Vor der Wahl ist nach der Wahl – Auf nach Berlin, auf Wiedersehen in Gorleben!

Am 29. August startete ein bunter Protestzug aus Gorleben nach Berlin. 30 Jahre nach dem legendären Gorleben-Treck nach Hannover sitzen die Bäuerinnen und Bauern wieder auf. Unter dem Eindruck dieses Massenprotests musste die CDU-Landesregierung seinerzeit zurückrudern. Der Plan, in Gorleben ein „Nukleares Entsorgungszentrum“ mit einer Wiederaufarbeitungsanlage zu errichten scheiterte, das war politisch nicht durchsetzbar. Aber ein atomares Zwischenlager (Castorlager) und der Schwarzbau Gorleben – im Salzstock Gorleben wurde unter der Etikette „Erkundung“ bereits mit dem Bau eines Atommüllendlagers begonnen – blieben.

Jetzt starteten die Bauern gemeinsam mit der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg zu einer Großdemo in Berlin. 100 Trecker, Trucks und Bauwägen und noch einmal 100 Begleitfahrzeuge sind „on the road“. Zur Zeit im Raum Salzgitter, Wolfenbüttel und Helmstedt, oder atompolitisch gesagt Schacht Konrad, Asse II und Morsleben unterwegs. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“…nein, fahren nicht zum Fußball, wir fahren zum Atomausstieg und feiern das Ende von Gorleben. Wehe, wenn Gorleben noch einmal gedealt wird, es reicht! Am 5. September wird in Berlin für den Atomausstieg und für den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien demonstriert.

Das ist ziemlich schlecht gelaufen: Die Atomkraft sollte Klimaretter sein, mutierte gar zum Ökostrom. Das Märchen von der angeblichen Renaissance der Atomkraft, das Trommelfeuer der Branche, CDU/CSU und FDP für die Laufzeitverlängerung der deutschen Reaktoren – schien erste Früchte zu tragen, dann kam Vattenfall. Ich sage nur Krümmel. Der Branchenriese konterkarierte mit einem Schlag alle kostenträchtigen Greenwashing-Kampagnen. Atomkraftwerke machen Angst.

Um die Profite der AKW-Betreiber zu retten, schoss sich die CDU auf das Pannen-AKW ein. Nach dem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff drohte auch der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, Vattenfall mit dem Entzug ihrer Lizenz.

Krümmel als Bauernopfer, um die Pläne der Union zu retten, damit bei einem Wahlsieg von CDU und FDP die Laufzeiten der Atommeiler dennoch verlängert werden können? Atomkraft war gestern, auf Bauernfängerei fällt niemand mehr herein.

Vor der Wahl beteuern nun SPD, Grüne und die Linken, sie wollten am Atomausstieg festhalten. Zuerst sollten die alten Meiler abgeschaltet werden, und Krümmel gleich mit. Interessant. Krümmel ist nicht „alt“, aber trotzdem störanfällig. Und „alte“ wie „neue“ Reaktoren produzieren Atommüll. Der muss für eine Million Jahre sicher gegen die Biosphäre abgeschirmt werden.

Was Krümmel für die Reaktorsicherheit ist, das ist die Asse II für das Atommülldesaster. Jahrelang illegal unter den Augen von Ministerien und Behörden betrieben, schließlich havariert. Wer Asse II sagt, darf Morsleben nicht vergessen. Die ehemalige DDR-Deponie wurde während Angela Merkels Amtszeit als Bundesumweltministerin in den 90er Jahren mit „Westmüll“ beliefert und für „sicher“ erklärt, inzwischen ebenfalls havariert. Die Kosten für die „Sanierung“ – geschätzt 2,5 Mrd.für Morsleben und 4 Mrd. für die Asse II – zahlen übrigens wir und nicht die Atommüllproduzenten. Skandalös.

2000, im Jahr des rot-grünen Atomkompromisses, waren 3000 Tonnen hochradioaktiver Abfälle angefallen. Bleibt es bei der Übertragung von Stromkapazitäten von „alt“ auf „neu“, summieren sich die Abfälle auf das Dreifache! Weltweit gibt es kein Endlager für den tödlichen hochradioaktiven Müll. Ein Sofortausstieg kann den bisher angefallenen Nuklearmüll zwar auch nicht wegzaubern, aber wäre der einzig akzeptable Schritt. Alle Politiker, die Laufzeitverlängerungen oder die Übertragung von Stromkapazitäten von „alt“ auf „neu“ das Wort reden, blenden das Atommülldesaster aus. Unverantwortlich.

  • Es ist an uns, ein weiteres Desaster abzuwenden.
  • Gorleben muss raus aus dem Endlagerpool.

Der Salzstock Gorleben hat Wasserkontakt, er war vor 32 Jahren „2. Wahl“, eine Retourkutsche zu Morsleben auf DDR-Seite, und die Zeit läuft: spätestens im Jahr 2010 läuft das Moratorium ab und zur Entscheidung steht an, ob Gorleben weitergebaut wird. Von den 1,5 Mrd. Euro, die dort versenkt wurden, floss die Hälfte in den Ausbau als Atommüllendlager – ohne atomrechtliches Genehmigungsverfahren. Das ist Deutschland.

Am 5. September heißt es Atomkraft oder Erneuerbare Energien. Verhandeln die Wahlgewinner und Koalitionäre über´s Atom, sind wir da! Kippt das Moratorium, sind wir schon wieder da! Rollt im November 2010 der nächste Castortransport nach Gorleben, stellen wir uns quer! Wir mischen uns ein. Bis bald, am 5.9. in Berlin. Auf Wiedersehen in Gorleben.

Wolfgang Ehmke