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1. Oktober 2014 – Atommüllkompromiss im Eimer: E.on klagt

E.on geht mit einer Klage gegen das Standortauswahlgesetz (StandAG) und die Änderung des Atomgesetzes vor, das in der Öffentlichkeit als großer Kompromiss gefeiert wurde. Gorleben wurde in dem Gesetz trotz der geologischen Mängel und der politischen Trickserei als potentieller Standort fortgeschrieben, wird derzeit aber nicht weiter ausgebaut.

Der Energieriese drängt nun darauf, dass weiter Castor-Behälter in Gorleben eingelagert werden. 26 Castoren aus der Wiederaufarbeitung in La Hague bzw. Sellafield mit verglasten mittel- und hochradioaktiven Abfällen stehen noch aus, doch die Länder konnten sich bisher nicht darauf verständigen, wo die Behälter – wenn nicht in Gorleben – zwischengelagert werden.

Diese entsprechende Änderung des Atomgesetzes sollte Vertrauen im Wendland schaffen, es ginge um einen Neustart der Endlagersuche, doch das Zaudern der Länder hat bisher nur das Gegenteil bewirkt, merkt die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI) an.

“Mit der Klage ist der Atommüllkompromiss faktisch im Eimer”, glaubt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Die Gorleben-Gegner fordern insbesondere den E.on- Mann in der Endlagerkommission, Bernhard Fischer, zu seinem Rücktritt auf. “Das Standortauswahlgesetz muss umgehend novelliert werden, die Lobbyvertreter haben nichts in einem solchen Gremium zu suchen”, so Ehmke. Die Atombranche sei kein seriöser Partner. Mit dem Rückbau des ehemaligen Erkundungsbergwerks, wie das Gorleben-Projekt beschönigend genannt wurde, und der Aufgabe des x-fach verbrannten Standorts müsse nun der Weg frei gemacht werden für einen tatsächlichen Neustart der Atommülldebatte.

Dem Vernehmen nach will Vattenfall der Klage beitreten, zuvor schon hatte RWE wegen der Stilllegung des AKW Biblis vom Land Hessen 235 Mio. Euro gefordert.

