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Was hat die Bewegung erreicht – in Gorleben und darüber hinaus?

Etwas pathetisch, mit Robert Jungk, dem Zukunftsforscher und Brückenbauer zwischen den großen außerparlamentarischen Bewegungen der Nachkriegszeit, möchte ich sagen: „Wir haben Geschichte gemacht, als wir der Atommafia und ihren bewaffneten Dienern zeigten: So geht es nicht! Dank sei allen, die daran mitgewirkt haben und nicht aufhören werde, eine ganz andere, bessere Zukunft vorzubereiten.“

Wyhl, Brokdorf, Kalkar, Grohnde, Wackersdorf – Erfolge und Niederlagen der Anti-Atom-Bewegung wechselten einander ab, lagen nah beieinander. Gorleben nimmt in dieser Kette keine Sonderrolle, aber eine besondere Rolle ein. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wo Castor-Transporte ins Zwischenlager Gorleben rollten, mutierte das Wendland zu dem politischen und sozialen Ort, an dem das
Ende der Atomkraft, aber auch das Aus für den angezählten Salzstock Gorleben als Endlager auf der Straße und der Schiene ausgehandelt wurde.

Ja, die Zivilgesellschaft erwies sich als Korrektiv für eine verfehlte Energiepolitik, und Robert Jungk, der diesen Satz 1987 schrieb, verwies bereits auf die Notwendigkeit der Energiewende. Das gelbe X des Anti-Atom-Protests ist längst in den Braunkohlegebieten in der Lausitz und dem rheinischen Revier angekommen, der Staffelstab wurde weitergegeben.

Was bleibt an Aufgaben für die Bewegung nach der Abschaltung der AKW?

Zunächst bleibt die Ungewissheit, was mit den Atomanlagen in Lingen und Gronau wird. Die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen sind bekanntlich vom Atomausstieg ausgenommen.
Absurd, dass das „Ausstiegsland Deutschland“ dazu beiträgt, dass anderswo Atomkraftwerke betrieben werden können und dass die Advanced Nuclear Fuels, die Tochter der französischen Firma Framatome, von Lingen aus auch russische AKW füttert.
Was bleibt ist der Müll. Die Endlagersuche zieht sich hin. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat Ende letzten Jahres mit dem Eingeständnis für Schlagzeilen gesorgt, dass ein Standort für eine tiefengeologische Deponie nicht, wie angestrebt, im Jahr 2031 feststeht, sondern erst rd. 30 Jahre später. Anhängig ist zudem ein Antrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den bereits genehmigten Schacht KONRAD, dort sollen rd. 300.00 Kubikmeter schwach- und mittelaktiver Abfälle eingelagert werden.
Ich gehe davon aus, dass es am Ende bei der Endlagersuche auf eine Doppeldeponie hinauslaufen wird, weil der Schacht KONRAD nicht mehr den heutigen Sicherheitsanforderungen genügt.
Bis dahin muss der Müll zwischengelagert werden, und da tickt eine Zeitbombe: die Zwischenlager kommen in die Jahre. An 16 Standorten lagern beispielsweise hochradioaktive Abfälle, die Hallen in Gorleben und Ahaus sind für 40 Jahre genehmigt, in den Jahren 2034 und 2036 wäre eigentlich Schluss.
Für die Initiativen vor Ort kommen viele Aufgaben zu. Länder- und Parteienegoismen dürfen am Ende nicht den Ausschlag geben, da braucht es kritisches Nachfragen, Proteste der Zivilgesellschaft, Solidarität bei der „Lösung“ der Atommüllfrage – und nicht ein „Hahaha, ihr habt den schwarzen Peter gezogen.“

Anmerkung: Das Gespräch mit Wolfgang Ehmke führte Reimar Paul. Die neue Gorleben Rundschau (GR) hat die „verlängerte Zwischenlagerung“, die eine Dauerlagerung ist, zum Thema. Die Auslieferung hat sich ein wenig verzögert.

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Wolfgang Ehmke

Wolfgang ist langjähriger Pressesprecher der BI.