Restlaufzeiten und Perspektiven – Ein Diskussionsbeitrag innerhalb der Anti-AKW-Bewegung
Es wird ja nun von den Helferchen von „Rot-Grün“ rund um die Uhr verbreitet, mit „Schwarz-Gelb“ drohte eine „Verlängerung der Restlaufzeiten“. Das ist mal wieder ein Anlaß, daran zu erinnern, daß es sich beim Begiff „Restlaufzeiten“ um einen Propaganda-Begriff handelt, den „Rot-Grün“ erfunden hatte, um die Bestandsgarantie für Atomkraftwerke besser als „Atom-Ausstieg“ verkaufen zu können.
Noch vor 2006 wurde vom Bundes-„Umwelt“-Ministerium eine Tabelle mit „Restlaufzeiten“ verbreitet, in der folgendes zu lesen war:
- AKW Biblis A: 26. Februar 2007
- AKW Neckarwestheim I: 1. Dezember 2008
- AKW Biblis B: 31. Januar 2009
- AKW Brunsbüttel: 9. Februar 2009
Trittin und Gabriel hatten wohl damit gerechnet, daß sich im Jahr 2009 niemand mehr daran erinnern wird (und daß „Schwarz-Gelb“ nicht daran rührt, um die Rollenspielchen weiter wie eingeübt aufführen zu können.)
Erinnert sei auch daran,
- daß dieser „Atom-Ausstieg“ in den vergangenen 9 Jahren den Bau von Zwischenlagern an sämtlichen deutschen Atomkraftwerken ermöglicht hat,
- daß weiterhin Atommüll zum Zwischenlager über dem Gorlebener Salzstock transportiert wurde und dieser mit Hilfe der Erkundungslüge, die Trittin und Gabriel deckten, für 1,5 Milliarden Euro ausgebaut wurde,
- daß die Kapazität der Urananreicherungsanlage Gronau vervielfacht werden konnte
und - daß die Großen Vier weiterhin Strom von mehreren Atomkraftwerken (netto) exportieren…
… und daß das AKW Obrigheim stillgelegt wurde.
Zu ergänzen ist allerdings, daß das AKW Stade, das im November 2003 stillgelegt wurde, nach mittlerweile öffentlich zugänglichen internen Unterlagen bereits vor 1998 unrentabel war und nur wegen den Verhandlungen über einen Atom-Ausstieg weiterbetrieben wurde. Und das AKW Obrigheim, das im Mai 2005 abgeschaltet wurde, war 37 Jahre in Betrieb. Nach der angeblich aus den Reststrommengen, die im „Atom-Ausstiegs-Gesetz“ festgelegt sind, zu berechnenden durchschnittlichen „Restlaufzeit“ von 32 Jahren, gab es also auch hier bereits eine „Verlängerung der Restlaufzeit“ um 5 Jahre.
Wenn also nun in den kommenden Monaten (zwangsläufig) das AKW Krümmel stillgelegt wird, hat „Schwarz-Gelb“ bereits eine bessere „Ausstiegs“-Bilanz als „Rot-Grün“ und „Schwarz-Rot“- selbstverständlich ungewollt!
Innerhalb der Anti-AKW-Bewegung wird nun eine Diskussion über Perspektiven geführt. Dabei sollte zuerst mal klar sein, daß wir alle diejenigen zurückweisen, die derzeit an Legenden stricken. Und sei es auch nur durch Wortspielchen wie dem vom „Ausstieg aus dem Ausstieg“, mit dem suggeriert wird, in den vergangenen 9 Jahren habe es in Deutschland einen Atom-Ausstieg gegeben. (Den gab’s in Italien – 1987 – oder in Österreich – 1978)
Zu dieser Dískussion um Perspektiven hier ein Vorschlag: Das älteste in Deutschland betriebene Atomkraftwerk ist mit mittlerweile 35 Jahren Laufzeit das AKW Biblis A. Es liegt auch relativ zentral. Eine völlig neue Form der Demonstration wäre eine unbefristete Massen-Blockade dieses AKW, um dessen Stilllegung durchzusetzen. Nach wie vor ist eine Mehrheit der Deutschen für einen Atom-Ausstieg. Die – in kaum nachprüfbaren – Umfrage-Ergebnissen angedeuteten Differenzen über die „Schnelligkeit“ eines Atom-Ausstiegs dürften in Anbetracht des maroden Zustands des AKW Biblis A und dessen Betrieb seit August 1974 kaum zu unterschiedlichen Einschätzungen über die Dringlichkeit der Abschaltung dieses Meilers führen.
So besteht wohl Konsens über das Ziel einer solchen kontinuierlichen Demo.
Es bleibt die Frage, ob es realistisch ist, anzunehmen, daß über längere Zeit wenigstens einige hundert Menschen auf den Zufahrtsstraßen zum AKW ausharren und daß bei deren polizeilicher Verteibung auch immer wieder genügend andere bereit stehen, um an deren Stelle zu treten oder zu sitzen. Dazu könnte eine Internet-Solidaritäts-Seite eingerichtet werden, damit alle, die länger als einen Tag vor dem AKW Biblis A zu demonstrieren bereit wären, sich eintragen können. Erst danach wäre einigermaßen realistisch einzuschätzen, ob solch eine neuartige Form der Demonstration in Angriff genommen werden kann.
Aber zu aller erst müßte innerhalb der Anti-AKW-Bewegung über diesen Vorschlag diskutiert werden.
Klaus Schramm