Als die Polizei mein Auto geklaut hatte …

Im November 2005 war ich wie jedes Jahr mit Freunden im Wendland unterwegs, um den Castor aufzuhalten und gegen den atomaren Wahnsinn und für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen zu demonstrieren. Nachdem wir von Hitzacker aus an den Schienenblockaden von X-tausendmal quer teilgenommen hatten und der Castorzug (trotzdem) Dannenberg erreicht hatte, machten wir uns am frühen Abend mit meinem Auto, einem VW LT, auf den Weg nach Gorleben, um uns dort an den Blockaden von WiderSetzen zu beteiligen. Anlaufpunkt sollte die Mahnwache am Ortsanfang (von Laase kommend) sein. Diese schien bereits gut besucht zu sein, jedenfalls war der Straßenrand der L 256 schon einigermaßen vollgeparkt. Ich fand noch eine Lücke, so dass ich mein Auto quer zur Fahrbahn zwischen Straße und Radweg so abstellen konnte, dass beide, Straße und Radweg, absolut unbeeinträchtigt blieben (Ich bin ja nicht blöd, wusste, dass in der kommenden Nacht der Castor fährt, und ich wollte der Polizei keinen Vorwand liefern…). Wir haben dann die ganze Nacht bei verschiedenen Blockadeaktionen in Gorleben und nahebei mitgemacht. Irgendwann sehr spät, vielleicht gegen drei, als ich im Gorlebener Gemeindehaus zum Aufwärmen war, erzählte mir irgendjemand, dass mein Auto abgeschleppt worden sei. Zuvor hatte ich schon gehört, dass der WiderSetzen-Lautsprecherwagen von der Polizei beschlagnahmt und abgeschleppt worden war. Deshalb wunderte ich mich nicht allzusehr und sah der Rückgabe am nächsten Morgen relativ gelassen entgegen. Jetzt wollte ich erstmal schlafen.

Die Real-Satire am Morgen danach bekomme ich in meiner Erinnerung jetzt nicht mehr ganz genau zusammen. Jedenfalls entstand langsam Zeitdruck, weil in meinem Wagen das Gepäck von FreundInnen von weiter her lag, deren Züge bald fuhren. Nachdem ich in Erfahrung gebracht hatte, wo das Fahrzeug steht, nämlich „eingesperrt“ auf dem Gelände des Klärwerks Gartow, ließ ich mich von einer Freundin dorthin fahren, wo ich aber von den Arbeitern zum Amt geschickt wurde, weil sie mir mein Auto nicht zurück geben dürften. Dann dauerte es noch immer Stunden, bis ich endlich meinen LT wiederhaben durfte. Während eines der zahlreichen Telefonate von mir und Herrn Jernecke von der Gemeindeverwaltung mit der Polizei wurde mir (fast wörtlich) gesagt: „Wir können Ihr Auto nicht herausgeben, weil wir nicht wissen, warum wir es beschlagnahmt haben.“ Ich weiß nicht mehr, was dann letzten Endes doch zur Herausgabe führte, aber irgendwann wurde mir das Tor zum Klärwerk geöffnet und ich durfte zu meinem Fahrzeug. Dort sah ich gleich eine Schramme an der Seite und schlammverschmierte Räder, was mich Schlimmeres ahnen ließ. Aber erstmal musste das Gepäck zu den Leuten, damit die nach Hause fahren konnten. Später auf meinem Weg nach Hause kam ich am „Tatort“ vorbei und sah dort den „zerpflügten“ Grünstreifen. Es war offensichtlich, dass das Aufladen meines zweieinhalb Tonnen schweren Lieferwagens auf den Abschleppwagen nicht einfach war – das bestätigt auch das Polizeiprotokoll – und dass das Auto dabei „misshandelt“ wurde. Zu Hause bestellte ich einen Sachverständigen und wir sahen uns den LT von unten an: Abschleppöse abgerissen, vorderer Querträger deformiert (vom dort angelegten Stahlseil, nachdem die Öse gerissen war), zerstörte Anhängersteckdose, Schrammen und/oder Deformationen und gelbe (Abschleppwagen-)Farbe an etlichen Lenkungs-, Achsaufhängungs- und Bodenteilen. Mir war klar, dass für diesen Schaden eineR haften muss. Der Sachverständige wollte, wie es sein routinemäßiges Geschäft ist, mit der zuständigen Haftpflichtversicherung Kontakt aufnehmen und dort den Schadenersatz und seine Kosten geltend machen, aber es war trotz anfänglicher (scheinbarer?) Kooperation des Abschleppunternehmens, der Fa. Süssmilch aus Dannenberg, nicht herauszufinden, bei welcher Versicherung er da richtig gewesen wäre. Nachdem später die Fa. Süssmilch bestritt, dass durch sie etwas beschädigt wurde, habe ich mich an die Polizei Niedersachsen gewendet, schließlich hatte die das in Auftrag gegeben. Dort wurde ich aber auch „abgewimmelt“ , so dass ich vor Gericht gehen wollte. Es war nicht einfach, eine Anwältin/einen Anwalt zu finden. Ein Kommentar war: „Das riecht nach viel Arbeit und wenig Erfolg.“ Das mag sogar gestimmt haben, aber ich fand doch einen Anwalt, und nach vier Jahren (anderthalb ohne und zweieinhalb mit Anwalt) hatte ich endlich Erfolg. Richter Stahlhut am Amtsgericht Lüneburg verurteilte die Polizei, vollen Schadenersatz zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Vertreterin der Polizei hatte mit falschen Behauptungen, die in der Gerichtsverhandlung widerlegt werden konnten, bis hin zur Unterstellung betrügerischer Absichten meinerseits (die Schäden hätte das Auto schon vorher gehabt) versucht, meine Forderung abzuweisen. Glücklicherweise ist der Richter darauf nicht eingegangen, sondern war souverän genug, sich selbst ein Bild zu machen. (Genau das ist ja seine Aufgabe, aber leider erleben wir zu oft, dass RichterInnen – aus welchen Gründen auch immer – der Argumentation der Polizei zu unkritisch folgen.) Mich hat dieses Ergebnis jedenfalls darin bestärkt, mir nicht „alles bieten“ zu lassen, sondern für mein Recht zu kämpfen. Mir ist aber auch bewusst, dass ich in diesem Fall Glück gehabt habe, sowohl mit dem Anwalt als auch mit dem Richter.

Wie auch immer: Der Kampf geht weiter. Zeigt Atomlobby und Polizei die rote Karte!

Carsten Orth