Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

Eiszeiten – Rinnenbildung und knarzender Untergrund

Die Rolle kommender Eiszeiten für die Endlagersuche wurde aus Sicht der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) bisher nicht angemessen genug betrachtet.

Eine Million Jahre sollen hochradioaktive Abfälle möglichst sicher von der Biosphäre abgesichert werden, doch in dieser – für Nichtgeologen unvorstellbaren – Zeitspanne werden wahrscheinlich 9 bis 10 Kaltzeiten große Teile Norddeutschlands und den alpinen Raum mit einer ungeheuren Eislast überdecken. Die Kaltzeiten sind astronomisch gesteuerte Vereisungszyklen, im Fachjargon heißt das „exogen“, also nicht von Menschen verursacht und auch nicht steuerbar.

Auf Drängen der BI und des BUND wurde nun in einer online Vorab-Veranstaltung des 2. Forums Endlagersuche, das in Halle/Saale am vergangenen Wochenende einen Abschluss fand, dargestellt, welche möglichen Folgen diese Kaltzeiten für die Atommüllendlagerung haben können.

Dr. Jörg Lang von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) präsentierte eine Karte mit Regionen, die in der Vergangenheit von Eiszeiten stark berührt gewesen sind – und wahrscheinlich auch wieder werden. Der Wissenschaftler verwies auf die Folgen: Sie führen zu subglazialen Rinnen und glazitektonischer Deformation.

BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: „Wissenschaftlich ist demnach erwiesen, dass diese Rinnen bis zu 600 Meter in die Tiefe reichen. Dazu kommen noch die ungeheure Eisauflast und der Druckabbau beim Abschmelzen der Eismassen. Die Folgen sind Rissbildungen, selbst Erdbeben sind nicht ausgeschlossen. Subglaziale Rinnen und die glazitektonischen Ereignisse können zur Folge haben, dass die Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs – in Norddeutschland sind das vor allem Tone oder Salz – nicht gegeben ist. Wir werden nun darauf bestehen, dass die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) Schlüsse aus diesen wissenschaftlichen Hinweisen zieht.“

Im Gesetz werden kommende Kaltzeiten lediglich im Zusammenhang mit der Mindesttiefe eines Endlagers angesprochen – das muss 300 Meter unter der Erdoberfläche im Salz, Ton oder Granit liegen.

Ehmke: „Da liegt es nahe in einem „lernenden Verfahren“ “lernenden Verfahren“, diese Prozesse und Regionen bei der Endlagersuche gleichrangig zu betrachten wie „aktive Störungszonen“ i.S.d. § 22 StandAG, die zu den Ausschlussgründen zählen.“

Wolfgang Ehmke/ BI-Büro Rosenstr.20/ 29439 Lüchow/ 0170 510 56 06

 

Hintergrund:

Einstieg hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Postglaziale_Landhebung

BGR-Kurzbericht: Beschreibung glazialer Prozesse für die Standortauswahl: Vorstoß und Rückzug von Eisschilden und Gletschern, Bildung subglazialer Rinnen und glazitektonische Deformation (PDF, 528 KB):

Auszüge:

2.2.2 Relevanz für den Nachweiszeitraum

Pleistozäne subglaziale Rinnen mit maximalen Tiefen von über 500 m sind in den norddeutschen und süddeutschen Vereisungsgebieten weit verbreitet (Kuster & Meyer 1979; Stackebrandt 2009; Reinhardt et al. 2017; Gegg et al. 2021; Breuer et al. 2023a, b; Gegg & Preusser 2023) und es ist zu erwarten, dass es während zukünftiger Vereisungen zur erneuten Bildung subglazialer Rinnen kommen wird. Die tiefgreifende Erosion durch die Rinnenbildung hätte das Potenzial, die Integrität der geologischen Barrieren eines Endlagers zu beeinträchtigen.

2.3.2 Relevanz für den Nachweiszeitraum

Pleistozäne glazitektonische Komplexe sind in den norddeutschen und süddeutschen Vereisungsgebieten weit verbreitet und wurden während aller pleistozäner Eisvorstöße gebildet (Eissmann 1987; Meyer 1987; van der Wateren 1995, 2002; Kupetz 2015; Ellwanger et al. 2011; Winsemann et al. 2020; Buness et al. 2022; Gehrmann et al. 2022; Lohrberg et al. 2022). Für die glazitektonischen Komplexe in Norddeutschland sind Tiefenlagen der Abscherhorizonte von 120 bis 300 m nachgewiesen (Klimke et al. 2013; Kupetz 1997, 2015; Gehrmann et al. 2022; Winsemann et al. 2020). Aus anderen Regionen sind maximale Tiefenlagen pleistozäner glazitektonischer Abscherhorizonte von bis zu 350 m bekannt (z. B. dänischer Nordseesektor: Huuse & Lykke-Andersen 2000). Es ist zu erwarten, dass es während zukünftiger Vereisungen zur erneuten Bildung glazitektonischer Komplexe kommen wird. Die tiefgreifende Wirkung durch den Abtransport von Material bei der Bildung glazitektonischer Komplexe hätte das Potenzial, die Integrität der geologischen Barrieren eines Endlagers zu beeinträchtigen.

https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Endlagerung/Downloads/Lanzeitsicherheit/2_Langzeitprognosen_Szenarienanalysen/2023-10-11_Kurzbericht_glaziale_Prozesse.html?nn=1550950

 

Karte: https://egqsj.copernicus.org/articles/72/113/2023/

Lüneburger Landeszeitung

https://www.landeszeitung.de/lokales/lueneburg-lk/lueneburg/lueneburg-geologen-fordern-dass-ein-atomendlager-in-der-region-tiefer-geplant-werden-muesste-CVGAC3HAUNBL7DIJPC5WDB3LXU.html

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