Brief an den Ministerpräsidenten des Bundeslandes Nordrhein- Westfalen Armin Laschet – Kreuzweg für die Schöpfung

Jasebeck, den 24. Juli 2021

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

mit großem Befremden haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Polizei in Ihrem Bundesland gestern den diesjährigen „ökumenischen Kreuzweg für die Schöpfung“ von Gorleben nach Garzweiler gestoppt und die Fortsetzung des Kreuzweges mit dem Hinweis,es handele sich um eine „nicht genehmigte politische Versammlung“, ohne jegliche richterliche Anordnung untersagen wollte. Als Beleg für den politischen Charakter diente den Beamten vor Ort offenbar lediglich das Franziskus-Zitat „diese Wirtschaft tötet“ (Laudato si2015), sowie das diesjährige MISERIOR-Hungertuch unter dem Motto „du stellst meine Füße auf weiten Raum“. Pikanter Weise bildet dieses Hungertuch das Röntgenbild des gebrochenen Fußes einesMenschen ab, der in Santiago de Chile bei Demonstrationen gegen soziale Ungleichheitdurch die Staatsgewalt verletzt worden ist (es handelte sich um einen Schuljungen, der für sein Menschenrecht auf Schule demonstrierte). Auch gestern bei Schloss Oberwerries ander Lippe kam es nach Augenzeugenberichten zu unmittelbarer körperlicher Gewalt derEinsatzkräfte gegen Teilnehmende des Kreuzweges; eine Dame von den „Christians forfuture“ wurde dabei offenbar verletzt und der Kreuzträger sowie ein Kreuzwegs-Teilnehmerunter Anwendung von Gewalt und Androhung des Einsatzes von Pfefferspray vorübergehend in polizeilichen Gewahrsam genommen. Die Dokumentation dieser unfassbaren Vorkommnisse ist von Seiten des Kreuzweges leider nur sehr lückenhaft, da dieKamera der begleitenden Journalistin von den Polizeibeamten weggedrückt und dasFotografieren unterbunden, sowie Aufnahmen mit Mobiltelefonen untersagt und ein Handy beschlagnahmt wurde. Sehr geehrter Herr Laschet, ist es denn in Ihrem Bundesland üblich, dass Einsatzkräfte vor Ort derart folgenreiche Lagebeurteilungen ohne Einbeziehung der zuständigen Gerichte treffen? Und haben Ihre Beamten denn kein Deeskalationstraining durchlaufen oder stehen ihnen keine Konfliktmanager für solche Fälle zur Verfügung? Halten Sie diesen rüden Umgang des Staates mit Klima-besorgten und mahnenden Pilgern und Pilgerinnen für angemessen?

Verstehen Sie bitte, dass wir nach über vierzig Jahren atomarem Irrweg in Deutschland und seinen ewigen Folgen eine Art deja-vu bei diesen Ereignissen haben. Dabei war der historische Kreuzweg für die Schöpfung von Wackersdorf nach Gorleben 1988 noch nicht derartigen Repressalien ausgesetzt. Aber die Geschichte sollte uns doch lehren, dass sich schwerwiegende gesellschaftliche Konflikte und der notwendige Diskurs um die Sicherungunserer Zukunft und Bewahrung der Schöpfung in einer freiheitlichen Demokratie eben nicht mit polizeilichen Mitteln auf der Straße austragen lassen.Ich bitte Sie, dem weiteren Verlauf des Kreuzweges persönlich den Weg zu ebnen und alsMinisterpräsident dafür Sorge zu tragen, dass sich solche unfassbaren Vorkommnisse nicht wiederholen. Und als evangelischer Christ bitte ich Sie außerdem, zu gewährleisten, dass in einem ökumenischen Kreuzweg auch das Zitat aus dem „Laudato si“ von Papst Franziskus und das Banner der diesjährigen MISERIOR-Aktion durch Nordrhein-Westfalen öffentlich gezeigt werden dürfen, auch wenn diese Ihrer Polizei zu politisch anmuten sollten.Ich nehme an, dass weder der Wahlkampf, noch die schwere Not der Menschen infolge der Überschwemmungen in Ihrem Bundesland Ihnen Zeit und Möglichkeit dafür lassen, aber dennoch möchte ich Ihnen wärmstens ans Herz legen, auch einmal die Einkehr zu suchen und einen Wegabschnitt mit den Pilgerinnen und Pilgern mitzugehen. Manchmal soll so etwas Wunder wirken. Wie Ihnen unschwer auffallen dürfte, besteht eben ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der dringlichen Mahnung des „Kreuzweges für die Schöpfung“ von Gorleben nach Garzweiler und den brutalen Klimafolgen, denen Mensch und Natur im Rheinland diesen Monat hilflos preisgegeben waren.

Mit freundlichen Grüßen,

Martin Donat

(Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V., Vorsitzender)