Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

Das Bundesumweltministerium will die Endlagersuche optimieren – BI befürchtet Abstriche beim wissenschaftsbasierten Verfahren und sieht Wende um 180 Grad

Was wird aus dem Grundsatz „Sorgfalt vor Eile“, was wird aus der Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Endlagersuche und gibt es Abstriche beim vergleichenden wissenschaftsbasierten Suchverfahren der BGE? Mit Spannung wurde auf dem 4. Endlagerforum, das am Wochenende in Hannover ausgerichtet wurde, der Vorschlag zur „Optimierung und Beschleunigung“ bei der Endlagersuche aus dem Bundesumweltministeriums erwartet.

Ministeriumsvertreter Dr. Lars Beyer erläuterte, wie das Suchverfahren für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle aus BMUKN-Sicht deutlich verkürzt werden könne, ohne dass Beteiligungsrechte der betroffenen Regionen tangiert würden. Eine zeitliche Vorgabe für die Benennung des potentiellen Standorts will das BMUKN nicht mehr nennen, aber die Zahl 2031 aus dem Standortauswahlgesetz (StandAG) streichen, weil sich das längst als unrealistisch erwiesen hat.

Die Beschleunigung der Endlagersuche könne vor allem u.a. durch die Zusammenlegung der nächsten Ausgrenzungs- und Untersuchungsschritte erreicht werden, meint Dr. Beyer. Die verbliebenen Standortregionen würden nicht nur oberirdisch, sondern gleich auch unterirdisch erkundet. Neue Erkundungsmethoden könnten zudem dazu führen, dass auf Erkundungsbergwerke wie in Gorleben verzichtet werden könne – zwischen 10 und 20 Jahren könne der Zeitgewinn liegen.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) war gebeten, auf dieser Tagung diese Eckpunkte zu kommentieren. BI-Sprecher Wolfgang Ehmke mahnte eingangs an, eine weiter reichende Optimierung des StandAG in Betracht zu ziehen. Das Suchverfahren müsse auf die gleichwertige Betrachtung aller Arten von Atommüll ausgeweitet werden, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Schon jetzt müsse die BGE den Flächenbedarf für schwach- und mittelaktive Abfälle mitdenken. Ehmke: „Wenn nicht eindeutig geklärt ist, welches Abfallvolumen und welche Stoffe am Ende eingelagert werden müssen, bleiben im Suchverfahren zu viele Ungewissheiten.“ Auch ohne die Abfälle, die für den Schacht KONRAD bestimmt sind – aus Sicht der BI ist die Inbetriebnahme des Schacht KONRAD bekanntlich nicht vertretbar -, erhöhe sich das Abfallvolumen derart, dass von einer Doppeldeponie ausgegangen werden müsse – sowohl für hochradioaktive Abfälle als auch für schwach- und mittelaktive. Das sei auch von regionaler Bedeutung, weil ich Gorleben derartige Abfälle gelagert werden, und zwar unbefristet.

Ehmke verwies zudem auf den parteienübergreifenden Grundkonsens, der einst der Verabschiedung des StandAG zugrunde lag, das war der Atomausstieg, der immer wieder auch innerhalb der Regierungskoalition selbst in Frage gestellt wird: „Wir würden sonst als BI gar nicht in Hannover im Saal des Kongresszentrums diskutieren, sondern vor Ort draußen protestieren.“

Ob eine Straffung des Suchverfahrens ohne die Einschränkung von Einspruchsmöglichkeiten und Klagerechten der Zivilgesellschaft möglich ist, schien einer Vielzahl von Debattierenden zweifelhaft.

Ehmke hinterfragte vor allem den angestrebten Verzicht auf Erkundungsbergwerke, die bisher für Salzstöcke wegen ihrer komplizierten Innenstruktur als unabdinglich angesehen wurden: „Jahrzehntelang wurde uns erklärt, welche vorteilhaften Eigenschaften Salzstöcke als Endlagermedium habe und dass es ohne ein Erkundungsbergwerk wie in Gorleben nicht ginge. ´Vor der Hacke ist es duster´, dieser Satz hat sich uns eingeprägt. Das wäre eine Wendung um 180 Grad.“ Jetzt wird die Erkundung von Salzstöcken durch ein Erkundungsbergwerk nur noch als optional angesehen.

