Getrickst, getäuscht, gelogen – Die Gorleben-Geschichte

Lilo Wollny ist 83 Jahre alt. Die Hausfrau sitzt in ihrer Küche, in dem alten Fachwerkhaus in Vietze an der Elbe, das schon ihren Großeltern gehörte.

Die Beine wollen nicht mehr so recht, das Kreuz tut weh. Aber im Geiste ist sie hellwach wie eh und je. ´Schade, dass ich nicht mit nach Berlin konnte´, sagt die grauhaarige Frau. ´So viele Leute waren dort, man konnte es kaum glauben.´ Ein paar alte Mitstreiter aus der Bürgerinitiative haben sie gerade besucht. Sie haben ihr alles erzählt, bei einer Tasse Kaffee. ´Gorleben soll leben´, der alte Spruch, plötzlich wieder aktuell.

´Die Sache mit der Asse und dann die manipulierten Gorleben-Akten. Das hat Leute alarmiert, die geschlafen haben´, sagt die Anti-Gorleben-Veteranin. Die Leute von der Bürgerinitiative haben den aktuellen Wahlspruch der CDU: ´Wir haben die Kraft´, in Berlin ergänzt: ´Wir haben die Atom-Kraft´. Das fand Lilo Wollny gut, es mache die Dinge klar. Aber die von der Union propagierte Atom-Renaissance ärgert die gebürtige Hamburgerin, die schon seit 64 Jahren hier, unweit von Gorleben, wohnt und mal für die Grünen im Bundestag saß, maßlos. Dass die CDU längere AKW-Laufzeiten will und damit mehr Atommüll, findet sie unglaublich. ´Nach all dem, was passiert ist.´

An einen Tag vor 32 Jahren kann Lilo Wollny sich genau erinnern. An den 2. Februar 1977. In Niedersachsen regierte der CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht. Für 18 Uhr abends war eine brisante Fernsehansprache anberaumt: Thema: Wohin mit dem Müll aus den deutschen Atomkraftwerken? Albrecht kündigte an, Niedersachsen werde das zentrale deutsche ´nukleare Entsorgungszentrum´ bekommen – und zwar in Gorleben. Ein Großprojekt, bestehend aus einem atomaren Zwischenlager, einer Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) und einem Endlager für den Müll aus der WAA, tief unten in einem Salzstock.

Das deutsche Atom-Endlager sollte in einem Salzstock gebaut werden. Darauf hatten sich die Atomwirtschaft und die Politiker bereits unter der SPD-geführten Bundesregierung von Helmut Schmidt geeinigt, die 1973, geschockt von der Ölkrise, ein riesiges Atomprogramm auflegte. Rund 50 AKW sollten gebaut werden, heute gibt es 17. Eine WAA-Atomfabrik sollte die abgebrannten Brennstäbe chemisch auflösen, um das restliche Uran und das Spaltprodukt Plutonium zur Nutzung in neuen Brennstäben zu gewinnen.

Quelle: fr-online.de, 21.09.2009