The same procedure as every year?

Endlagersuche vertagt – wie jedes Jahr

Es gibt Themen, über die stolpert die Politik wie Butler James in „Dinner for one“ über den Kopf des Tigerteppichs in Miss Sophies Wohnung. Der Tigerteppich ist in der Politik die Endlagersuche – Jahr für Jahr das gleiche Schauspiel. Nur lachen kann man darüber nicht. In einem Kommentar setzt sich das ZDF mit dem Thema auseinander.
Das Jahr 2012 begann mit der guten Aussicht auf ein Endlagersuchgesetz. Sagte zumindest der damalige Umweltminister von der CDU. Er hieß Norbert Röttgen. Mehrere Male hatte er zu Spitzentreffen zwischen Bund und Ländern in sein neues Ministerium am Potsdamer Platz in Berlin eingeladen. Es wurden Fotos gemacht, Statements gegeben. Norbert Röttgen sagte im Frühjahr, in vier Wochen werde das Gesetz auf dem Tisch liegen. Selbst die Vertreter der Grünen in der Runde nickten. Fukushima hatte diese Annäherung möglich gemacht.

Endlagersuche immer wieder auf Eis gelegt

Dann platzte die Neuwahl von Nordrhein-Westfalen in die Gespräche. Der Minister hatte plötzlich keine Zeit und Ambitionen mehr, sich um das Thema zu kümmern, die Opposition wollte ihm keinen Erfolg im Wahlkampf gönnen. Der Minister verlor erst die Wahl, dann seinen Job. Sein Nachfolger Peter Altmaier, ebenfalls CDU, verkündete kurz nach Amtsantritt, er wolle sich ganz schnell um das Endlager kümmern. Es passierte lange nichts, dann ließen SPD und Grüne die Gespräche ins Leere laufen. Ende November kündigte Altmaier dann an, die Gespräche zum Endlagersuchgesetz würden „ein letztes Mal“ auf Anfang Januar nächsten Jahres verschoben, um „die Thematik aus dem Wahlkampf in Niedersachsen herauszuhalten“, sagte Altmaier.

Ein letztes Mal über den Kopf des Tigerfells stolpern? Wer mag daran glauben? Seitdem im Februar 1977 der damalige Ministerpräsident von Niedersachsen, Ernst Albrecht (CDU), den Bau eines nuklearen Entsorgungslagers in Gorleben ankündigte, streitet die Republik über das Thema Endlager. Und kommt keinen Schritt weiter. Es wurden Moratorien verhängt und aufgehoben, es wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, um zu beweisen, dass es sich bei Gorleben um eine politische und nicht um eine fachliche Entscheidung gehandelt hat.

„Nicht in meinem Vorgarten-Prinzip“

Überhaupt: Immer werden klare „fachliche, sachliche und wissenschaftliche“ Kriterien für die Endlagersuche gefordert. Nur: Jedes dieser Kriterien lässt sich politisch aufladen. Zwei oder vier Suchorte, hohe oder niedrige Bevölkerungsdichte, rückholbar oder nicht – jeder politische Akteur schafft sich ein eigenes Begründungskonstrukt. Und wir Bürger machen mit. Schließlich gilt das „Nicht in meinem Vorgarten“-Prinzip: Endlagersuche bitte anderswo. Im Wendland ist das so seit 1977, anderswo wäre es genauso.

Peter Altmaier hat die Erkundung von Gorleben jetzt im Herbst wieder gestoppt. Bis zur Bundestagswahl 2013. Das heißt nicht, dass Gorleben aus dem Rennen ist. Nur die Arbeiten vor Ort sind gestoppt. In der Zwischenzeit soll die Arbeit am Suchgesetz weitergehen. Aber wie soll dieser Konsens erreicht werden, wenn die nächste Bundestagswahl schon wieder die Strategie der politischen Akteure bestimmt? Wenn alle darauf warten, dem anderen einen fahrlässigen Umgang mit Atommüll unterstellen zu können? Und Gorleben als unrühmliches Beispiel der Endlagerfestlegung immer wieder die Diskussion bestimmt? Endlagersuchgesetz 2013? Es ist kein Wagnis zu prophezeien, dass sich auch im nächsten Jahr nicht viel bewegen wird. The same procedure as every year.
31.12.12 Winnie Heescher / Quelle: ZDF Winnie Heescher ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio