Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

„Unglaublich – aber wahr! Demonstranten als gewaltbereite Extremisten erfasst“

Unter dieser Überschrift moniert die Bundesbeauftrage für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Andrea Voßhoff, die Tatsache, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine Vielzahl von Personen speichert, die bei einer Anti-Atom-Demo lediglich ihr Grundrecht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ausgeübt hatten.

In ihrem Tätigkeitsbericht für die Jahr 2013 und 2014, den sie jetzt vorlegte, rügt sie diese Praxis, die bisher noch nicht ausgeräumt wurde. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI) schließt sich der Wertung der Bundesbeauftragten an. In 13 Fällen speichert das LKA – inzwischen anonymisiert – Daten von Anmelderinnen und Anmeldern von BI-Veranstaltungen. Die BI hat sich diesbezüglich an die Beschwerdestelle des Innenministeriums gewandt. Zugleich wies jetzt der Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen ein Auskunftsersuchen eines Betroffenen zurück, das Verweigern der Auskunft sei rechtmäßig.

„Das können wir nicht so stehen lassen. Auch das gehört zu den Fehlern der Vergangenheit, die bis in die Zukunft hineinragen und die ein Vertrauen im Umgang miteinander bei der Abwicklung des Atomprogramms bei der angeblich neuen Endlagersuche nachhaltig zerstören“, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.

Die Bundesbeauftragte stieß laut Bericht auf eine gemeinsame Projektdatei des BfV und des Bundeskriminalamts, in der ausschließlich gewaltbereite extremistische Personen gespeichert werden. Andrea Voßhoff: „Dies ist rechtswidrig – selbst wenn bei einer derartigen Demonstration einzelne Personen gewaltbereit gewesen sein sollten. So hat das BfV dann auch im Nachgang zu meiner Kontrolle ausdrücklich eingeräumt, in den von mir festgestellten Fällen hätten die Betroffenen nicht gespeichert werden dürfen. Daher habe man deren Daten bis zum Abschluss meiner Kontrolle sowohl in dieser Projektdatei als auch in einer weiteren, zentralen Datei der Nachrichtendienste des Bundes und der Länder gesperrt. Nach Abschluss des Verfahrens werde man diese Daten löschen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.“

Diese Voraussetzungen dürfe der Verfassungsschutz für Atomkraftgegner nicht allgemein annehmen. Das Bundesministerium des Innern hatte in seiner Stellungnahme zu dem Prüfbericht gleichwohl einen Zusammenhang zwischen Kernkraftgegnern und Linksextremismus hergestellt. Es folgert aus der Teilnahme an einer solchen Demonstration, dass die Nutzung der Atomkraft als Ausdruck des menschenverachtenden kapitalistischen Systems kritisiert werde und dementsprechend Kernkraftgegner dieses kapitalistische System überwinden wollten.

Im Bericht der BfDI heißt es wörtlich: „Dies kann Kernkraftgegnern aber keinesfalls pauschal unterstellt werden. Wer die Nutzung der Atomkraft etwa aufgrund der potentiellen Risiken dieser Technologie oder der ungeklärten Endlagerung kritisiert, handelt nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Das Gleiche gilt für diejenigen, die als Betroffene – z. B. eines Zwischenlagers radioaktiv strahlenden Abfalls – gegen diese Lagerung demonstrieren und damit rechtmäßig ihre Grundrechte ausüben. Sofern keine Anhaltspunkte für die oben genannten Bestrebungen existieren, handeln Demonstranten im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Entsprechende Anhaltspunkte muss der Verfassungsschutz daher in jedem Einzelfall darlegen können, wenn er eine Person speichern will. Aber auch Personen, die gewaltsam handeln, in dem sie sich etwa an Schienen, Werkstore etc. ketten oder durch Sitzblockaden den Verkehr behindern und damit eine strafbare Nötigung begehen könnten, dürfen aufgrund dieser Straftat nicht per se vom BfV erfasst werden. Nicht aus jeder Straftat folgt automatisch ein tatsächlicher Anhaltspunkt für eine Bestrebung im Sinne des BVerfSchG gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, der ein Tätigwerden des BfV legitimiert. Andernfalls würde auch jede Körperverletzung, jeder Raubüberfall oder jede Nötigung im Straßenverkehr das BfV zum Tätigwerden berechtigen. Erforderlich hierfür ist also stets ein qualifizierter tatsächlicher Anhaltspunkt.“

Wolfgang Ehmke, Pressesprecher, Tel. 0170 – 510 56 06

25. Bericht der BfDI

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