No Go Gorleben: Greenpeace entlarvt Rechenfehler

Wer sich in der Schule verrechnet, bekommt Punktabzug. Sonst passiert wenig. Wenn sich das Niedersächsische Umweltministerium (NMU) verrechnet, hat das bedeutendere Auswirkungen. Am Mittwoch weist Greenpeace mit einer aktuellen Analyse nach, dass dem NMU erhebliche Fehler bei der Berechnung der Strahlenmessungen am Atommüll-Zwischenlager Gorleben unterlaufen sind. Fatal: Diese Berechnungen bilden die Grundlage für die Entscheidung, ob der Castor rollt oder nicht.
Die Greenpeace-Bilder zeigen: Die 102 Atommüllbehälter stehen im nördlichen Teil der Castorhalle, da die Lüftungsschlitze dort deutlich wärmere Luft abgeben.

Ende Oktober will das Ministerium über den Castortransport entscheiden. Durch die nun veröffentlichten neuen Berechnungen wird dieser Beschluss nicht weniger brisant. Im Gegenteil. Das NMU hatte einen Strahlenwert von 0,233 Millisievert errechnet. Die Greenpeace-Berechnungen aber ergeben eine mögliche diesjährige Strahlendosis von 0,305 Millisievert. Damit würde der dort der zulässige Jahresgrenzwert von 0,3 Millisievert bis Jahresende überschritten werden.

„Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, der Castortransport muss für dieses Jahr abgesagt werden“, so Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. „Bei der Bewertung des Ministeriums handelt es sich um klare Berechnungsfehler, bei denen es keinen Interpretationsspielraum gibt. Es scheint, als hätte Umweltminister Sander die Messwerte heruntergerechnet, um den geplanten Castortransport nicht zu gefährden.“

Es dürfen keine weiteren Castoren in das Zwischenlager in Gorleben eingelagert werden. Das haben die aktuellen Berechnungen erneut bestätigt. Dennoch hängt es an der Entscheidung des Ministeriums, ob im November weitere Castorbehälter Richtung Gorleben rollen. Geplant sind elf Behälter von denen jeder Castor etwa viermal so viel Radioaktivität beinhaltet wie beim Super-GAU in Fukushima ausgetreten ist. Rund 44-mal Fukushima – eine strahlende Fracht also, die in eine Halle soll, in deren Umgebung schon jetzt der jährlich zulässige Strahlengrenzwert überschritten werden kann.

Hintergrund: Wie hat das Niedersächsische Umweltministerium gerechnet?

Um die aus der Castorhalle austretende Strahlung zu berechnen, werden in der Umgebung des Zwischenlagers zunächst Neutronen- und Gammastrahlung gemessen. Von diesen Werten wird danach die dauerhaft vorhandene natürliche Hintergrundstrahlung abgezogen. Anschließend werden die Werte addiert.

Für seine Berechnung des niedrigeren Strahlenwertes hat das NMU die Messdaten zweier Behörden kombiniert: Für das erste Halbjahr 2011 zieht das NMU die Messergebnisse des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) heran. Für das zweite Halbjahr 2011 stützt sich das NMU auf neue Messungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die Anfang September in nur vier Tagen durchgeführt wurden. Die Aufteilung in Jahreshälften begründet das NMU mit einer Ende Juni erfolgten Umstellung von Castoren innerhalb der Lagerhalle. Diese habe die Strahlenbelastung rund um die Anlage gesenkt.

Bei der Berechnung hat das NMU allerdings drei erhebliche Fehler gemacht, die zu der niedrigeren Prognose führten: Das NMU hat für das erste Halbjahr rückwirkend einen höheren Neutronen-Hintergrundwert angenommen. Da der höhere Hintergrundwert abgezogen wurde, fällt das Ergebnis entsprechend niedriger aus. Außerdem wurde unzulässigerweise im ersten Halbjahr eine Gammastrahlung von Null angenommen. Dabei liegen behördliche Messungen des NLWKN für diesen Zeitraum vor. Auch für das zweite Halbjahr wurde die Gammastrahlung nicht berücksichtigt, obwohl der TÜV-Bericht Werte liefert.

Quelle: greenpeace.de, 26.10.2011