Die Vermutung liege nahe, dass es im fortschreitenden Verfahren zu einer Priorisierung der Endlagergesteine kommt: Rutscht Salz in steiler Lage ans Ende der Vorschlagsliste, dann könnte auf eine aufwendige Erkundung durch ein Bergwerk verzichtet werden. Einen entsprechenden Vorschlag hatte die Entsorgungskommission (ESK), das ministerielle Beratergremium, bereits vor einem Jahr unterbreitet und bezeichnender Weise die ESK soll noch in diesem Jahr zu den neuen Plänen für die Novelle des StandAG Stellung nehmen. Die BI sieht darin einen „Beschleunigungsschachzug“.

Der BI-Sprecher Ehmke erinnerte deshalb an die schlechte Praxis der Gefälligkeitsgutachten und forderte das BMUKN auf, an der gleichrangigen wissenschaftsbasierten Betrachtung der drei Endlagergesteine festzuhalten: „Es ist sehr durchsichtig, dass Salz in steiler Lagerung und Kristallin nur deshalb aussortiert werden könnten, um Zeit zu sparen.“

Wolfgang Ehmke, Pressesprecher, Tel. 0170 510 56 06

Die ESK hatte im Oktober 2024 unter dem sperrigen Titel „Standortauswahlverfahren für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle: Beschleunigungspotenziale und strategische Vorgehensweise bei der Identifikation von Standortregionen (Phase I der Standortauswahl)“ folgende Empfehlungen veröffentlicht:

„Die Vorhabenträgerin sollte sich bei der Erstellung einer wirtsgesteinstypübergreifenden Rangfolge auf möglichst wenige Standortregionen beschränken, für die eine begründete starke Aussicht besteht, dass in ihnen später der Standort mit bestmöglicher Sicherheit gefunden werden kann. Nur diese sollten für die weitere Erkundung vorgeschlagen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine Rangfolge mit deutlich weniger als zehn Standortregionen einen Standort mit bestmöglicher Sicherheit enthält.

 

Bei der Erstellung der o. g. Rangfolge der aussichtsreichsten Standortregionen sind Ungewissheiten und Verfahrensrisiken zu minimieren. Dies bedeutet u. a., dass von Spekulationen auf spätere technische Entwicklungen oder auf möglicherweise positive Erkundungsergebnisse mittels Erkundungsbergwerken abgesehen wird. Vielmehr sollte auf Regionen fokussiert werden, deren Erfolgschancen aufgrund der bereits bestehenden Datenlage als besonders hoch eingeschätzt werden. Diese können zügig durch Erkundungen mittels Seismik und Bohrungen unter Verzicht auf aufwendige Erkundungsbergwerke weiter abgesichert und bestätigt werden. Dies beträfe Tongesteine und Salz in flacher Lagerung. Salzgesteine in steiler Lagerung bedingen einen deutlich höheren Erkundungsaufwand

 

Für Endlager in Kristallingesteinen ist es aufgrund der geringen Erkundbarkeit von Wasserwegsamkeiten im Wirtsgestein nach Auffassung der ESK wenig aussichtsreich, ein Endlagersystem vom Typ 1 (mit ewG) umzusetzen. Selbst in einem „perfekten“ Gesteinskörper kann die Bildung von Wasserwegsamkeiten nicht ausgeschlossen werden. Diese Option sollte daher für die weiteren Betrachtungen ausgeschlossen werden.“

https://www.entsorgungskommission.de/sites/default/files/reports/ESK_Positionspapier_ZEIT_AuswahlverfahrenBeschleunigungspotenziale_ESK118_251024.pdf

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