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Flugzeugabstürze bei Atomanlagen in Deutschland

24.07.1978 BRD/Würgassen: Nahe Drenke, etwa acht Kilometer vom AKW Würgassen entfernt, stürzte ein britisches Kampfflugzeug vom Typ McDonnell F-4 im Tiefflug ab und zerschellte. Dies führte zu intensiven Diskussionen darüber, wie gut Atomkraftwerke gegen Flugzeugabstürze gesichert sind. Der Betreiber Preußen Elektra musste eingestehen, dass das AKW Würgassen nur für eine Aufprallgeschwindigkeit von 350 bis 450 km/h ausgelegt sei. Zwei Kinder und vier Erwachsene wurden von Trümmerteilen getroffen und verletzt. Der Pilot und der Navigator kamen ums Leben. Der Ort wirkte wie nach einer Bombardierung. Das Flugzeug hatte keine scharfe Munition an Bord. (Der Spiegel, Nr. 38 / 17.09.1978) (wiki, abgerufen am 04.01.2013)  

16.09.1979 BRD/Bayern/Isar/Ohu: Eine Militärmaschine Phantom ließ beim Simulieren eines Angriffs die Scheiben im Werkstattgebäude vom AKW-Standort Isar AKW Isar 1 bersten. (Tageszeitung)

12.11.1987 BRD/Hanau: Die Stadt am Rande des Rhein-Main-Gebiets mit über 2 Millionen Einwohnern blieb auch nach 1974 Standort der vier Kernbrennstoffverarbeitungsbetriebe Alkem, Nukem, Hobeg und RBU, und daran wird sich in den nächsten 15 Jahren nichts ändern. Hanau ist mittlerweile der Ort der weltweit größten nichtmilitärischen Plutoniumkonzentration. Eine knappe Mehrheit der Bevölkerung hat diesen Zustand bei der Hessenwahl am 5. April 1987 akzeptiert. Damit sind die Weichen für ein Happy End gestellt, auch wenn die Hauptakteure im vierten Akt einige Blessuren davongetragen haben. Die Hanauer Nuklearbetriebe sind der älteste Teil und zugleich das logistische Herzstück des atomindustriellen Komplexes in Deutschland. Über ein Jahrzehnt verzögerten NUKEM, ALKEM, RBU und HOBEG mit Zustimmung des Landes Hessen und in Kenntnis des Bundes das Genehmigungsverfahren, bauten ihre Produktionsanlagen um und hantierten wie ALKEM sogar mit hochgiftigem Plutonium ohne Schutz gegen Flugzeugabstürze oder Erdbeben. 1986 reichte die Staatsanwaltschaft eine 658-seitige Anklageschrift wegen unerlaubten Betriebs einer kerntechnischen Anlage ein. Die angeklagten Manager und Verantwortlichen des hessischen Umweltministeriums wurden jedoch am 12.11.1987 freigesprochen, da absichtliches Fehlverhalten nicht nachweisbar war. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Vorabzustimmungen rechtswidrig erteilt worden waren.
https://www.atommuellreport.de/daten/detail/nukem-hanau.html
https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0023-4834-1987-4-434/der-atomindustrielle-komplex-und-das-recht-hintergruende-des-hanauer-alkem-prozesses-jahrgang-20-1987-heft-4?page=0

30.03.1988 BRD/Karlsruhe/Philippsburg/Ohu: Flugzeugabsturz. Ein französischer Kampfbomber von Typ „Mirage“ bohrte sich nur 1.500 m bzw. fünf Flugsekunden von Atomkraftwerk Isar I und Isar II entfernt in den Waldboden. In diesem seinerzeit häufig für Kampfübungen genutzten Luftraum galt der Kühlturm der Atomanlage als beliebte Wendemarke. Etwas ähnliches passierte einen Tag am 31.03.1988 später auch beim Atomkraftwerk Philippsburg, nur Minuten, 19 km, entfernt vom Atomkraftwerk. Wir alle schrammten knapp am Supergau vorbei. Nach den Abstürzen von Kampfflugzeugen unmittelbar neben Atomkraftwerke, gibt es eine heftige Debatte über Tiefflüge und die Sicherheit von Atomkraftwerken bei Flugzeugabstürzen. (Frankfurter Rundschau, 02.04.1988) Tageszeitung
Bundesarchiv Kabinettprotokolle, 41. Kabinettsitzung, 13.04.1988, Punkt 7. Verschiedenes, Punkt c

