Richtungsentscheidung 2010

EXTRAPROFITE DER KONZERNE STATT ATOMAUSSTIEG – GEGEN DIE MACHT DER KONZERNE, WIR LASSEN UNS NICHT KAUFEN – Richtungsentscheidung 2010

In diesem Jahr stehen wichtige energiepolitische und -wirtschaftliche Weichenstellungen an. Schwarz/Gelb will die Laufzeitverlängerung der AKW´s und die zügige Wiederaufnahme des  als „Erkundung“ getarnten Ausbaus des Salzstocks Gorleben als nukleares Endlager. Die Regierungsmehrheit kann sich auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen und die Mehrheit der Mandate im Bundestag stützen, aber nicht auf eine Bevölkerungsmehrheit pro-Atom.
Die bundesweit agierende Anti-Atom-Gruppe .ausgestrahlt kündigt nun auf ihrer Homepage als Reaktion eine Menschenkette am 24. April zwischen Krümmel und Brunsbüttel an. Das breite Bündnis schließt die Oppositionsparteien mit ein. (Junge Welt 21.01.10) Die BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg favorisiert hingegen eine Konzentration auf die Brennpunkte Neckarwestheim, Biblis, Krümmel und Ahaus. Einen Schulterschluss mit Parteien lehnt die BI aus grundsätzlichen Erwägungen ab, der Anti-Atom-Protest solle vielmehr Parteien dazu bringen, sich zum Thema zu positionieren. Die Wendländer wollen im April zu einem Treck nach Krümmel starten und dort am 24. April für den Sofortausstieg demonstrieren.

Verteilungskämpfe

Das zögerliche und taktierende Verhalten der Regierungskoalition hat damit zu tun, deshalb wird offen darüber geredet, das Thema solle bis zu den Wahlen in NRW flach gehalten werden. Es hat aber auch mit den Verteilungskämpfen unter verschiedenen Kapitalfraktionen zu tun: Regenerative contra Atomkonzerne, die wiederum wollen den Einstieg in die Offshore-Anlagen mit Hilfe des anvisierten nordeuropäischen Verbundnetzes.
Massiv zu Wort melden sich auch die kommunalen Anbieter. Die Interessengemeinschaft von 8 der größten Regionalversorger, 8KU, rechnet mit milliardenschweren Belastungen und plädiert für mehr Wettbewerb. Bisher liefern die Kommunalen rd. 15 Prozent des Stroms, die vier Großen hingegen 80 Prozent. Viele Stadtwerke hatten in den vergangenen Jahren Investitionen in neue Gas- und Kohlekraftwerke sowie Windparks in Angriff genommen. Sie wollen so die Marktmacht der vier Großkonzerne brechen. Die Investitionen lohnen sich aber nur bei hohen Preisen im Stromhandel. Die Stadtwerke haben dabei ein stetig sinkendes Angebot von billigem Atomstrom einkalkuliert, eine Laufzeitverlängerung lehnen sie ab. (Handelsblatt 19.1.10)

Der Staat kann bei einer Deregulierung der Laufzeiten vorerst nur mit geringen Einnahmen aus den Zusatzgewinnen der Energiekonzerne rechnen. Selbst bei einer Abschöpfung des Großteils solcher Gewinne seien in dieser Legislaturperiode höchstens 300 Millionen Euro pro Jahr zu erwarten, berichtete die „Berliner Zeitung“ unter Berufung auf eine Studie der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). ( Berliner Zeitung 5.11.09) Die Analysten gehen davon aus, dass Nachrüstungsinvestitionen von 3,2 Milliarden Euro für einen Weiterbetrieb alter Atomkraftwerke nötig seien.