Wolfgang Ehmke 0170 510 56 06

Greenpeace, .ausgestrahlt und die BI Umweltschutz ziehen eine Zwischenbilanz

Seit vielen Jahren setzen wir uns für einen Neustart in der Atommüllpolitik ein und haben die Irrwege verschiedener Bundesregierungen und parlamentarischer Mehrheiten in der Atommüllpolitik kritisiert. Der letzte große Irrweg in der Atommüllpolitik führte zu dem Standortauswahlgesetz (StandAG) und der Endlager-Kommission, deren Beratungen wir genau verfolgen.
Wir konnten durch die Erfahrung des Umgangs mit unseren Argumenten vor, mit und nach der Verabschiedung des StandAG nicht das geringste Vertrauen in die Kommission gewinnen. Unsere Argumente wurden weder aufgenommen, noch widerlegt; ja es wurde noch nicht einmal versucht, sie zu widerlegen.
Ein Scheinprozess bleibt die Arbeit dieser Kommission so lange, wie ihre Mitglieder sich selbst mit der Vorstellung betrügen, bis zu dem vorgesehenen Kommissionsende 2015/16 alle durch gesellschaftliche Verständigungsprozesse zu klärenden Grundsatzfragen des Umgangs mit hochradioaktivem Atommüll beantworten zu können.
Wir sind nicht bereit, als Statisten Bürgerbeteiligung für einen Prozess vorzugaukeln, dessen Ergebnis – trotz aller wohlmeinenden Anstrengungen von einzelnen in dieser Kommission – durch die falschen Rahmenbedingungen bereits vorgezeichnet ist. Der untaugliche Versuch einer simulierten gesellschaftlichen Verständigung zu dieser schwierigen Frage kann nur scheitern oder auf Kosten von Rationalität und Demokratie durchgesetzt werden.
Das sind die drei jüngsten Beispiele für einen simulierten Neuanfang in der Atommüllpolitik seit Inkrafttreten des StandAG, die das Ziel des Gesetzes und damit das Fundament der Kommission konterkarieren. Zu keinem der genannten Beispiele haben Sie sich als Institution, die verlorengegangenes Vertrauen gegenüber der Bürgergesellschaft aufbauen soll, auch nur zu Wort gemeldet – geschweige denn, gegen diese Fehlentwicklungen gemeinsam Ihr Wort erhoben.
1. Voraussetzung für den parteipolitischen Konsens und die Zustimmung des Landes Niedersachsen zum StandAG war im Frühjahr 2013 das Versprechen, eine Lösung für den Verbleib von insgesamt 26 ausstehenden Castorbehältern mit radioaktiven Abfällen aus den Plutoniumfabriken in La Hague und Sellafield, welche für Gorleben vorgesehen waren, im Einvernehmen zwischen Bund und Ländern zu finden. Zuletzt wurde Ostern 2014 als Termin für eine Einigung benannt. Bis heute war die Politik über bloße Ankündigungen hinaus nicht in der Lage, dieses Versprechen einzulösen. Wir betrachten das nicht nur als klaren Wortbruch, sondern das Unvermögen, ein Zwischenlager für 26 Castorbehälter zu finden, beweist, wie aussichtslos unter den Rahmenbedingungen des mangelhaften StandAG die Benennung von anderen – evtl. durch Tiefbohrungen zu untersuchenden – Standorten in der Bundesrepublik ist. Der in Kommission und Politik permanent beschworene Konsens reicht nicht einmal zur Lösung der vergleichsweise „kleinen Castorfrage“ aus.
2. Während in der Kommission der Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Garrelt Duin (SPD), angeblich mit dem im StandAG festgelegten Ziel arbeitet, hochradioaktive Abfälle im Inland zu entsorgen und eben nicht ins Ausland zu verbringen, versucht seine eigene Landesregierung 152 Castoren aus dem ehemaligen Atomkraftwerk Jülich im Widerspruch zu den Regelungen im StandAG1 und im Atomgesetz in die US-amerikanische Militäranlage Savannah River zu exportieren. Um dies zu ermöglichen, deklariert das Bundesforschungsministerium den Reaktor kurzerhand zum Forschungsreaktor um, obwohl sowohl das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als auch das International Atomic Energy Agency (IAEA) denselben eindeutig als Leistungsreaktor in ihren bisher allgemein anerkannten Listen führen. Die Bundesregierung unterstützt also diesen angekündigten Gesetzesbruch.
Im StandAG. §1, Abs. 1. Ziel des Gesetzes heißt es: “Zur Erreichung dieses Ziels werden zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten keine Abkommen geschlossen, mit denen (…) eine Verbringung radioaktiver Abfälle einschließlich abgebrannter Brennelemente zum Zweck der Endlagerung außerhalb Deutschlands ermöglicht würde.”

