BDI: Energievergangenheit für Deutschland

Sie müssen wirklich mächtig Fracksausen haben, die Herren in den Chefetagen der vier Akw-Betreiber Eon, RWE, Vattenfall und EnBW. Sie sind enttäuscht von Schwarz-Gelb – versprochen waren ihnen satte Laufzeitverlängerung für die hochprofitablen Alt-Reaktoren, kommen soll nun erstmal eine milliardenschwere Brennelementesteuer.
Letzte Woche drohten die Konzerne der Bundesregierung damit, ihre Meiler einfach abzuschalten (und wunderten sich, das dies kaum jemanden erschreckte – im Gegenteil). Am vergangenen Samstag hat die Atomlobby nun eine beispiellose PR-Kampagne gestartet: In ganzseitigen Zeitungsanzeigen lässt man 40 mehr oder weniger alte Männer aus Wirtschaft, Politik und High Society für sich auftreten (es ist tatsächlich nicht eine einzige Frau dabei!) – dahinter stehen der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und ein eigens gegründeter Verein ´Energiezukunft für Deutschland´, der in Essen unter der Adresse einer Eon-Tochtergesellschaft residiert.

Der Anzeigentext unter der Überschrift ´Mut und Realismus für Deutschlands Energiezukunft´ ist ein gekonnter Mix aus scheinbar wohlwollenden Öko-Phrasen und clever gequirlten Unwahrheiten. Schauen wir uns einige Passagen genauer an:

Gleich im ersten Satz der Annonce beginnt die geschickte Besetzung von Begriffen: Stünde das Wörtchen ´sicher´ für die garantierte Abwesenheit unbeherrschbarer Risiken, dann schiede die Atomkraft sofort aus. Selbst die Bedeutung ´verlässlich´ wäre für Akw weit hergeholt – denn selbst die vermeintlich so zuverlässigen deutschen Reaktoren stehen immer wieder und teilweise jahrelang wegen Störfällen still, zudem müssen solche Großkraftwerke in den zunehmend heißen Sommern gedrosselt oder abgeschaltet werden (also genau dann, wenn große Mengen Strom für Klimaanlagen gebraucht werden), weil in den Flüssen das Kühlwasser knapp wird. Was also meinen die Stromkonzerne mit ´sicher´? Offenbar nur, dass ihre Großanlagen rund um die Uhr dieselbe Menge Strom liefern. Wenn aber künftig mehr und mehr Strom aus fluktuierenden Quellen wie der Windkraft ins Netz fließen, dann sind diese schwer regelbaren Atom- oder Kohlekraftwerke keine ´sichere´ Energiequelle, sondern eine Gefahr für die Stabilität der Elektrizitätsnetze.

Klingt auch super, oder? Dieser Aussage können auch wir voll und ganz zustimmen. Denn Atomstrom ist – bei vollständiger Betrachtung und Einbeziehung beispielsweise auch der Emissionen aus Uranförderung und -anreicherung – überhaupt nicht CO2-frei. Laut einer Studie des Öko-Institus werden für jede Kilowattstunde Strom aus den Reaktoren von Eon, RWE + Co. rund 32 Gramm Kohlendioxid freigesetzt. Die Initiatoren der Annonce lassen dies unter den Tisch fallen und wollen mit der Formulierung ihre riskanten und strahlenden AKW grünwaschen.

Solches Selbstlob ist in Deutschland sehr übliches, aber vollkommener Quatsch. Der deutsche Treibhausgas-Ausstoß liegt mit mehr als zehn Tonnen pro Kopf deutlich über dem europäischen Durchschnitt von knapp neun Tonnen – und beträgt etwa das Zweieinhalbfache des weltweiten Durchschnitts von gut vier Tonnen. Ein Grund dafür ist, dass die deutsche Stromversorgung sehr stark auf der besonders klimaschädlichen Braunkohle basiert (genau jene Kraftwerke, für die in dieser Anzeige auch geworben wird). Der deutliche Rückgang der deutschen Emissionen seit 1990 geht neben dem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft vor allem auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Ökosteuer zurück – beide rot-grünen Projekte aber wurden von kaum jemandem so heftig bekämpft wie von den vier Stromkonzernen und dem BDI.

