7.10. | BASE diskutiert Untersuchungsrahmen zur Umweltverträglichkeit der verlängerten Zwischenlagerung in Gorleben
Der überfällige Scoping-Termin zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) fand am 7.10.2025 statt. In Salzgitter, nicht im Wendland, entgegen der gemeinsamen Forderungen der BI und des Kreisausschusses Atomanlagen vom Landkreis Lüchow-Dannenberg. Ziel des Scoping-Termins ist das Festlegen von Umfang und Inhalt der nachfolgenden UVP und damit des Umweltberichts, der von der BGZ für die anstehende Beantragung der Verlängerung nach Atomrecht gefordert wird. Basis der Diskussion war der Vorschlag der BGZ und die als Reaktion auf diesen vorab eingereichten Hinweise und Stellungnahmen von Fachbehörden und Umweltvereinigungen. Darunter die von weiteren Eingebern an das BASE bereits breit unterstützte Fachstellungnahme der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die mit einem interdisziplinären Team aus Beteiligten vor Ort, Lokalpolitik, Umweltverbänden und Wissenschaft erarbeitet wurde.
Wichtig zu wissen: Warum haben wir uns wegen der Umweltverträglichkeitsprüfung so viel Arbeit gemacht?
Die UVP ist der erste Schritt der Öffentlichkeitsbeteiligung, in dem der Betreiber sein Vorhaben beschreiben und alle tatsächlichen und möglichen Auswirkungen auf Umwelt, Mensch und Tier darlegen muss. Der Umfang ist im Gesetz zur UVP (UVPG) eindeutig geregelt und umfasst alle Auswirkungen der Errichtung und des Regelbetriebs, aber auch Auswirkungen und zur Beherrschung erforderliche Maßnahmen bei Unfällen, Störfällen und Katastrophen, die als Folge von Alterung und beispielsweise terroristischen Angriffen zu berücksichtigen sind.
In Anbetracht der Tatsache, dass ein Endlager für die Bundesrepublik erst gegen Ende des Jahrhunderts bereit stehen wird, werden hier die Weichen für die nächsten 100 Jahre Zwischenlagerung für Gorleben sowie alle deutschen Zwischenlager gestellt!
Der Termin selbst wurde nach Zahl der Teilnehmer dominiert von Vertretern der Regulierungsbehörde BASE, der Betreiberin BGZ bzw. ihrem Dienstleister SWECO, sowie dem Land Niedersachsen als Aufsichtsbehörde. Von den 11 anwesenden Einwendenden trugen insbesondere der Landkreis Lüchow-Dannenberg, die Gemeinde Gartow, das Biosphärenreservat Elbtalaue, der BUND, sowie die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg aktiv zur Diskussion bei.
Die geplante Verlängerung der Zwischenlagerung um „mehr als 10 Jahre“ fasst die BGZ bereits im allerersten Satz zusammen. “Am Ende geht es weiter wie bisher“. Unter „Beschränkung auf Inspektion, Wartung, und Reparaturen von Behältern und Gebäudestrukturen“ ist „keinerlei Änderungen des Betriebsgeländes“ geplant. Betont wird die freiwillige Begrenzung auf 113 statt 420 möglicher Castoren, die sich im Bau befindende Schutzwand gegen Flugzeugabsturz sowie das geplante Logistikzentrum, welches (unabhängig von den Castoren mit hochradioaktivem Abfall) für die mittel- und schwachradioaktive Abfälle benötigt wird. Im Anschluss schildert SWECO kurz den allseits bekannten Vorschlag des Untersuchungsrahmens – dazu später mehr.
Nach einem kurzen Überblick über die Herkunft der zehn als relevant eingestuften Hinweise von Trägern Öffentlicher Belange, Fachbehörden und Umweltverbände sorgte das BASE für kaltes Erwachen. Die Behörde sei in eigener Analyse der Rechtslage zur Auffassung gelangt, dass der Löwenanteil der Einwendungen der Öffentlichkeit für die UVP irrelevant und damit für die heutige Diskussion nichtig seien. Damit wurden wichtige Fragen a priori aus dem Weg geräumt, die gemäß BASE irrelevant für die Diskussion seien, nämlich:
- Unklarer Antragscharakter: Wird von der BGZ ein Antrag auf Neugenehmigung erwartet oder ist eine reine Änderungsgenehmigung ausreichend?
- Fehlendes Regelwerk: Wie ist mit dem Umstand umzugehen, dass ein allgemeinverbindliches Regelwerk zur verlängerten Zwischenlagerung noch aussteht bzw. erst nach Abschluss der laufenden UVP vom Bundesministerium geliefert wird.
- Fehlende Alternativenprüfung: Wieso wird im Widerspruch zum UVPG auf die Prüfung jeglicher, auch baulich-operativer Alternativen verzichtet? Zitat: „Es handelt sich um eine Projekt-UVP, keine Strategische UVP, daher ist keine Alternativenprüfung erforderlich“.
- Fehlende Betrachtung von SEWD: Wieso werden im Widerspruch zum UVPG Störmaßnahmen oder sonst. Einwirkungen Dritter, wie z.B. terroristische Bedrohungen in keinster Weise betrachtet? Die Begründung fällt dürftig aus: Zitat: „Es handelt sich um die Auffassung der Rechtsauslegung des BASE mit Blick auf die EU UVP-Richtlinie sowie weitere Dokumente, die wir hier nicht durchgehen möchten.“
Damit waren Tonfall und Erwartungen unmissverständlich geklärt.