Weiterbetrieb kommt teuer zu stehen

Die Ertüchtigung einiger AKWs wie Brunsbüttel und Krümmel kommt die Konzerne also teuer zu stehen, gleichzeitig sollen aber von den zu erwartenden Extraprofiten nach den Vorstellungen des FDP-Wirtschaftsministers Brüderle die Hälfte, das wären nach Schätzungen der LBBW rund 20 Mrd. Euro bei der Verlängerung der Laufzeit um 10 Jahre, in eine Stiftung oder wie auch immer – auch das ist noch nicht klar – fließen, um die Regenerativen weiter anzuschieben. (Handelsblatt 18.1.10)
Auf diesem Hintergrund hatte ein Kreis von Einzelpersonen mit dem Logo ihrer Verbände für den 16. Januar zu einem Treffen nach Hannover eingeladen. Im Text der Einladung wird sogar noch Bezug genommen auf die Beschlüsse der Herbstkonferenz der Anti-AKW-Bewegung in Hitzacker:

„Aus der Anti-AKW-Bewegung kommt der Vorschlag, zu bundesweiten Aktivitäten zum Tschernobyl -Jahrestag. Wir haben dazu anliegendes Konzept erarbeitet. Es sieht vor, gemeinsam mit der bereits beschlossenen Aktion in Ahaus, am 24. bzw. 25 April 2010 durch zwei Menschenketten die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel im Norden sowie Biblis und Neckarwestheim im Süden miteinander zu verbinden. Um diese Kraftwerke wird sich voraussichtlich die atompolitische Debatte im Frühjahr drehen.
Die Aktionsform bietet sehr vielen Menschen die Möglichkeit, sich mit eigenen, ihnen gemäßen Aktionen zu beteiligen. Zudem lassen sich durch die Ketten eine Vielzahl energie- und klimapolitischen Orte und Aspekte verbinden.
Da ein Projekt solchen Ausmaßes zeitlichen Vorlauf braucht, laden wir für den 16. Januar zu einer bundesweiten Beratung nach Hannover, um zu klären, ob es für ein so großes Projekt bundesweite und örtliche Unterstützung und materielle Ressourcen gibt. Die Einladung richtet sich bewusst an alle gesellschaftlichen Akteure, die gegen Atomenergie und für eine Energiewende stehen.
Sollte unser Vorschlag nicht auf breite Unterstützung stoßen, wird es gleichwohl wichtig sein, für das kommende Jahr Verabredungen zu treffen.“

Gut besuchtes Beratungstreffen

Das Treffen war gut besucht, aber schon bei der Vorstellungsrunde wurde die große Präsens von Umweltverbänden und Parteien deutlich, von den lokalen Anti-AKW-Gruppen waren nicht viele angereist. Dennoch wurde in der Debatte um den Vorschlag zunächst deutlich, dass die Skepsis überwog, ob ein solch „ambitioniertes“ Projekt (das war auch das Zauberwort des Tages) realisierbar sei. Die Mobilisierungsmöglichkeiten im ländlichen Raum, vor allem in der Elbmarsch und der langen Strecke an der Unterelbe stünden krass im Gegensatz zu den positiven Erfahrungen mit der Lichterkette im Raum Salzgitter, wo schließlich mit der Asse und dem Schacht Konrad als politischer und medialer Dauerbrenner den Background abgaben.
Als Gegenvorschlag stellte die BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg die Treck-Idee mit der Demo in Krümmel vor, die u.a. auch von Contratom favorisiert wird, und betonte, wie wichtig es sei, dass in Ahaus und im süddeutschen Raum (Biblis, Neckarwestheim) weitere Demo-Orte liegen müssten, gerade weil die aktuelle Debatte um diese Kraftwerke geführt wird.

In der Debatte blitzen auch die Widersprüche zwischen Parteien und außerparlamentarischer Opposition immer wieder auf. Die verheerende Rolle des „Atomkonsenses“, der den Atomausstieg verfehlte, die Bewegungsferne einer SPD…Aber natürlich hatten die Einlader gut vorgearbeitet. Jochen Stay von ausgestrahlt versprach 20.000 Demonstranten, Patenschaften, Bahnhöfe, Zielpunkte, alles war in einer Powerpoint bedacht, und mit genügend Geld und einem fertigen Stellenplan sei das „ambitionierte“ Projekt realisierbar. Da die Einlader am Ende fest entschlossen waren, ihre Idee auch umzusetzen, war das Ergebnis der Ab- und Zustimmung keine Überraschung: die Parteienvertreter schlossen sich an und am Ende gab es nur 3 Nein-Voten und 5 Enthaltungsvoten.