Kleine Anfrage der Grünen zum Atomkraftwerk Neckarwestheim. Antwort der Bundesregierung:
Vermerk: Im Bundesarchiv sind alle Kabinettprotokolle der Bundesregierung öffentlich zugänglich zum Nachlesen und Kopieren. (Recherchiert 2025)

09.10.2001 BRD/Gundremmingen/Günzburg: Rechtsanwalt Dr. Dr. Scheuten für die RWE im Erörterungstermin in Günzburg: „Der Angriff auf eine kerntechnische Anlage mithilfe eines Flugzeugs kann nur als kriegerische Einwirkung eingeordnet werden, die gegen den jeweiligen Staat gerichtet ist. Das Atomgesetz verpflichtet die AKW-Betreiber nicht, Vorsorge gegen derartige kerntechnische Einwirkungen zu treffen. Der Schutz des Staates und seiner Bevölkerung vor kriegerischen Handlungen und vor den Konsequenzen derartiger kriegerischer Handlungen obliegt allein dem Staat selbst. Der Staat kann seinen Bürgern – das sind nicht nur die Kraftwerksbetreiber, sondern alle Bürger – natürlich insoweit bestimmte Vorkehrungen, Verpflichtungen auferlegen. Der Staat hat jedoch bislang weder im Baurecht noch im Industriezulassungsrecht und auch nicht im Atomrecht derartige Verpflichtungen auferlegt. Die Vorsorge vor den Auswirkungen derartiger kriegerischer Einwirkungen auf Industrieanlagen und hier speziell auf kerntechnische Anlagen verbleibt damit allein als Pflicht des Staates.“ (Wort Protokoll des BfS vom EÖT, 2-44f) Spiegel 41/2001 Fünf der zwölf geplanten Zwischenlager für hochradioaktive Brennelemente an deutschen AKW-Standorten können wohl nicht wie vorgesehen gebaut werden. Nach den Terroranschlägen in den USA hält das BfS (heute BASE) in Salzgitter die beantragten Decken- und Wandstärken von 0,55 bis 0,85 Metern nicht mehr für ausreichend. Betroffen wären die südwestdeutschen Standorte Biblis, Philippsburg, Grafenrheinfeld, Ohu und Gundremmingen. In Norddeutschland waren von Anfang an Betonhallen mit dickeren Decken und Wänden (1,2 bis 1,3 Meter) geplant. Laut Ex-BfS-Präsident Wolfram König sei es schwer zu erklären, warum die Menschen in Süddeutschland schlechter vor Flugzeugabstürzen auf Zwischenlager geschützt werden sollen als die im Norden. Schon vor dem 11. September hatte der Chef des Strahlenschutzamtes für eine „doppelte Barriere“ plädiert, bei der sowohl Betonhallen als auch Lagerbehälter wie der Typ „Castor“ ausreichenden Schutz bei Flugzeugabstürzen bieten müssen.

