Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

Castor-Debatte als Lackmus-Test

Dreißig Jahre ist es her. Mit einer Menschenkette am 24. März zwischen Hitzacker und Clenze und einer Wendlandblockade am 30. April protestierten Tausende dagegen, Gorleben zu einem gigantischen Atommüllzentrum auszubauen. Im Jahr zuvor war die Politik – nicht zum ersten Mal – wortbrüchig geworden, die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) enthüllte den Plan, dass im Westkreis, in Dragahn, eine Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) gebaut werden sollte. Zuvor hatte der damalige CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht beteuert, in Lüchow-Dannenberg seien derartige Pläne vom Tisch, damit der wichtigere Baustein des Atommüllzentrums, das Endlager, gebaut werden könne. Diese Aktionen und auch Blockadeaktionen im Ernstfall konnten zwar nicht verhindern, dass im Oktober 1984 die ersten Atommüllfässer in Gorleben angeliefert wurden. Aber Gorleben steht auch 30 Jahre später noch im Fokus der Auseinandersetzungen.

Zum einen wurde ein Bergwerk im Salzstock ausgebaut, um dort Atommüll einzulagern, über geologische Bedenken setzte sich die Politik hinweg. Zurzeit gibt es unter Tage einen Baustopp, Atommüll wurde dort nicht eingelagert und die Menschen sollen glauben, dass in Berlin Endlagerkriterien ausgehandelt werden, die Gorleben als Endlager ausschließen.
Zum anderen ist Gorleben immer noch Zielort für Atommülltransporte, denn neben der Castor-Halle steht ein Fasslager. Und immer noch quält sich die Politik mit der Frage herum, wo die restlichen 26 Castor-Behälter, die ab 2015 aus La Hague und Sellafield nach Deutschland verbracht werden sollen, aufbewahrt werden, denn nach einer Novelle des Atomgesetzes im vergangenen Jahr dürfte Gorleben als Zielort ausscheiden.

Bis Ostern sollte eine Entscheidung fallen, wurde seitens der Politik vollmundig angekündigt, doch nichts geschah. Zynisch hatte die BI angemerkt, dass nie gesagt wurde, ob mit der Ankündigung Ostern 2014 gemeint gewesen sei. Der Kieler Energieminister Robert Habeck sprach darauf hin von einer „erbärmlichen Form von Politik“ mit Blick auf die mangelnde Bereitschaft zur Zwischenlagerung von Atommüll an anderen Standorten.

BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: „Als Lackmus-Test für die Ernsthaftigkeit einer neuen Endlagersuche taugt das nicht!“

Wolfgang Ehmke, Pressesprecher, Tel. 0170 – 510 56 06

Rückblick: Wendland-Blockade 1984
(30.04.1984)

Motto: „Keiner ruft auf, alle gehen hin…“ die Zufahrtsstraßen zum Landkreis Lüchow-Dannenberg für 12 Stunden zu blockieren, um gegen Europas größtes Atomklo zu protestieren. Rund 4.000 Menschen beteiligten sich über den Tag verteilt daran. Da wir privat übernachtet hatten, wurden wir von der Polizei in der Nacht davor nicht im Zeltlager abgegriffen und in Gefängnisbusse verschleppt und irgendwo in der Pampa freigelassen.

Andere AtomkraftgegnerInnen fuhren mit Autos den Polizeibussen hinterher und sammelten die Menschen wieder ein um sie in den Landkreis zurückzubringen, so das am nächsten Morgen oder später alle wieder da waren oder zu den geplanten Aktionen dazu kommen konnten.

Um 6:30 Uhr sind wir an der B 216, über uns kreisen Hubschrauber. Bei Metzingen tauchen die ersten Wannen auf. Etwas weiter räumt die Polizei eine Blockade von 1.000 Menschen und 150 PKW ab. Wir fahren zur B 191. Dort angekommen sehen wir einige Barrikaden: Zementrohre sind ineinander verkeilt. Dazu totes Holz. Von Einheimischen erfahren wir, dass unter einer Eisenbahnbrücke Leitblanken verbogen auf der Straße liegen, größere Baumstämme sind miteinander vernagelt. Hier läuft kein Verkehr mehr. Wir fahren nach Clenze im Süden des Landkreises. Dort steht eine Blockade durch eine aus Pappe gebauten überdimensionalen schwarzen Krake mitten auf der Straße, die die DWK (Gesellschaft zur Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen oder unser Spitzname Die Will Keiner) symbolisiert.

Nach 11:00 Uhr fahren wir nach Pudripp zurück. Die Polizei hat die ersten Barrikaden geräumt, neue sind entstanden. Die Straße ist unpassierbar. An einem Bahndamm unweit der Straße machen wir entspannt Mittag und essen gemütlich auf halber Höhe des Bahndammes. Langsam schiebt sich auf der Straße ein Polizeikonvoi vor, hinter dem Konvoi entstehen aber gleich wieder neue Barrikaden. Ein Unimog mit Schaufel kommt auf unserem Blickwinkel der Augen zum Stehen: Vermutlich Plattfuß durch Krähenfüße! Der nun fällige Reifenwechsel ist eine Gaudi. Die Polizei blamiert sich, so gut sie konnte. In der „Formel I reifen Zeit“ von nur etwas über eine Stunde ist der Reifen gewechselt. Noch immer ist die B 191 völlig dicht. Unsere Mittagspause ist zu Ende.

Wir fahren nach Clenze. Im Autoradio hören wir „Radio freies Wendland“. Die Blockade auf der B216 steht immer noch. Die Polizei geht dazu über, die abgestellten PKW zu zerstören, da sie völlig überfordert ist. Die Frauenblockade bei Bösen gibt es auch noch. Die Stimmung dort ist gut. Die Blockade mit der DWK- Krake hat Pause am Rande einer Kreuzung. Die beginnende Abendsonne spiegelt sich in der Straße. Es ist warm und sieht fast idyllisch aus. Eine Gruppe macht Musik. Kinder wuseln umher, ältere Leute, Einheimische und viele aus der Friedensbewegung sitzen stehen unterhalten sich. Es ist kurz vor 18 Uhr, einige gehen schon, da das Ziel des Tages erreicht wurde. Ein Hubschrauber taucht auf, die Polizei ziehen die Helme auf, zwei Hundertschaften BGS rückten vor. Wir weichen zurück. Unter allgemeinem Beifall räumen die BGS-Leute die DWK- Krake ab.

Alles in allem war es für uns ein erfolgreicher Tag. Vier der Fünf Zufahrtsstraßen waren mehr als 10 Stunden blockiert. (Die 30 Traktoren der Bauernblockade hatte die Polizei in den Straßengraben gefahren.) Größere Auseinandersetzungen blieben aus, weil die Polizei nicht so beweglich war wie die DemonstrantenInnen. Ein weiteres Zeichen für den Widerstand gegen den atomaren Wahnsinn, gegen die Bedrohung durch Atomkraftwerke ist gesetzt. Und doch hat es einen Verletzten gegeben. Ein Polizist hat sich einen Zeh gebrochen – durch eigene Schusseligkeit, wurde erzählt.

Dieter Kaufmann, Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main.
(BGS = Bundesgrenzschutz, heute BP = Bundespolizei)

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