Stillschweigend wurde nämlich der wohl „über-ambitionierte“ Plan fallen gelassen, auch eine Südkette anzugehen, obwohl von der Sache her mit der sich zuspitzenden Lage in Neckarwestheim und Biblis A und B der Fokus auch auf diese AKWs gerichtet werden müsste. Mit den Interessen auch einiger Parteienvertreter, respektive Grüner, auch in Ahaus zu demonstrieren mit Blick auf die NRW-Wahlen, wollten die Einlader nicht kollidieren. Die Idee, im September eine Südkette zu organisieren, wurde auch nicht weiter vertieft. Kurz nach dem Treffen in Hannover räumten „Südvertreter“ sogar ein, dass sie lieber zur Nordkette fahren würden, da zur Zeit im Süden weder die Strukturen noch die Gruppen vorhanden wären, so groß aufzutrumpfen. Auf Nachfragen, ob nicht im September in Salzgitter demonstriert würde, kam die klare Ansage der AG Schacht Konrad, ja, es wird. Und dann rollt der 12. Castortransport und wir werden dafür sorgen, dass der Widerstand gegen diesen Transport auch zu einer Abstimmung über die Atompolitik der Regierung und den Beschluss, in Gorleben weiter zu bauen, ausfällt.

Parteien mischen mit

Das Ergebnis der Abstimmung stand fest, denn wer eine solche Menschenkette in drei Monaten will, muss loslegen und muss auf die Unterstützung der Parteien bauen, unter anderem auf deren Mitfinanzierung des Projekts. Das ist natürlich ein „Sündenfall“, denn die Anti-Atom-Ini´s und Umweltverbände waren gut beraten, am 5. September zwar im Vorfeld der Bundestagswahlen zu demonstrieren, aber als Bewegung „von unten“, um denen, die ohnehin täglich die mediale Verfügbarkeit nutzen, den Parteien, klar zu machen, es gibt sie noch, die außerparlamentarischen, schrillen, fantasievollen „Korrekteure“ der Parteienpolitik, die systemkritischen „Anti-Claqueure“. Von überall gingen Glückwünsche ein, die Demo sei im Wahlkampf der einzige Farbtupfer in der ermüdenden Parteienauseinandersetzung gewesen, geschickt getimt und überhaupt voller generationenübergreifender Kraft.

Dass gleich nach der Abstimmung von den Befürwortern der Zusammenarbeit mit den Parteien die Bitte geäußert wurde, auf Parteifahnen und –luftballons zu verzichten, war schon lustig. Wer die ganze Hand hinstreckt, statt auf Kooperation u n d notwendige Distanz zu setzen, darf sich nicht über Vereinnahme wundern. Selbst Berlin wurde doch von einigen Grünen als „ihre“ Veranstaltung gefeiert…Nichts gegen Zweckbündnisse, wie sie am Ende in Berlin zustande kamen, die Gewerkschaften und Kirchenkreise, einbeziehen. Warum es so wichtig ist, dennoch die parteipolitische Vereinnahmung zu vermeiden, hat etwas mit den politisch völlig unterschiedlichen Rollen von Parteien und Ini´s zu tun: kein Schielen auf Wahltermine, langfristige, Legislaturperioden und Parteienkompromisse überdauernde Forderungen, Wächter, radikale Kritiker, utopisch, systemkritisch und doch mit beiden Beinen auf dem Boden.

Das traue ich den Anti-AKW-Gruppen und Umweltverbänden sehr wohl zu, aber das kostet mehr Zeit als Geld, das setzt Beratung, Verständigung und manchmal auch eine Stimmung voraus, wie sie mit dem Treck unserer Bäuerinnen und Bauern erst entstand. Natürlich stehen wir trotz der ganzen Skepsis gegenüber diesem Beschluss nicht abseits, wir werden schon loslegen, aber nur nach Krümmel . Ohne Parteifahnen. Mit Power…

ATOMKRAFT NEIN DANKE! ATOMAUSSTIEG SOFORT, SCHLUSS MIT DER ERKUNDUNGSLÜGE IN GORLEBEN

Wolfgang Ehmke