Historische Wende: CDU stellt erstmals Atomendlager Gorleben infrage

Gorleben ist seit Jahrzehnten Schauplatz des Konflikts um die Atomenergie in Deutschland. Dabei hielt die Union gegen die Proteste von Atomkraftgegnern, Grünen und SPD konsequent am dortigen atomaren Endlager fest. Bis heute. Eine historische Wende deutet sich an.

Im heftigen Streit über den Standort für ein Atomendlager in Deutschland hat die CDU erstmals Bereitschaft signalisiert, über eine Alternative zu Gorleben nachzudenken.

„Ich will nicht ausschließen, dass weitere mögliche Standorte unter die Lupe genommen werden“, sagte Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU). „Wir müssen uns gut überlegen, ob wir es uns leisten können, am Ende möglicherweise mit leeren Händen dazustehen.“ Sollte sich herausstellen, dass der Salzstock in Gorleben nicht als Endlager geeignet ist, „brauchen wir einen neuen Suchlauf“.

In der vergangenen Woche waren Dokumente veröffentlicht worden, nach denen die frühere Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) 1983 ein maßgebliches Gutachten zur Eignung des Salzstocks Gorleben in Niedersachsen geschönt hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die umstrittenen Akten aus der Regierungszeit ihres Vor-Vorgängers nun überprüfen lassen.

Die süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg haben bislang alle Forderungen, auch bei ihnen nach möglichen Atomendlager- Standorten zu suchen, strikt abgelehnt. Gleichzeitig setzen sich die unionsgeführten Landesregierungen dort für längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke ein.

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte die CDU zuvor zum Einlenken bei der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll aufgefordert. Gorleben komme auch wegen rechtlicher Hürden nicht mehr infrage. Deshalb müsse nach der Bundestagswahl zügig nach Alternativen gesucht werden – auch in Bayern und Baden-Württemberg.

Konkrete Regionen mit möglichen Endlager-Standorten nannte Gabriel aber nicht. Nach seinem Fahrplan könnte 2026 die endgültige Entscheidung für den Endlager-Standort fallen. Die Stuttgarter Ressortchefin Gönner machte Gabriel heftige Vorwürfe: „Seine Aufgabe wäre es in den vergangenen vier Jahren gewesen, die Endlagerfrage konstruktiv zu betreiben, dies ist er bisher schuldig geblieben.“

Die CDU-Politikerin forderte, die ergebnisoffenen Erkundungen zu Gorleben wieder aufzunehmen. Die bislang vorliegenden Untersuchungsergebnisse gäben keinen Anlass, an der Eignung zu zweifeln. „Eine Alternative zu Gorleben lässt sich nicht aus dem Hut zaubern. Deshalb wäre es wichtig, möglichst frühzeitig Klarheit zu haben“, sagte Gönner.

Quelle: welt.de, 13.09.2009