„Der Landkreis war ein Rückzugsort für Terroristen“

In seiner 35. Sitzung hörte der 1. Parlamentarische Untersuchungsausschuss „Gorleben“ am Donnerstag, den 24.02.11, den durch die Koalition benannten ehemaligen CDU-Landes- und Bundespolitiker Kurt-Dieter Grill. – Kurt-Dieter Grill wird erneut geladen werden – seine Befragung konnte nicht abgeschlossen werden. Der folgende Bericht fußt in weiten Teilen auf einer Darstellung der GRÜNEN. Von zu Guttenberg lernen, heißt, das Original der GRÜNEN-Darstellung in vollen Zügen mit wenigen Ergänzungen zu übernehmen, ohne kenntlich zu machen, wo wir was reingeschrieben oder Schreibfehler beseitigt haben.
Zur Person
Grill ist bereits in jungen Jahren der CDU beigetreten und hat verschiedene Mandate inne gehabt. In seiner politischen Laufbahn war Grill sowohl Kreistagsabgeordneter in Lüchow-Dannenberg  als auch Mitglied des niedersächsischen Landtags und Bundestagsabgeordneter für die Union. Er bestreitet, Mitglied des Atomforums gewesen zu sein, dass er Ehrenmitglied der Kerntechnischen Gesellschaft ist, kann man auf der BI-Homepage nachlesen. Ferner war Kurt-Dieter Grill Initiator und von 1978 bis 1991 Vorsitzender der umstrittenen Gorleben-Kommission, die er noch heute als eine seiner „besten Erfindung“ bezeichnet.
„Information und Offenheit schafft Akzeptanz“
Mit diesem Credo versuchte Grill dem Untersuchungsausschuss die Arbeit und Aufgaben der Gorleben-Kommission zu verkaufen. Dieses Gremium, in dem keine kritischen Stimmen zugelassen waren, versuchte Akzeptanz in der Bevölkerung für das Atommüllendlager in Gorleben zu schaffen. Grills Motivation für die Gründung einer solchen Kommission stellte er im Untersuchungsausschuss deutlich dar: er empfand es als „unerträglich, wenn Leute wie Marianne Fritzen (BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg) und Graf von Bernstorff Zugang zum niedersächsischen Ministerpräsidenten haben und mehr politischen Einfluss auf Ernst Albrecht nehmen können als die lokalen Kreistagmitglieder“.
Diese Vorstellung von Öffentlichkeitsbeteiligung bekräftigte Grill im Fortgang der Befragung. So seien nur gewählte Vertreter in der Lage, über die Entwicklung des Landkreises zu entscheiden. Grills Auffassung von Bürgerbeteiligung wird auch durch sein aktives Eintreten für ein bergrechtliches und gegen ein atomrechtliches Untersuchungsverfahren deutlich. Letzteres hätte Bürgerbeteiligung nach Recht und Gesetz im Verlauf eines Planfeststellungsverfahrens erfordert, welches offensichtlich nicht erwünscht war und immer noch nicht erwünscht ist: so setzt auch sein Parteifreund Norbert Röttgen heute noch auf diesen krass undemokratischen Pfad.
Auch sein Verständnis einer ausgewogenen Informationspolitik zeichnet ein verzerrtes Bild. Auf die Frage, warum sich der Norddeutsche Rundfunk den Zugang zur Gorleben-Kommission juristisch erstreiten musste, fand Grill nur die halbherzige Antwort, dass man keine überregionalen Medien haben wollte. Doch auch die regionale Elbe-Jeetzel-Zeitung war lange Zeit außen vor gelassen. Grill führte aus, dass er die Berichte über die Beratungen der Kommission persönlich in seinem Wohnzimmer verfasste, um sie später an die Elbe-Jeetzel-Zeitung weiterzuleiten. Grill wollte mit dieser Kommission also nicht aufklären, sondern lenken. Diesen offensichtlichen Missstand beschönigte Grill während der Befragung mit den Worten, dass man stets „selbstbestimmte Informationsarbeit“ geleistet hätte. Man gleich er.
„Für das Wohl der Menschen in der Region“
Der Zeuge versuchte sein Selbstbild vom ehrlichen Politiker, der nur das Wohl der Bürgerinnen und Bürger seiner Region im Sinn hatte, auch vor dem Ausschuss darzustellen. Konfrontiert mit seiner tatsächlichen Politik reagierte Grill jedoch dünnhäutig und arrogant. Vielmehr wurde deutlich, dass er anstatt einen wirklichen Interessenausgleich in der Region zu erreichen, nur das Projekt Endlager und die damit verbundenen Gelder in die Region holen wollte. Besonderen Druck hat er dabei auf verschiedene Ministerialräte ausgeübt und die damalige Bundesregierung zu einem finanziellen Lastenausgleich, den sogenannten Gorleben-Millionen, aufgefordert. Das „Wohl“ der Bürger hatte er wahrscheinlich auch im Sinn, wenn er die verschärften Polizei- und Sicherheitsüberwachungen in der Region damit begründete, dass sich RAF-Terroristen in der Anti-AKW-Bewegung befunden hätten. „Der Landkreis war ein Rückzugsort für Terroristen“ – und deshalb war das Abhören von Telefonen und die Überwachung von Anwohnern notwendig.
Auch das eigene Wohl und das seiner Freunde hatte Grill durchaus im Blick. So erhielt er damals Zuwendungen im Wert von 102 300 Mark von seinem befreundeten Bauunternehmer Heinz Licht. Dieser erwartete im Gegenzug Unterstützung bei Bauaufträgen rund um das Projekt Gorleben (Stern, 22.03.1989).
Ein unglaubwürdiger, aber gut vorbereiteter Zeuge
Während der Untersuchungsausschusssitzung kam es immer wieder zu Momenten, in denen die Glaubwürdigkeit des Zeugen erheblich angezweifelt werden musste. Auf die Frage, ob Kurt-Dieter Grill Mitglied des Deutschen Atomforums gewesen sei, antwortete Grill mit einem überzeugten Nein. Obwohl er im Jahresbericht 1997 des DAF als Mitglied des Verwaltungsrats aufgeführt ist und dieser ihm vorgelegt wurde, wollte Grill seine Aussage nicht revidieren und berief sich auf Fehler in der Ausgabe. Auch eine erneute Belehrung zur Wahrheitspflicht für Zeugen und ein weiterer Jahresbericht (1996) mit seinem Namen unter den Mitgliedern des Verwaltungsrats des Deutschen Atomforums brachten Grill nicht zu einer Korrektur seiner Aussage.
Bereits in seinen ersten Ausführungen zitierte Kurt-Dieter Grill aus einem Protokoll des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Dabei handelte es sich um ein nicht-öffentliches Protokoll, welches er nicht in seinem Besitz haben dürfte. Das begründet den Verdacht auf unzulässige Zeugenvorbereitung. Auf die Frage, woher er das nicht-öffentliche Protokoll bezogen habe, verfiel Grill anfangs in Amnesie und später in Frechheit: „Ich habe das Protokoll in der berühmten Berliner U-Bahn gefunden“, verhöhnte er die Mitglieder des Untersuchungsausschusses.