Veränderungssperre

Die Gorleben-Veränderungssperre gehört der Vergangenheit an. Aber nur formell.

Die Sonderverordnung untersagte für ein parzellenscharf festgelegtes Gebiet „Veränderungen“ unterhalb einer Tiefe, gemessen ab der Geländeoberkante von 50 Metern und im übrigen Planungsgebiet von 100 Metern, die „die Standorterkundung erheblich erschweren können“. Rechtsgrundlage der Gorleben-Veränderungssperre vom 17.08.2005 war §9g Abs. 1 S.1 des Atomgesetzes. Erst 2017 mit der Novelle des Standortauswahlgesetzes (StandAG) verabschiedete sich der Gesetzgeber von dieser offenen Form der Privilegierung Gorlebens bei der Standortsuche für ein nukleares Endlager, in dem „insbesondere“ hochradioaktiver Abfall eingelagert werden soll. Das heißt nicht, dass Gorlebens Sonderstellung damit geändert wurde: es ist der einzige mögliche Standort, der bereits feststeht.

Flankiert wird die „Sicherung“ des Standorts nunmehr durch den §21 StandAG. In §21 werden zwar keine Standorte namentlich genannt: Vielmehr sind alle Gebiete sind grundsätzlich „vor Veränderungen zu schützen“, die die potentielle Eignung zur Errichtung eines Endlagers besitzen.

Tiefe Bohrungen sind in dem fraglichen Zeitraum im gesamten Bundesgebiet erstmal nicht mehr zugelassen. Ausnahmen sind nur dort zulässig, wo das Gebiet Mindestanforderungen für ein Endlager nicht erfüllt, bereits vorgeschädigt ist oder so groß ist, das noch genügend Platz für ein Endlager bleibt (Abs. 1-3). In Abs. 4 wird dann noch beschrieben, welche Art Bohrung noch zulässig ist (höchstzulässige Tiefe).

Im Effekt wird also das gesamte Bundesgebiet unter eine Veränderungssperre gestellt. Für jedes Vorhaben muss eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden, das BfE gefragt werden. Seine Stellungnahme ist öffentlich zu machen.

In §21 Abs. 5 (4) wird das BfE zudem ermächtigt, Veränderungen für bestimmte Gebiete für die Dauer von bis zu 10 Jahren zu untersagen. Das wäre dann dieselbe Veränderungssperre wie die jetzige für Gorleben.

Rückblick

Die Veränderungssperre privilegierte den Standort Gorleben in einem unglaublichen Maß. An anderen prospektiven Standorten, die durchaus bekannt sind – man braucht sich nur die Salinar-, Kristall- und Tonstudien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus den Jahren 1994,1995 und 2007 anzusehen – kann durch Bohrungen z.B. zur Einrichtung von Kavernen für die Gaslagerung oder die Suche nach Gas- oder Ölvorkommen das Wirtsgestein so in Mitleidenschaft gezogen werden, dass es als Endlagerstätte nicht mehr in Frage kommt.

Die Antworten des BMUB auf alle Einwände lassen sich in einem mantra-haften Satz zusammen fassen:

"Der Bund ist verpflichtet, den Standort Gorleben unter Gewährleistung aller rechtlichen Erfordernisse offenzuhalten. Um dieser gesetzlichen Pflicht nachzukommen, besteht gegenwärtig keine Alternative zu der Verlängerung der geltenden Verordnung."

Die BI widersprach dieser Rechtsauffassung vehement: die Erkundung des Salzstocks Gorleben ist beendet, so steht es im Standortauswahlgesetz (StandAG). Eine Veränderungssperre wäre nur mit der Sicherung oder Fortsetzung einer Standorterkundung zu begründen, also mit einem konkreten Erkundungsvorhaben, das in Gorleben nicht mehr gegeben ist.

Zudem ist im StandAG festgeschrieben, dass Gorleben “wie jeder andere in Betracht kommende Standort” am Verfahren teilnehmen soll, betonte die BI. Statt einem im Bauplanungsrecht zwingend notwendigen positiven Planungsziel liegt gegenteilig ein reines Verhinderungsziel vor, nämlich eine möglichen Exploration und Gewinnung von Rohstoffen im Raum Gorleben zu verhindern. Im Atomgesetz heißt es aber im Paragraphen § 9g (Veränderungssperre): "Die Festlegung ist vor Ablauf der bezeichneten Fristen aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Festlegung weggefallen sind". In diese klare Formulierung kann kein Ermessensspielraum hineininterpretiert werden.

  • Leseempfehlung: Sehr ausführlich setzte sich Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit mit dem Widerspruch StandAG und Veränderungssperre auseinander. Er vertritt Greenpeace und Fried v. Bernstorff in ihrer Klage gegen die Gorleben-Veränderungssperre.

Wolfgang Ehmke, Pressesprecher, 16.05.2017