3. Während die Kommission die Notwendigkeit einer alternativen Standortsuche über Gorleben hinaus propagiert, klagen die abfallverursachenden Energieversorgungsunternehmen (EVU) auf mehreren Ebenen gegen die Abschaltung der acht ältesten Atommeiler nach Fukushima, gegen die Übernahme von Kosten, die aus dieser Entscheidung entstehen und – wie der „Spiegel“ meldet – demnächst auch gegen das StandAG und die Notwendigkeit einer neuen ‚Endlager‘-Suche über Gorleben hinaus: „Unterdessen bereiten die großen Energieversorger E.on und RWE weitere juristische Schritte gegen das umstrittene Endlagersuchgesetz der Bundesregierung vor. Aus ihrer Sicht besteht keine Notwendigkeit, eine Alternative zu dem erforschten Endlager für nukleare Brennstäbe in Gorleben zu suchen. An den geschätzten Mehrkosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro wollen sie sich nicht beteiligen. Bereits Anfang Oktober hatten die Konzerne Feststellungsklagen gegen die notwendig gewordene Zwischenlagerung von Brennelementen auf eigenen Grundstücken eingereicht.“
Natürlich steht es jedem in einem demokratischen Rechtsstaat zu, zur Wahrung seiner Rechte Gerichte anzurufen. In diesem Fall kündigen die Konzerne allerdings neben den bereits eingereichten Klagen gegen den Atomausstieg (und damit gegen die Begrenzung der Müllmenge) nun offenbar die Klage gegen den Suchprozess selbst an, in welchem sie mit drei von insgesamt 16 stimmberechtigten Kommissionsvertretern gestaltend mitwirken sollen.
Als Umweltgruppe haben wir uns im Ringen um einen Neustart im Umgang mit Atommüll der Diskussion nie verweigert, sondern – im Gegenteil – neben Kritik auch konstruktive Vorschläge aktiv von außen in die hinter verschlossenen Türen geführte Debatte um Suchverfahren und StandAG eingebracht. Es bedarf einer breiten gesellschaftlichen Debatte und Verständigung über die bloße parlamentarische Befassung hinaus vor der Verabschiedung eines Suchverfahrens per Gesetz. Widerhall in der Politik? – Fehlanzeige!
Für Greenpeace hat Mathias Edler am 10. Juni 2013 im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages detailliert das dem Suchprozess und der Kommissionsarbeit zugrundeliegende Standortauswahlgesetz, seine gravierenden inhaltlichen und strukturellen Mängel und die in diesem Fall über die parlamentarische Befassung hinaus unerlässliche, aber fehlende Einbindung der Zivilgesellschaft bei der Entwicklung des Gesetzes dargelegt. An der daraus resultierenden Empfehlung von Greenpeace, hat sich bis heute nichts geändert: Rücknahme des Gesetzes und Verabschiedung eines reinen Rahmengesetzes, das allein das gemeinsame Ziel einer alternativen Suche nach dem bestmöglichen Umgang mit Atommüll formuliert und daraufhin eine in der Gesellschaft verankerte Entwicklung einer demokratischen Atommüllpolitik ermöglicht. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger ein Suchverfahren als solches akzeptieren, kann es auch Hoffnung auf eine Akzeptanz für das Ergebnis des Verfahrens geben. Widerhall in der Politik? – Das Gegenteil wurde mit breiter parlamentarischer Mehrheit beschlossen.
.ausgestrahlt hat unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass der Bundestag nicht bereit war, das Gesetz auf ein Rahmengesetz zu reduzieren und dass Bund und Länder nicht bereit waren, den ungeeigneten Standort Gorleben aus dem Verfahren zu nehmen, 13 Voraussetzungen für eine Mitarbeit als absolute Mindeststandards für das Gelingen des Prozesses formuliert. Nur zwei dieser Voraussetzungen sind von Bundesregierung, Bundestag und Landesregierungen hergestellt worden.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. hat das StandAG wiederholt als „Gorleben-Findungsgesetz“ bezeichnet. Immerhin versteckt sich hinter dem nach außen vorgetragenen parteipolitischen Konsens für einen angeblichen Neustart bei der ‚Endlager‘-Suche das Unvermögen der Beteiligten, wenigstens eine gleichrangige Suche an mehreren Standorten in der Republik rechtssicher vorzuschreiben. Stattdessen wurde mit einem speziellen Gorleben-Paragrafen einzig und allein der seit 37 Jahren in die Sackgasse führende Weg in Richtung des Salzstocks Gorleben abermals offen gehalten. Das hat mit einer „ergebnisoffenen“, alternativen Standortsuche nichts zu tun! Am Ende steht immer offensichtlicher das politische Ziel, den untauglichen Salzstock Gorleben rechtssicher und ohne Einspruchsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger abermals als Lager-Standort, diesmal aber als Ergebnis eines angeblich neuen Auswahlverfahrens, präsentieren zu können. Das ist nichts anderes als die Fortsetzung der gescheiterten Atompolitik der vergangenen Jahrzehnte in einem neuen Gewand. Dafür braucht die Kommission unsere Mitwirkung. Dafür aber bekommen sie unsere Mitwirkung nicht.
Als Bundesminister Peter Altmaier als einer der Väter dieses StandAG bei seinem Besuch in der Kommission dieselbe als „Ehrenrunde“ bezeichnete, blieb dies ohne Widerspruch. Eine Ehrenrunde landet am Ende wieder an ihrem Ausgangspunkt: Und der heißt in diesem Fall Gorleben. Damit ist klar, wie wir die Kommission zu verstehen haben: als Ehrenrunden-Kommission. Das müssen wir hinnehmen. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir als Umweltgruppen nicht den geringsten Eindruck erwecken dürfen, an einem falschen Spiel mitzuwirken.

 Oktober 2014