"Wir haben viel vor" – Anti-Atom-Bewegung veröffentlicht Widerstandskalender 2010

Kurz vor dem Jahreswechsel hat die Anti-Atom-Bewegung Rahmendaten eines Widerstandskalenders 2010 veröffentlicht. Für die Atomkraftgegner im Wendland beginnt das neue Jahr 2010 wie das alte endet – mit einer Protestaktion am Gorlebener Endlagerbergwerk. Am 31. Dezember steigt dort ab 22 Uhr eine Silvesterparty mit Tanz und Feuerwerk. Und am 1. Januar lädt die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg an den Atomanlagen im Gorlebener Wald zum Neujahrsempfang.

Auch anderenorts will die Anti-Atom-Bewegung mit Schwung ins nächste Jahr starten. Zu tun gebe es schließlich genug, heißt es bei den Initiativen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung will 2010 über längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke entscheiden und festlegen, dass der Salzstock in Gorleben trotz offensichtlicher Untauglichkeit und des politischen Drucks auf Gutachter im Auswahlverfahren weiter als Endlager erkundet wird. In die Zwischenlager Ahaus, Gorleben und Greifswald sollen Transporte mit Atommüll rollen. Und der Energiekonzern Vattenfall will die Pannenreaktoren Brunsbüttel und Krümmel wieder anfahren.

»Wir haben viel vor«, kündigte die norddeutsche Gruppe ContrAtom an den Weihnachtstagen an. Und veröffentlichte auf ihrer Internetseite Rahmendaten eines Widerstandskalenders 2010. Nach Sonntagsspaziergängen und Andachten in Gorleben und an der Schachtanlage Asse gibt es am 6. Februar in Hameln eine erste größere Demonstration. Sie richtet sich gegen den geplanten Transport plutoniumhaltiger Mischoxid-Brennelemente aus der britischen Atomfabrik Sellafield ins niedersächsische AKW Grohnde. Die Fuhre soll zunächst per Schiff an einen deutschen Nordseehafen gebracht und dann auf Lastwagen umgeladen werden. Mehrere Städte und Hafenbetreiber haben den Umschlag über ihre Anlagen allerdings verweigert.

Am 27. März – 31 Jahre nach dem Beinahe-GAU im US-amerikanischen Atomkraftwerk Three Miles Island bei Harrisburg – ist ein bundesweiter dezentraler »Aktionstag gegen Energiekonzerne« angekündigt. Anti-Atom-Initiativen wollen dabei vor allem den Energiekonzern E.on aufs Korn nehmen – und das Unternehmen auch auf der Aktionärs-Hauptversammlung im Mai mit seinem atomaren Engagement konfrontieren. Am Tschernobyl-Jahrestag (24. April) soll es unter anderem einen Traktoren-Treck zum AKW Krümmel und eine große Demonstration in Ahaus geben.

An einen weiteren Jahrestag ist am 4. Juni zu erinnern: vor 30 Jahren wurde die »Republik Freies Wendland« bei Gorleben von tausenden Polizisten geräumt und zerstört. Mit der Platzbesetzung und einem großen Hüttendorf hatten Atomgegner aus ganz Deutschland gegen die Tiefbohrungen in den Salzstock protestiert und einen Monat lang ihren Traum von einem alternativen Leben verwirklicht. Die BI hat in memoriam eine große Demonstration angekündigt.

Noch nicht genau terminiert ist eine weitere Großdemonstration im Spätsommer, zu der die atomkritische Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad nach Salzgitter einlädt. Das Bundesverfassungsgericht hatte kürzlich die Beschwerde eines Landwirts gegen den Bau eines Endlagers für schwach und mittelradioaktiven Atommüll abgewiesen. »Entsetzen ja, aber von Resignation keine Spur«, kommentierten die örtlichen Atomgegner den Richterspruch. Sie wollen den Protest nun verstärkt auf die Straße tragen.

Straßen und Schienen werden wohl auch Schauplätze des Widerstandes gegen den nächsten Castortransport sein, der im November im Wendland erwartet wird. Nach den 2009 bekannt gewordenen Skandalen um den Standort Gorleben rechnet die BI mit vielen Demonstranten, die sich den elf Atommülltonnen in den Weg stellen, setzen oder legen wollen. Im Bundestag wird sich 2010 übrigens ein von der Opposition beantragter Untersuchungsausschuss mit Gorleben beschäftigen.

Quelle: Neues Deutschland, 28.12.2009