Die nächste Katastrophe zeichnet sich ab:
Aus Zwischenlagerung wird Langzeitlagerung
Die überwiegende Mehrheit aller Experten ging schon immer von wesentlich längeren Zeiträumen bei der Suche und Inbetriebnahme eines wie auch immer gearteten Endlagers aus, als sie der Zeitplan der Bundesregierung mit der geplanten Standortentscheidung im Jahr 2031 bzw. der Inbetriebnahme eines Endlagers im Jahr 2050 laut Standortauswahlgesetz (StandAG) vorsieht.
So führte die Endlager-Kommission des Deutschen Bundestages mit Blick auf diesen Planungshorizont aus: „Angesichts von nach gegenwärtigen Erfahrungen plausiblen Zeitbedarfen (…) kommt man explorativ zu deutlich anderen Zeiträumen. (…) Die Inbetriebnahme (Beginn der Einlagerung der Abfälle) könnte erst für das nächste Jahrhundert erwartet werden, ein Verschluss erst weit in das nächste Jahrhundert hinein. (…) Das Verfahren wird sich über einen langen Zeitraum erstrecken, der deutlich über das Jahr 2031/2050 hinausreicht.“
Inzwischen ist die Rede davon, dass erst in vielleicht 40 Jahren - 2060 bis 2070 - ein Standort feststeht, dann muss das Endlager noch ausgebaut werden. Aber die Zwischenlager in Lubmin, Ahaus und Gorleben wie auch die kraftwerksnahen Lagerstätten sind nicht auf 100 Jahre „Sicherheit“ ausgelegt, sondern auf 40 Jahre. Es klafft also eine beträchtliche Lücke zwischen dem Ablauf der Haltbarkeit – in Gorleben ist es das Jahr 2034 – und der möglichen Inbetriebnahme eines „Endlagers“. Vermutlich muss man sich auf eine hundertjährige Lagerzeit in den oberirdischen Hallen einstellen, um diese Lücke zu schließen.
Michael Sailer, der auch in der Reaktorsicherheitskommission gearbeitet hat dem Öko-Institut vorstand, sagte in der Gorleben Rundschau im Herbst 2018:
„Es ist in all den Genehmigungsverfahren nur geprüft worden, ob alles voraussichtlich 40 Jahre hält. Eine technisch saubere Prüfung für Zeiten über die 40 Jahre hinaus ist nicht erfolgt. Das wissen alle, die an der Prüfung beteiligt waren. Auch die Reaktorsicherheitskommission, in der ich damals war, hat ihre finale Stellungnahme nur für 40 Jahre abgegeben. Wer sagt, die Lager seien länger sicher, kann sich auf keine ernsthafte Sicherheitsprüfung stützen, die dies belegen würde.“
Schon jetzt sind Zwischenlager sind nicht ausreichend gegen Terroranschläge geschützt. Deshalb wurde das Zwischenlager in Brunsbüttel gerichtlich stillgelegt. Ähnlich diffizil stellt sich die Lage in Lubmin dar. Statt die geforderten Sicherheitsstandards auf andere Lager zu übertragen, duckten sich die Behörden weg, denn wo keine Klagen mehr gegen die Lagerung anhängig sind, bliebe allein das Behördenhandeln. Das erweist sich aber als ein Nichtstun, nur ab und zu wird von der Notwendigkeit eines „Alterungsmanagements“ gesprochen. Die Lager werden aber nicht „nachgebessert“, der Müll steht da und wird mit Notverordnungen wie in Brunsbüttel rechtlich „gepuffert“.
In Ahaus und Gorleben wurde nach Nine Eleven, dem Terrorangriff auf die Twin Towers in New York im Jahre 2001, die Halle noch einmal mit einer Mauer „eingehaust“. Eine 10 Meter hohe Mauer wird/wurde um die Halle herum hochgezogen. Nur dass die 20 Meter hoch ist...
Behauptet wird nach wie vor, dass ein Castorbehälter selbst gegen einen gezielten Flugzeugabsturz ausgelegt sei und dass ein Brand die Behälterintegrität nicht gefährden würde. Folglich gibt es nicht einmal ein Überflugverbot: Es ist nicht zu fassen, wie diese Forderungen nach mehr Sicherheit in den Wind geschlagen werden!
Anders als bei den Rost- und Blähfässern mit schwach- und mittelaktivem Müll lässt sich einem Transport- und Lagerbehälter (meist wird vereinfachend dazu Castor-Behälter gesagt, aber es gibt noch andere Hersteller) nicht einfach ansehen, ob er noch intakt ist. Probleme kann es in Deckelbereich geben, wenn die Primärdichtung versagt. Dann soll auf den Sekundärdeckel noch ein weiterer Hut aufgesetzt werden. Es kann aber auch die Behälterintegrität selbst gefährdet sein. Lassen Sie sich nicht täuschen: es werden sich schon "Gutachter" finden, die dem Castor eine 100 Jahre-Haltbarkeitsplakette aufdrücken! Was tatsächlich im Innern eines Behälters passiert, in dem sich beispielsweise abgebrannte Brennelemente befinden, das weiß man nicht so genau. Ob die Hüllrohre zerbröseln oder nicht, ob man den Inhalt überhaupt entladen könnte, das wären Forschungsfragen. Zu befürchten ist: Wenn abgebrannte Brennstäbe bröckeln und Brennmaterial zusammenrieselt, besteht die Gefahr von Kritikalität und damit einer unkontrollierten Kettenreaktion. Was aus dem Moderatorstäben – das sind Polyethylenstangen, die die Neutronenstrahlung abschirmen – wird, wenn sie über so lange Zeit unter Neutronen -„Dauerbeschuss“ sind, ist höchst unklar. Uns ist nicht bekannt, dass es eine solche Forschung in Deutschland gäbe, wir kennen nur „Sicherheitsbetrachtungen“.
Konzept der Atommüll-Zwischenlagerung ist gescheitert
70 Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände positionieren sich gemeinsam zur Zukunft der Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle.
Worauf müssen wir achten?
Worauf müssen wir achten? Wir müssen eine Debatte um die Sicherheit der Lagerstätten führen und dabei Grundsätze und Forderungen formulieren. Die Dauerlager müssen so ausgelegt werden,
- dass sich der sicherheitstechnische Zustand der Behälter für einen Zeitraum von mind. 100 Jahren nicht verändert,
- dass sie ein Mehrbarrierensystem gegen mechanische und thermische Einwirkungen besitzen,
- dass die Behälter wirksam vor allen denkbaren Umwelteinflüssen geschützt (Erdbeben, Überflutung, Feuer, Sturm, Starkregen etc.) werden und
- dass sie einen wirksamen Schutz vor terroristischen und kriegerischen Aktivitäten bieten.
Wolfgang Ehmke
Ein erster richtungsweisender Artikel erschien bereits in der Gorleben Rundschau, Ausgabe Mai / Juni 2017. Stand 9.02.2023