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Bomben auf iranische Atomanlagen – Zu viele Heucheleien

Israel hat gehandelt und Einrichtungen des iranischen Atomprogramms angegriffen. Militärische Ziele waren die Urananreicherungsanlage in Natans, der noch nicht in Betrieb genommene Schwerwasserreaktor in Khondab, vormals als Reaktor von Arak bekannt, atomare Produktionsstätten in Isfahan, darunter eine Fabrik zur Umwandlung von Uranoxid, wie es für kommerzielle Anwendungen gebraucht wird, in Uranmetall, das für die Atombombe benötigt wird, sowie Labors und wissenschaftliche Institute in Teheran und Isfahan. Radioaktivität sei bei diesen Bombardements nicht ausgetreten, teilte die Wiener Atomagentur IAEA mit. Noch gravierender ist die Tötung etlicher Kader des iranischen Atomprogramms, gleich zu Beginn der israelischen Offensive durch geheimdienstliche Aktionen.

Israels Handeln beschämt die Jahrzehnte lange Inaktivität der internationalen Politik, die es dem Mullah-Regime überhaupt erst ermöglicht hat, den Status einer latenten Atommacht zu erreichen. Dafür wollte Friedrich Merz offenbar eine Art Anerkennung aussprechen, als er während des G7-Gipfels in Kanada sagte, die Israelis würden die „Drecksarbeit“ für die Weltgemeinschaft erledigen. Seine provokante Wortwahl ist eine Flucht nach vorne: Sie lenkt von den tatsächlich schmutzigen Geschäften ab, mit denen westliche und insbesondere deutsche Unternehmen dem Iran behilflich waren.

Das lässt sich besonders deutlich an jener Atomanlage veranschaulichen, die in diesen Tagen in aller Munde ist und schließlich ebenfalls attackiert wurde, diesmal von den USA: Die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo. Diese liegt 60 bis 90 Meter unter massivem Felsgestein und kann angeblich nur von tonnenschweren Bomben des Pentagons erreicht werden. Nach Auskunft von Dan Cain, Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs und ranghöchster Militär der USA, wurden 14 bunkerbrechende Bomben und mehr als zwei Dutzend Marschflugkörper gegen die Anreicherungsanlagen von Fordo und Natans sowie gegen ein Kernforschungszentrum in Isfahan eingesetzt. Damit sei die „totale Zerstörung des iranischen Atomprogramms“ erreicht worden, triumphierte US-Präsident Donald Trump im Einklang mit seinem Kriegsminister Pete Hegseth. Die iranische Seite sieht das anders. Die Schäden seien reparabel, das Atomprogramm werde fortgesetzt.

Iran droht nun mit dem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag. Das wäre gleichbedeutend mit einer Ankündigung, die Herstellung von Atomwaffen dann in Angriff zu nehmen. Es würde auch den Weisungen entsprechen, die der oberste Führer Ali Khamenei schon vor geraumer Zeit unmissverständlich erteilt hat: Wenn ein Angriff auf Irans nukleare Einrichtungen erfolge, werde die offizielle Atomdoktrin geändert. Iran wird demnach versuchen, einen Weg nach dem Vorbild Nordkoreas einzuschlagen.

Die wichtigste Voraussetzung für die Herstellung eigener Atombomben ist wohl immer noch vorhanden. Mehr als 400 Kilogramm nahezu waffentauglichen Urans, die in Fordo und Natans produziert wurden, sind anscheinend vor dem US-Bombardement an einen unbekannten Ort gebracht worden. Dies behauptete der ehemalige Kommandeur der Revolutionsgarden, Mosen Rezai. Die Tatsache, dass bisher keine Radioaktivität in den Umgebungen von Fordo und Natans gemessen wurde, scheint ihm recht zu geben. Möglicherweise waren die mit schwersten konventionellen Bomben traktierten Anreichungsanlagen leer. Bei der Suche nach dem weggeschafften Vorrat stößt allerdings die von den USA demonstrierte bunkerbrechende Intelligenz an ihre Grenzen.

In dieser explosiven Situation warnen die EU-Kommission und die europäischen Regierungen vor einer weiteren Eskalation. Wie man es von ihnen gewohnt ist, fordern sie Gespräche und diplomatische Initiativen, um den Konflikt unter Kontrolle zu bringen und einen Flächenbrand im Nahen Osten zu verhindern. So einleuchtend die Appelle klingen mögen, so wenig Beachtung finden sie bei den Kriegsparteien – und das zu Recht. Denn die europäische Iranpolitik hat nahezu jede Glaubwürdigkeit verloren. In Brüssel, Berlin, Paris, London, Wien und Rom ist man vor allem bemüht, die eigenen Anteile an der iranischen Nuklearindustrie vergessen zu machen. Dabei weiß man doch über die „sagenumwobene Atomfestung Fordo“ (FAZ), an der sich der Krieg entscheiden werde, mehr, als man öffentlich zuzugeben bereit ist.

Die Nachrichtenagentur Reuters verbreitete im Januar 2021 ein Foto, das nach Angaben der Agentur das Innere der Anreichungsanlage von Fordo zeigen sollte. Dieses erste und bisher einzige Foto von Fordo, das die Iranische Organisation für Atomenergie zur Veröffentlichung freigegeben hatte, ging damals um die Welt (https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-urananreicherung-131.html). Keiner hat bemerkt oder man wollte es später nicht eingestehen, dass das Foto eine plumpe Fälschung war. In Wahrheit zeigt es die Eingangsstraße der niederländischen Anreicherungsanlage Almelo.

Screenshot

Die iranischen PR-Leute haben es einfach einem Prospekt der Betreiberfirma der Urenco entnommen und als Aufnahme ihrer eigenen Einrichtung ausgegeben. Urenco widersprach nicht.

Dass im Iran gern mit gefälschten Fotos gearbeitet wird, ist für sich genommen keine besonders interessante Entdeckung. Bedenklich wird die Angelegenheit allerdings, wenn man feststellt, dass fast alle westlichen Urananreicherungsanlagen aussehen wie jene von Almelo, weil sie alle mit Urenco-Technik ausgerüstet sind. Und so ist das Foto der Iranischen Organisation für Atomenergie vielleicht gar nicht mal so irreführend. Auch in Fordo könnte es aussehen wie in Almelo, Gronau, Capenhurst, Eunice. Das ist eine Vermutung. Sie wird enorm bestärkt durch eine Passage des Wiener Abkommens JCPOA, in dem die fünf Atomwaffenmächte sowie Deutschland und die EU mit dem Iran 2015 eine Reduzierung seines Atomprogramms vereinbarten.

Das Abkommen enthielt eine bedeutende Ausnahmeregelung beim Verbot nuklearbezogener Ausfuhren an den Iran. Diese Ausnahme stellt der Rat der EU heute noch an den Anfang seiner Dokumentation des JCPOA ( https://www.consilium.europa.eu/de/policies/jcpoa-iran-restrictive-measures/ ). Wörtlich heißt es, „dass die Sanktionen nicht mehr für die Bereitstellung von Material, Ausrüstung oder Unterstützung in Bezug auf folgendes gelten: die Modifizierung von zwei Kaskaden der Anlage von Fordo für die Herstellung stabiler Isotope…“ Somit gibt der EU-Rat seit zehn Jahren interessierten Unternehmen eilfertig zur Kenntnis, dass Exporte nach Fordo von den Sanktionen ausgenommen wurden. Das kommt fast einer Aufforderung gleich. Es erübrigt sich festzustellen, dass es sich bei den genannten Kaskaden um jene fortgeschrittenen Zentrifugen handelt, mit denen in Fordo immer höhere Anreicherungen von Uran in immer schnellerem Tempo erreicht wurden.

Diese formal immer noch geltende Ausnahmeregel wurde vom damaligen Außenminister Irans, Mohammed Dschawad Sarif, durchgesetzt und von den anderen beteiligten Außenministern abgenickt. Von deutscher Seite war es der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, nicht zu vergessen die im Hintergrund wirkende, vielfach gepriesene Diplomatin Helga Schmidt.

Anmerkung: in leicht veränderter Form zuerst veröffentlicht in Jungle World 26/2025

 

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Detlef Zum Winkel

Detlef zum Winkel, ursprünglich Physiker. Lebt in Frankfurt am Main und schreibt vornehmlich für die Berliner Wochenzeitung Jungle World. Betreut dort u.a. die Themen Atomenergie und Proliferation.