Dann folgt wohl der rhetorische Höhepunkt der Annonce. Energiekonzerne wie Eon und RWE machen jedes Quartal Milliardengewinne – nicht zuletzt wegen großzügiger Ausnahmen im CO2-Emissionshandel oder Steuervorteile für die Atomkraft. Eine Brennelementesteuer würde der Kernenergie zumindest einen Teil ihrer finanziellen Privilegien nehmen. Und volkswirtschaftlich ist die Sache natürlich genau andersherum als in der Anzeige suggeriert: Steuern und Abgaben auf umweltschädliche Brennstoffe wie Kohle oder Atom sorgen dafür, dass Investitionen in Erneuerbare Energien rentabler werden. Sie lenken Investitionen in die ökologisch richtige Richtung. Wenn die Konzerne weiter in Kohle und Atom investieren wollen, bitteschön. Dafür staatliche Unterstützung einzufordern, ist reichlich frech.

Hier sehen wir einen altbekannten Propagandatrick: Man picke mit der Solarkraft die allerteuerste Erneuerbare Energie heraus und verschweige, dass etwa Windstrom längst so billig ist, dass er – zum Nutzen der Endkunden – die Börsenpreise für Strom drückt. Natürlich werden hier auch die Milliardensubventionen ausgeblendet, mit denen hierzulande die Kernforschung gefördert wurde und wird – und milliardenschwere Folgekosten etwa für die Sanierung des abgesoffenen Atomlagers Asse verschweigt man sowieso. Schließlich: Kernenergie mag in der Erzeugung relativ billig sein – aber die niedrigen Betriebskosten ihrer Akw erhöhen zuallererst die Gewinnspanne von Eon, RWE + Co., bei den Kunden kommt davon praktisch nichts an.

Dies ist die Schlusspassage der Annonce – und deshalb besonders reich an Verdrehungen und Lügen. Natürlich, von heute auf morgen ist eine hundertprozentige Versorgung mit Ökostrom nicht zu machen. Es geht aber viel schneller, als Energiekonzerne und Großindustrie behaupten – das zeigen unter anderem Studien des Umweltbundesamtes, des Sachverständigenrates der Bundesregierung zu Umweltfragen, des Bundesumweltministeriums oder auch von McKinsey. Große Kohle- und Atomkraftwerke sind – wie schon erwähnt – gerade keine flexiblen Partner für die Erneuerbaren, vielmehr werden als Back-up etwa für die Windkraft künftig schnell regelbare Gaskraftwerke gebraucht. Die deutschen CO2-Minderungsziele sind gut und preiswert auch ohne Akw erreichbar – mit Atomkraft könnte es in der Tat etwas billiger werden, dafür würde man sich aber eben auch andere Risiken dieser Technologie einhandeln.

Und der letzte Satz vermischt schlicht Betriebs- und Volkswirtschaft: Es mag im Eigeninteresse der Stromkonzerne sein, die abgeschriebenen Atommeiler länger laufen zu lassen, mit dem Gemeininteresse hat das herzlich wenig zu tun. Ein baldiger Ausstieg aus der Atomkraft würde nicht gesellschaftliches Kapital, sondern private Profite in Milliardenhöhe vernichten.

Um das zu verhindern, kann man schon mal ein paar Milliönchen Euro für ganzseitige Anzeigen springen lassen und darin die Wahrheit verdrehen.

Quelle: Greenpeace-Magazin, Lügendetektor 21.08.10

Wehren Sie sich gegen die Interessen der Atom-Lobby und unterschreiben
Sie diese Gegen-Aktion für regenerative Energien als eine Energie mit
Zukunft.

Unterschreiben