Boxer in den Seilen

Wie ein angeschlagener Boxer hängt das Niedersächsische Umweltministerium (NMU) seit Wochen in den Seilen. In der Diskussion um die Strahlenwerte am Zwischenlager Gorleben bleibt das Sander-Ressort seltsam passiv nur in der Defensive. Und allein die Tatsache, dass seit zwei Monaten gemessen und gerechnet wird, ohne Klarheit zu schaffen, nährt in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht.

Seit ebenfalls mehreren Wochen dürfen die Gorleben-Gegner nun schon auf das NMU einschlagen, ihm falsche Messungen und Rechnungen um die Ohren hauen. Doch anstatt die Vorwürfe zu kontern, bleibt das NMU in den Seilen.

Wie auch am Mittwoch im Atomausschuss, wo keine der öffentlichen Institutionen vertreten war. Weder das NMU noch der ihm unterstellte Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz noch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Dort meint man, dass man zu der Strahlendiskussion keinen Beitrag leisten könne. Schon seltsam. Denn einst hatte das BfS das Zwischenlager genehmigt für eine viermal höhere Zahl an Castoren, als sie zurzeit in Gorleben stehen. Und die bereits jetzt bei einem Viertel Auslastung dafür sorgen, dass sich die Strahlung zumindest dem Grenzwert nähert. Keinen Beitrag leisten? Als wenn es zu dieser Fehleinschätzung nichts zu sagen gäbe.

Doch der angeknockte Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) setzt offenbar auf den „lucky punch“, einen Glücksschlag, der doch noch den Sieg bringt. In der kommenden Woche wird er aller Voraussicht nach erklären: Alles paletti.

Die nächsten Castoren können rollen. Ein wahrer Befreiungsschlag sähe allerdings anders aus. Der Minister, der in wenigen Monaten eh aus dem Amt scheidet und sich um die Zukunft seiner politischen Karriere nicht sorgen muss, könnte einfach entscheiden: Im Zweifelsfall – und einen solchen haben wir hier vorliegen – entscheide ich zugunsten der Bevölkerung und gegen die Interessen der Wirtschaft. Doch für einen solchen Schlag fehlt dem NMU offenbar die Kraft.

Von Jens Feuerriegel, Kommentar Elbe-Jeetzel-Zeitung 29.10.11