Trotz aller Erfolge heißt es, einen kühlen Kopf zu bewahren

Ende des Jahres sollten die letzten drei Atomkraftwerke in Lingen, Neckarwestheim und Ohu vom Netz gehen. Das dauert. Die "Energiekrise" als Folge des russischen Überfalls gegen die Ukraine hat den Zeitplan zerrüttet. Schon im September 2020 flog der Salzstock Gorleben-Rambow im ersten Vergleichsschritt bei der Endlagersuche heraus. Jetzt soll das Bergwerk wieder verfüllt werden.
Was trotz der Verbitterung über den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bleibt: Was für ein Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung in Deutschland, seit es 1973 die ersten Proteste im badischen Wyhl gegeben hat. Brokdorf, Grohnde, Kalkar, Gorleben und Wackersdorf stehen für die markanten, „großen“ Konfliktlinien, doch das solidarische Zusammenspiel von regionalem und überregionalem Protest und die internationale Vernetzung war ihr Markenzeichen. Zweifelsohne mutierte das Wendland ab Mitte der 90er Jahre zum „Epizentrum“ der Bewegung: die Castortransporte boten den Angriffspunkt, die Forderungen wurden gebündelt, ist ging nie allein um die Transportgefahren, es ging immer um den Sofortausstieg, im Gegenzug um den Ausbau der Regenerativen. Und es ging – solidarisch – darum, den ungeeigneten Salzstock als Endlager zu verhindern. Geschafft!

Was bleibt ist das Bemühen einschlägiger Kreise in der EU, die Atomkraft „grün“ zu spülen. Dahinter steht die Absicht, Kapitalströme in den weiteren Ausbau von unrentablen Atomkraftwerken zu lenken. Sogar der Krieg in der Ukraine wird benutzt, um für einen „Streckbetrieb“ zu werben, so als würden die Atomkraftwerke in Form von Kraft-Wärme-Koppelung auch Heizungswärme produzieren.

Schlagartig wird hingegen klar, dass Atomanlagen im Kriegsfall Angriffsziele sein können, da nützen auch papierene Erklärungen der internationalen Atombehörde IAEO nichts. Nicht zu vergessen, die Atomkraftwerke nutzen Uran aus Krisengebieten und aus Schurkenstaaten wie Kasachstan. Uranabbau heißt entweder Unterstützung für Despoten oder Ausbeutung à la Afrika.

Was bleibt sind die Atomanlagen in Gronau und Lingen: die Urananreicherungsanlage und die Brennelementefabrik. Sie versorgen Atomanlagen in anderen europäischen Ländern. Der Atomausstieg ist erst komplett, wenn diese Atomfabriken ebenfalls stillgelegt sind. Da machen wir mit, solidarisch.

Und was bleibt ist der Müll. Die Endlagersuche wurde neu gestartet, mit einem Kardinalfehler: statt auf das zweite überkommende Müllprojekt, den Schacht KONRAD bei Salzgitter, ebenfalls zu verzichten, klammert sich die Politik an die Nachnutzung der ehemaligen Erzgrube für die Lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle. Niemand würde heute ernsthaft die Nachnutzung ausgedienter Gruben als Atommülldeponie vorschlagen, das Desaster in Morsleben und der Asse II als Folge der Lagerung von Müll in ehemaligen Salzbergwerken spricht Bände.

Bis 2050 soll nun ein Endlagerstandort gefunden werden. Das Timing ist unglaubwürdig, das wird dauern. Und die Zwischenlager, in denen dann bundesweit 1.900 Castorbehälter mit hochradioaktivem Müll stehen, kommen in die Jahre. In Gorleben läuft die Betriebserlaubnis bereits 2034 aus, im baugleichen Lager in Ahaus zwei Jahre später. Diese Lager haben Alterungsprobleme und sie haben den Sicherheitsanforderungen nie wirklich genügt. Stichwort 9/11, islamischer Staat, russischer Überfall auf die Ukraine – derartige Bedrohungen wurden beim Bau der Zwischenlager nicht bedacht. So geht es nicht.

Ohne uns wird es also nicht gehen: weder bei einer solidarischen Endlagersuche noch bei dem Zwischenlagergemurkse. Poliert das gelbe X und unterstützt die BI – durch eine Spende oder die Mitgliedschaft.