Klaus Stuhr bleibt stur

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss Gorleben hörte am 09. Juni 2011 den von der Koalition als Zeugen geladenen Klaus Stuhr. Wir dokumentieren den Kurzbericht der Grünen MdB Sylvia Kotting-Uhl. Sehr informativ ist auch der Newsletter der LINKEN, den wir als Anhang dokumentieren.
Der Zeuge Klaus Stuhr war seit 1974 im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium als Referatsleiter für
Industrieansiedelung angestellt. Zudem war er ab 1976 Leiter des Interministeriellen Arbeitskreises (IMAK) in Niedersachsen, der ein Auswahlverfahren für einen Standort für das Nukleare Entsorgungszentrum (NEZ) durchführte. Somit war er maßgeblich an der Entscheidungsfindung fürdie Standortbenennung Gorleben beteiligt.
Gesamtbilanz
Von besonderem Interesse bei der Befragung von Klaus Stuhr war es herauszufinden, inwiefern Gorleben von dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht lediglich „aus dem Hut gezaubert“ worden war und eben nicht auf Grund einer ergebnisoffenen und wissenschaftlich haltbaren Standortsuche ausgewählt wurde. In diesem Zusammenhang bezog sich die Befragung des Zeugen auch darauf, ob er von einer zweiten KEWA-Studie wisse. Die Kernbrennstoff-Wiederaufbereitungs-Gesellschaft (KEWA), ein Zusammenschluss der Chemischen
Industrie für das Projekt „Nukleares Entsorgungszentrum“ hatte 1975 nämlich die Standorte Wahn, Lutterloh und Lichtenhorst als beste potentiellen Standorte ausgewählt. Gorleben gehörte hingegen nicht zu den Favoriten der KEWA und war bereits innerhalb des Auswahlprozesses rausgeflogen. Im Nachzug heißt es allerdings, es habe schon immer auch einen zweiten KEWAAuswahlprozess gegeben, in dem Gorleben nicht nur doch vorkäme, sondern auch als „geologisch bester“ Standort bezeichnet würde. Zu diesen beiden grundlegenden und wichtigen Fragen konnte der Zeuge aus unserer Sicht eine positive Antwort gefunden werden, nämlich: Der Standort Gorleben war nicht klar und ergebnisoffen ausgewählt worden und von einer zweiten KEWA-Studie habe er nie etwas gewusst.
Der war aber da, dieser Standort!
Auf die Frage hin, wie denn nun Gorleben auf die Liste der KEWA-Studie gekommen sein sollte, wenn doch gar nicht an dem Standort untersucht wurde, reagierte Stuhr wie jemand, der ein UFO gesehen hat: „Er war da – dieser Standort! Uns wurde dann gesagt, nehmt den mit auf.“ Wie Gorleben allerdings im Vorfeld ins Gespräch gekommen war, konnte sich Stuhr keineswegs erklären. Der Standort war eben einfach da und damit arbeitete man damals. Die Aussagen des Zeugen zu dieser Thematik legen nahe, dass der Standort nicht in einem speziellen und bekannten
Auswahlverfahren gefunden, sondern aus politischen Motiven und unter großem Zeitdruck von dem damaligen Ministerpräsidenten Albrecht benannt wurde.
Und die zweite KEWA-Studie ward nie gesehen
Hochinteressant ist auch die Aussage des Zeugen, dass er sich an keine zweite KEWA-Studie erinnern könne. Diese Information ist in zweierlei Weise sehr wichtig. Zum einen, weil in dieser Studie, die mysteriöserweise niemandem vorliegt, Gorleben angeblich als bester und geeignetster Standort bezeichnet wird und Gorleben-Befürworter diese angebliche zweite Studie der KEWA als Legitimation für den Standort heranziehen. Und zum anderen, weil es die Arbeit des Historikers Dr. Anselm Tiggemann deutlich in Frage stellt, da er sich in Teilen seiner Arbeit auf die Aussagen von Herrn Stuhr bezieht. Dass dieser sich aber nun noch nicht mal mehr daran erinnern kann, vor einem Jahr überhaupt mit Tiggemann über das Thema KEWA, geschweige denn über eine zweite KEWA-Studie gesprochen zu haben, bestätigt in den Augen der Grünen Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl und Dorothea Steiner nur seine zweifelhafte und unsaubere Arbeitsweise.
Erst die Standortfestlegung, dann die Kriterienauswahl
Stuhr konnte sich zudem nicht daran erinnern, wie denn überhaupt die Auswahlkriterien entstanden seien, nach denen Gorleben angeblich als der beste Standort ausgewählt wurde. Durch einen Vermerk vom 16. November 1976 ist deutlich geworden, dass es eine politische Vorentscheidung bei der Standortfrage gab. Denn erst nachdem der mögliche Standort feststand, wurden die dazugehörigen Kriterien diskutiert – Eine fachlich begründete Standortauswahl sieht selbstverständlich anders aus. Genau das bestätigte Stuhr auch, indem er zustimmte, dass bei einer korrekten Standortauswahl natürlich im Vorfeld eindeutige Kriterien festgelegt werden müssten und danach erst eine Auswahl getroffen werden könne. Im Falle Gorleben wurde dies erstaunlicherweise aber genau anders herum gehandhabt – als sei es das Natürlichste auf der Welt. Auch die Tatsache, dass andere Standorte wegen Erdgasfunden aus dem Auswahlprozess ausgeschieden waren, dieser Aspekt bei Gorleben hingegen später keine Rolle mehr spielte, bestätigt den angepassten und verdrehten „Auswahlprozess“, der zu der Benennung des
Standortes Gorleben führte.
Nächster Sitzungstermin
Die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses findet am 30. Juni 2011 statt, als Zeuge wird dort Prof. Dr. Klaus Kühn gehört. Die Sitzung ist öffentlich, eine Anmeldung ist erforderlich.