30.03.2008 BRD: Am 30. März 1988 stürzten innerhalb von 24 Stunden in der BRD zwei Militärflugzeuge ab. Eine französische Mirage in unmittelbarer Nähe der Atomkraftwerke Isar/Ohu I und II bei Niederaichbach in der Nähe von Landshut. Der Pilot kommt dabei ums Leben. Die Studie der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) zeigte die realistische Terroranfälligkeit der Atomkraftwerke auf: „Keines der 17 deutschen Atommeiler ist so gegen einen Flugzeugabsturz gesichert, dass eine Atomkatastrophe als Folge ausgeschlossen werden kann.“ (Der Standard, 31.03.2008)

19.06.2013 BRD/Brunsbüttel: In einem sensationellen Urteil mit folgenreicher Begründung hebt am 19.6. der IV. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager Brunsbüttel auf. Dort hatte der Kläger mit derselben Gutachterin wie wir in Bayern und mit ähnlichen Argumenten wie wir gegen die im Jahr 2003 erteilte Genehmigung geklagt. Dann hatte am 31. Januar 2007 ebenfalls der IV. Senat des OVG Schleswig die Klage abgelehnt. Aber im Unterschied zu unseren bayerischen Prozessen beim VGH München die Revision zugelassen. Am 10. April 2008 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das noch unsere Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision abgelehnt hatte, dem Revisionsantrag im Fall Brunsbüttel stattgegeben. Damit wurde das Urteil des OVG Schleswig aufgehoben und die Klage zurück an das OVG verwiesen. Bundesverwaltungsgericht wie jetzt auch das OVG Schleswig sagen, dass die möglichen Folgen von Terrorangriffen auf das Zwischenlager auch Nachbarn Klagebefugnisse gewähren. Früher wurden die Folgen von absichtlichen Flugzeugabstürzen wie auch Angriffen mit Sprengstoff, Raketen oder Panzerfaust nicht als „drittschützend“ eingestuft. Jetzt urteilen die Richter: Die Betreiber des Zwischenlagers haben nicht nachgewiesen, dass ihre Atommülllagerung herbeigeführte Abstürze heutiger Großflugzeuge wie auch Anschläge mit jetzt verfügbaren Waffen so überstehen, dass die Menschen in der Umgebung nicht unzulässig geschädigt werden. Bemerkenswert auch, dass das Gericht erst moniert, dass es viele Unterlagen nicht vorgelegt bekommen habe, um dann zu sagen, dass das, was es gesehen habe, ausreiche, um der Klage stattzugeben und die Betriebsgenehmigung des Zwischenlagers aufzuheben. Damit wurde das Zwischenlager-Lügengebäude der Umweltminister Trittin, Gabriel, Röttgen und Altmaier vom OVG Schleswig zerstört. All diese Umweltminister meinten in den letzten 12 Jahren, die Beschwerden und Klagen der Anwohner der Atommüll-Lager mit dem Hinweis auf Geheimhaltungsregeln abwehren zu können.

20 Castor-Behälter lagern dort – bis heute ohne gültige Aufbewahrungsgenehmigung.

https://www.base.bund.de/de/zwischenlager/aufbewahrung/standorte-zwischenlager/zwischenlager-brunsbuettel/zwischenlager-brunsbuettel.html

Und in Süddeutschland ist alles noch viel brisanter: In Brunsbüttel sind die Decke des Zwischenlagers 1,3 m und die Außenwände 1,2 m dick. Bei allen Zwischenlagerhallen südlich des Mains sind die Decken kostensparend nur 0,55 m und die Außenwände nur 0,85 m dünn. (Chronik des AKW Gundremmingen und des Atommüll-Lagers Schwaben, Seite 58)
https://atommuell-lager.de/wp-content/uploads/2018/01/Geschichte_AKW-und-Atommuell-Lager.pdf
https://umweltfairaendern.de/wp-content/uploads/2013/08/OVGSchleswigKKB-ZL4KS308Urteil.pdf
https://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/080115B7B25.13.0.pdf
https://www.atommuellreport.de/themen/detail/das-brunsbuettel-urteil-und-seine-folgen.html
https://taz.de/Urteil-zum-Zwischenlager-Brunsbuettel/!5060150/

  • Das ist nur ein Auszug aus meiner Anti-Atom-Chronik

Dieter Kaufmann, Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main

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Dieter Kaufmann

Dieter engagiert sich im Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main und war schon bei der Platzbesetzung 1004 in Gorleben dabei.