Fachgruppe Radioaktivität
Einige Ärzte des Landkreises, zugleich Mitglieder der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung), beginnen 1997 sich regelmäßig zu treffen. Sie sind in Sorge, dass durch die beginnenden Castor-Transporte und die drohende Inbetriebnahme der PKA (Pilotkonditionierungsanlage) in Gorleben eine zusätzliche radioaktive Belastung auf die Bevölkerung des Landkreises Lüchow-Dannenberg zukommt. Die regelmäßigen Treffen beziehen bald Fachleute wie Physiker und Ingenieure in ihre Arbeit ein, um solide Grundlagen für ihre Stellungnahmen zu erarbeiten. Irgendwann nennt sich die Gruppe „Fachgruppe Radioaktivität“ und formuliert ihr Selbstverständnis so:
- “Wir sind eine Gruppe unabhängiger Menschen aus verschiedenen Berufen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die komplexen Vorgänge um die Atomkraft – bis hin zur Entsorgung – kritisch zu hinterfragen.
- Wir wollen Erkenntnisse über die Zusammenhänge vermitteln und für Sachaufklärung sorgen.
- Wir treffen uns monatlich, um über Arbeitsergebnisse öffentlich zu diskutieren.
- Wir unterstützen mit unserer Arbeit die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.”
So steht es kurz und bündig auf www.castor.de, der Seite, auf der sie bis heute mit wichtigen Arbeiten der Fachgruppen-Mitglieder zu Gast sein kann.
Bald hörte man „AUA“ – obwohl sich keiner verletzt hatte. Das Kürzel steht bis heute für “Arbeitsgemeinschaft Umweltüberwachung von Atomanlagen”, und bis heute ist die Fachgruppe dort Mitglied. Eingerichtet als Umgebungsüberwachung von Atomanlagen, hat es die Fachgruppe mit Unterstützung des Landkreises, des Landvolks und vieler Spenden als Streckenüberwachung konzipiert und installiert. Gammastrahlen-Meßgeräte sind ständig auf alle Transportstrecken zum und vom Zentralen Zwischenlager Gorleben gerichtet, die gemessenen Werte werden gespeichert und ausgewertet.
Diese Überwachung geht weiter. Der Plan für die Echtzeit-Übermittlung an einen Rechner und die Veröffentlichung auf der eigenen Internetseite der Fachgruppe steht, nach seiner Umsetzung sind die Echtzeitwerte für jedermann einsehbar.
Die Mitglieder der Fachgruppe engagieren sich freiwillig und ohne Entschädigung, da klappt manchmal der Generationenwechsel nicht so gut wie in der BI, die als Verein stets einen funktionierenden Vorstand haben muss, oder der Bäuerlichen Notgemeinschaft, bei der sich jetzt die vierte Generation freut, nach dem Treckerführerschein mit 16 schon dabeisein zu können.
Die Leistung der Gründungsmitglieder der Fachgruppe kann in den veröffentlichten Arbeiten gut abgelesen werden. Seit 2009 versuchen wir, uns die entsprechende Qualifikation zu erwerben und neue Mitglieder zu gewinnen, um den gesetzten hohen Maßstäben gerecht zu werden.
Mit der Auswertung aller Jahresprotokolle der GNS über ihre eigenen Messungen am Zwischenlager Gorleben konnten wir sicher daran anknüpfen. Sie ergab, dass der gesetzte Grenzwert von 0,3 Millisievert am Zaun seit 2004 überschritten wird. Den Castor-Transport 2011 hat diese Tatsache nicht verhindert, aber 2012 zu neuen Messreihen der Neutronen- und Gammastrahlung um das Zwischenlager und zu gemeinsamen Messungen mit der GNS auf der Nordseite im Zwischenlager geführt. In einer gemeinsamen Veranstaltung mit der GNS im November 2012 wurden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei blieben Differenzen in der Bewertung, die zu weiteren gemeinsamen Messungen 2013 Anlass geben.
Die Fachgruppe arbeitet an ihrem eigenen Datenbank-basierten Internetauftritt, der allen Interessierten einen Zugang zur Thematik bieten soll. Das Thema der “gar nicht so friedlichen” und der militärischen Nutzung der Atomkernspaltung einschließlich der Frage des Umgangs mit den produzierten ewig strahlenden Hinterlassenschaften dieser Anwendung (und ob sie in Gorleben – aus den Augen, aus dem Sinn – eingegraben werden sollen) wird alle noch lange beschäftigen. Auch die Fachgruppe wird dazu sicher noch einige Generationswechsel glücklich bewältigen müssen.