaissance der Atomkraft von der Lobby und ihren Wortführern in der CDU/CSU und FDP angeschoben. Zentrale Botschaft und hinlänglich bekannte Botschaft war, Deutschland dürfe sich energiepolitisch nicht isolieren, zumindest die Laufzeiten der AKWs müssten verlängert werden. Und Gorleben solle fertig gemacht werden. Nun lassen wir uns nicht fertig machen. Und wenn sogar die PTB– für eine Behörde einen durchaus kühnen – Vorschlag unterbreitete, nicht nur auf Gorleben zu setzen, dann musste doch endlich mal auf den Tisch, was aus geologischer Sicht alles gegen Gorleben sprach. Das Ende vom Lied – wir bekamen eine Abfuhr. Das BfS sei dermaßen mit dem Asse-Skandal beschäftigt, dass man für solche Nachforschungen keine Zeit habe….durchaus freundliche Grüße und Punkt.

Eine Rückblende: Die Frankfurter Rundschau berichtete 1985, zwei Jahre später, Bonn habe der PTB neue Überlegungen zur Standortsuche untersagt („Maulkorb für kritische Äußerung über Gorleben“). Professor Helmut Röthemeyer, damals als Abteilungsleiter in der PTB zuständig für Gorleben, hatte Journalisten in Hannover gegenüber ausgeplaudert, zwei Jahre zuvor hätte die PTB einen internen „Zwischenbericht“ nach Auswertung der Tiefbohrungen vorgelegt. Das Amt hätte die Empfehlung ausgesprochen, parallel zu Gorleben weitere Standorte zu untersuchen, um „das Entsorgungsrisiko weiter zu streuen“. Doch stattdessen hatte die damalige Bundesregierung der PTB untersagt, weiterhin derartige Überlegungen anzustellen.

ptb-blog-005Der Zwischenschritt: Im April hatte die TAZ 30. Geburtstag. Das war dem Blatt ein Gespräch mit jenem Professor Röthemeyer wert, inzwischen Pensionär. Und der verriet, dass es im Mai 1983 eine heftige Intervention der Bonner gab, als die PTB den „Zwischenbericht“ mit anderen Fachbehörden diskutieren wollte. Aus Gründen der Akzeptanz schließlich sollten auch andere Standorte untersucht werden, immerhin, dieser Satz blieb drin. Doch was stand in dem Entwurf zuvor? Was hat das politische Bonn so aufgeregt, dass sie unangemeldet Vertreter des Bundeskanzleramtes, des Innen- und Forschungsministeriums zur fraglichen Fachdebatte entsandten? Also schrieben wir, wie es sich gehört. Vorab nicht mehr Fax, sondern per Mail, dann per Brief. Denn die Zeiten ändern sich. Wochenlang geschah nix, also bohrten wir nach, und dann kam im Sommer, als wir „BI on tour“ waren, die Zusage: die Akten würden geöffnet.

Bisschen Geduld: So sehen sie also aus, getippt, handschriftliche Vermerke, ein 1. Entwurf. „Am 5.5.83 mit BGR und DBE diskutiert“. BGR – Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. DBE – Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern. Schön platziert fürs Blog-Photo auf dem Bericht über die Besetzung des Schwarzbaus Gorleben im Mai 2009, als die Erkundungslüge aufflog. – Schließlich der „Zwischenbericht“, dessen Zusammenfassung uns ja bekannt war. Sorgfältige Lektüre, philologische Arbeit, Seiten- und Textvergleich… das dauert. Aber nicht mehr lange, dann geben wir das Ergebnis unserer Auswertung bekannt.