GORLEBEN RUNDSCHAU

Die Gorleben Rundschau ist das Mitteilungsblatt der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
Sie erscheint etwa alle zwei Monate und wird an interessierte Leserinnen und Leser kostenlos verschickt.

Ausgabe Januar-März 2023

Sind wir eigentlich noch zu retten? Wir stimmen sicherlich darin überein, dass der größte anzunehmende Unfall der Menschheit (nach einem Meteor-Impact) wohl der nukleare Overkill wäre. „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ hatten wir im Angesicht der Gräuel gefordert. Beides ist nun nach Europa zurückgekehrt. Nationalisten und Autokraten kennen offenbar kein Grauen. Nur Gier.

Apropos Gier: Unmittelbar unter diesen apokalyptischen Reitern lagert in der Büchse der Pandora das klimatische Weltenende, das wir uns durch unseren eigenen Konsum und unsere maßlose Lebensweise selber bescheren. Die „letzte Generation“ zu sein, ist kein Promotion-Gag von Öko-Spinnern, sondern eine wissenschaftlich-rational begründete Tatsache; zumindest die letzte Generation, die am Aussterben der Menschheit und damit einhergehenden entsetzlichen Leiden noch etwas ändern könnte. Man muss die Aktionsformen nicht mögen und man kann sicherlich in Frage stellen, ob sich auf diese Weise die breiten Massen begeistern lassen. Aber die Anliegen der „last generation“ können nur Fatalisten und Defätisten in Zweifel ziehen.

Hans-Werner Sinn dagegen, der einflussreiche ehemalige Präsident des in München ansässigen Vereins IFO-Institut für Wirtschaftsforschung, ein Verfechter ungebremsten Wirtschaftswachstums und einst prominenter Vordenker der „Agenda 2010“, der sich wegen seiner kruden Thesen zur Einwanderungspolitik schon mehrfach von AfD und Pegida abgrenzen musste und mit fehlerhaften Gutachten auch den Diesel gegen die E-Mobilität in Stellung bringen wollte, hat nun im Ruhestand ein neues Steckenpferd gefunden. Zum Jahreswechsel attestierte er den Grünen, die wahren Kosten der Energiewende zu verschleiern und propagierte die Rückkehr zur Atomkraft. Orchestriert wurde dieser Rückgriff in das vorige Jahrtausend vom Verkehrsminister Wissing, der zukünftig neoliberale SUV mit Nuklearstrom betreiben möchte, sowie den Wahlverlierern Merz und Söder, die beim Neujahrsfrühstück in München gleich über ein „Blackout-Risiko“ grüner Energiepolitik schwadronieren.

Zurück zu den Fakten: Ex IFO-Chef Sinn verschleiert selbst nicht nur die wahren Kosten der Atomkraft, sondern auch die Kosten der von seiner Wirtschaftspolitik verursachten Klimakatastrophe. Selbst wenn man völlig fahrlässig die Beschaffung von Uran aus Russland, die lange ausstehenden Sicherheitsüberprüfungen der AKW und die ungeklärte ewige Endlagerung außer Acht ließe, sollte uns doch allen klar sein, dass ein Super-GAU in Mitteleuropa sich realistisch nicht versichern lässt. Selbst die wohlwollendsten Stimmen billigen Atomkraft jedoch nur einen (möglichen...) Einfluss auf den Strompreis von vier Prozent zu – angesichts der derzeitigen Energiepreisschwankungen und der Inflation ein geradezu lächerlicher Anteil. Die Klimafolgen dagegen lassen sich zunehmend realistischer abschätzen und bewegen derzeit aus gutem Grund die gesamte internationale Staatengemeinschaft.

Dabei wäre die Antwort einer „Postwachstumsökonomie“ eigentlich bestechend einfach: nur eine Tonne CO2-Äquivalente dürfte jeder der acht Milliarden Erdenmenschen pro Jahr für seinen Wohlstand verbrauchen (Zum Vergleich: ein Flug von München nach New York und zurück verbraucht bereits vier Tonnen CO2). Wer dann noch mehr verbraucht, müsste den Hungernden und Ertrinkenden dieser Erde erklären, mit welchem Recht er ihr Kontigent für seinen Luxuskonsum verzehrt.

Mit diesen natürlichen Grenzen des Wachstums wäre aber keineswegs der Wohlstand der Menschen am Ende! Vielmehr sind wir aufgerufen, unseren Wohlstand und unsere Technologie ganz neu zu erfinden. Technischen Wirtschaftskreisläufen („cradle-to-cradle“), erneuerbaren Energien, Dezentralität und Energieautonomie, sowie neuen Wohn- und Arbeitsmodellen gehört die Zukunft, denn sonst wäre es keine.

Die alten Herren haben also abgewirtschaftet. Sie haben uns mit ihrem Wohlstandswahn an den Rand des Untergangs geführt und dabei doch weltweit immer nur eine kleine Elite mit ihren Segnungen versorgt. Und sie haben auch lange genug die Stromnetze mit ihrem Nuklearstrom verstopft und die Entwicklung einer lebenswerten Perspektive ausgebremst. Das Zeitalter der Hochtemperatur-Technologie geht zu Ende. Denn andernfalls wäre es das letzte gewesen.

Martin Donat
Vorsitzender der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg

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