Es folgten inhaltliche Anmerkungen des BASE zur Scoping-Unterlage selbst. Dabei wurden, an BGZ/SWECO gerichtet, aus Sicht der Einwendenden keine substanziellen Themen diskutiert. Die Diskussion der schweren Unfälle und Katastrophen in der UVP beispielsweise reduziert sich auf Fehler in der Klimatisierung der Gebäude und der Heizung, sowie die Auswirkung der Castor-Abwärme und des Betriebslärms auf auf Vögel auf Vögel in 300 m Umkreis.
Inhaltlich interessant wurde es, sobald das BASE die Diskussion der eingereichten Hinweise eröffnete und den anwesenden Vertretern derselben die Möglichkeit zugestand, aus ihrer Sicht wichtige Themen zu kommentieren.
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg wies darauf hin, dass die Daten der Schutzgebiete veraltet und unvollständig sind. So stammen die verwendeten Biotopkartierungen aus den Jahren 1984-2004, sind damit >20 Jahre alt und, wie beim Landkreis zu erfragen, auch bzgl. des 1 km Regelwirkraums unvollständig. Auch wurde bei der Betrachtung der Schutzgebiete übersehen, dass der Schutzstatus des Biosphärenreservats Elbtalaue gleichrangig mit den Natura 2000 Schutzgebieten, und damit mit zu betrachten ist. Diese Punkte wurden aufgenommen und die BGZ beauftragt, die fehlenden Daten einzubringen.
Ein Hinweis des BUND ergab, dass bei den vorgenommenen faunistischen Kartierungen Wander- und Rastvögel nicht betrachtet werden – ein Unterstreichen der Wichtigkeit der Betrachtung von Störfällen und Katastrophen endete absehbar mit der Aussage des BASE, dass diese über Brandereignisse hinaus für die UVP nicht relevant seien, nur für den Sicherheitsbericht.
Gestützt auf die Fachstellungnahme der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg machten Martin Donat und Peter Widmayer den deutlichen Dissens in der Rechtsauffassung klar, der zwischen BASE und der vorherrschenden Meinung von Forschung und Lehre existiert. Durch das Versäumnis, die frühe Beteiligung im UVP-Verfahren zu nutzen, werde die Chance auf Vertrauen der Öffentlichkeit vertan – Vertrauen in die Sicherheit der auf voraussichtlich um >100 Jahre verlängerten Zwischenlagerung. Dabei unterstreiche das UVPG den berechtigten Anspruch der Bevölkerung darauf, sicher sein zu können, dass die Zwischenlager sowohl den wachsenden Bedrohungen durch Terrorismus und militärische Risiken standhalten als auch die technischen Alterungsprozesse von Gebäuden und Behältern umfassend berücksichtigt werden.
Positiv bleibt festzuhalten, dass gemäß BASE alle genannten Sicherheitsthemen im nachfolgenden Sicherheitsbericht zu berücksichtigen sind. Damit bleibt die Hoffnung, dass alle für die UVP als nichtig betrachteten Hinweise und Stellungnahmen zur Sicherheit der verlängerten Zwischenlager beitragen werden. Eine explizite Nachfrage der BI, ob eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Erarbeitung des Sicherheitsberichts unter Wahrung der Geheimhaltungpflichten denkbar wäre, wurde vom BASE abschlägig beschieden.
Auch die Forderung von BI, BUND und Landkreis nach Neugenehmigung anstelle reiner Verlängerung (= Änderungsgenehmigung) stützte das BASE nicht, entgegen gerichtlich bestätigter Zusicherung der Hausleitung im Jahr 2018. Zwar wiederholten sowohl BASE als auch BGZ wiederholt, dass die inhaltlichen Sicherheitsprüfungen bei Neu- und Änderungsgenehmigungen sich in nichts unterscheiden. Der eigentliche Haken liegt an anderer Stelle, denn, wie von dem BASE formuliert: „Reine Betriebsverlängerung UVP-pflichtig zu sehen, ist schwierig“. Es droht, dass die Regulierungsbehörde bei den folgenden Zwischenlagern auf die UVP und die damit verbundene Öffentlichkeitsbeteiligung vollständig verzichten wird.
Zusammenfassend war der Termin ernüchternd. Im Ausblick und weiteren Vorgehen kündigt das BASE an, dass Umwelt- und Sicherheitsbericht mit Vorlauf von mindestens 2 Monaten vor dem Erörterungstermin zum Genehmigungsantrag nach AtG bereit stehen werden.
Wir bleiben dran – und zählen auf eure Unterstützung.
Links:
- Fachstellungnahme der BI, eingereicht 22.9.2025
- Überblick über die gesetzlichen Anforderungen an den Untersuchungsrahmen und darauf basierender detaillierter Fragenkatalog zur UVP für die verlängerte Zwischenlagerung, Gorlebener Runde, Juni 2025
- "Herausforderungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung bei der wesentlich längeren Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland”, Köppel, Neugebauer, Widmayer, Publikation und Beitrag zum 16. UVP-Kongress 2025.