EIN, ZWEI, VIELE GROSSVERANSTALTUNGEN IM HERBST GEGEN DIE ATOMKRAFT? – HIER KOMMT UNSER VETO

Die Vielfalt der Bewegung, der Schwung und vielfältige Aktionen gegen die schwarz-gelben Atompläne sind unser Trumpf, die Zerfaserung und Zersplitterung unserer Kräfte aber müssen vermieden werden. Dieses ist ein Plädoyer für eine machtvolle Anti-Atom-Demonstration im Herbst im Wendland – und zugleich ein OFFENER BRIEF an .ausgestrahlt, ein Angebot zur solidarischen Zusammenarbeit. Wir wollen gemeinsam der Atomkraft die Rote Karte zeigen und klarstellen „Mit Gorleben kommen sie nicht durch“.
Schwarz-Gelb will die Laufzeiten der Reaktoren verlängern und setzt allein auf Gorleben als Lager für hochradioaktive Abfälle. Eine Reaktion auf diese Form von Klientelpolitik, die allein den Vier Großen täglich 1 Mio. Euro pro AKW in die Kassen spielt, war die Kettenreaktion, also die Aktionskette zwischen den AKWs Krümmel und Brunsbüttel, Tausende demonstrierten in Biblis und Ahaus gegen die Atomkraft. Wir hatten Kritik an der Form des Bündnisses, und teilweise sind unsere Befürchtungen auch bestätigt worden, zumindest als mediales Abbild: Jahrelang haben wir den sogenannten Atomkompromiss politisch bekämpft. Die Regulierung von Laufzeiten wurde unter Rot-Grün mit der Zusicherung erkauft, für einen „störungsfreien“ Betrieb der Reaktoren zu sorgen. Stillgelegt wurden allein das AKW Stade (aus wirtschaftlichen Gründen!) und das AKW Obrigheim (auf der Basis des „Atomausstiegsgesetzes“).
Das Hin- und Herschieben von Atomstromkontingenten, das Drosseln von Kapazitäten, Störfälle und Pannen führten schließlich dazu, dass die Ausstiegsbilanz recht dürftig ausfiel. „Konsens ist Nonsens“ lautete unsere Parole, die auch ihr propagiert habt. In den Jahren unter Rot-Grün und Schwarz-Rot wurde das Genehmigungsverfahren für den Schacht Konrad durchgezogen. Das Moratorium in Gorleben wurde nicht genutzt, um von einem Standort, der politisch verbrannt und geologisch nicht haltbar ist, abzukehren. Jürgen Trittin als grüner Umweltminister wollte seinen Parteifreundinnen und –freunden sogar untersagen, in Gorleben gegen Castortransporte zu demonstrieren. – Trotz alledem haben wir mit dem Krümmeltreck die Großaktion solidarisch unterstützt und zum Erfolg beigetragen.
Die Parteien, die ihr als Bündnispartner eingeladen habt, ja sogar einige der Bündnispartner aus dem Spektrum der Umweltverbände, unterstellten den Tausenden, die am 24. April auf die Straße gingen, sie hätten sich gegen den „Ausstieg aus dem Ausstieg“ stark gemacht. Medial abgebildet wurde vor allem der Handschlag zwischen Jürgen Trittin (Grüne) und Sigmar Gabriel (SPD). Die parteienunabhängigen und außerparlamentarischen Kräfte fielen dabei „hinten rüber“ – nicht ganz, aber doch weiter als es angemessen gewesen wäre: Wir geben die Themen vor, authentisch, kompromisslos, nicht im Fahrwasser von Parteien, damit diese sich positionieren , damit die Halbwertzeit zwischen Versprechungen und (Nicht-) Handeln möglichst lang ist… Jochen Stay für .ausgestrahlt und Dirk Seifert (Robin Wood) haben im Nachhinein auf Auswertungstreffen und bei einem Blick auf den weiteren Aktionskalender betont, das Bündnis sei eine Momentaufnahme gewesen, nun sei es wichtig, neben dem Protest auch Formen des Widerstands zu propagieren. Über diese klaren Worte haben wir uns gefreut. Sehr schnell wurde der November ins Visier genommen; schon lange propagieren wir, dass der nächste Castortransport nach Gorleben zu einer „Abstimmung mit den Füßen über die Schwarz-Gelbe Atompolitik“ und gegen die „Fertigstellung des Endlagers Gorleben“ geraten muss.
Wir waren uns bisher einig, dass über Jahre hinweg das Wendland der Ort ist, an dem – vor allem wegen des Endlagerprojekts und wegen der Castortransporte – sich symbolhaft und paradigmatisch die Kräfte sammeln, die für den (Sofort-) Ausstieg demonstrieren, wo über den Protest hinaus auch Widerstand gegen das Weiterso in der Atompolitik geleistet wird: „Wir stellen uns quer!“ war und ist unser gemeinsamer Nenner. Die Entscheidung von Schwarz-Gelb, nun in Gorleben, und zwar nur in Gorleben, weiterzumachen mit der „Erkundung“, von der jeder weiß, dass sie ein Etikettenschwindel ist und weiter gebaut wird, spielte ein zentrale Rolle. Es ist nachwievor die „Achillessehne“ der Atomlobby, denn neben der Unfallgefahr beim Betrieb von Atomkraftwerken und –transporten ist die ungelöste und schier unlösbare Atommüllentsorgung das Argument, dass viele Menschen von der Gewissenlosigkeit der AKW-Betreiber überzeugt. Umstritten war – eigentlich „nur“ noch – der Ort einer zentralen Auftaktkundgebung. Wir hatten Dannenberg vorgeschlagen, andere waren für Lüneburg, und zwar wegen der guten Erreichbarkeit, damit wieder massenhaft demonstriert werden könne. Aber auch in Dannenberg kann massenhaft demonstriert werden, denn ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept, und dabei sind wir auf die Unterstützung von „Experten“ in unseren Reihen angewiesen, also Sonderzüge und –busse, können sehr wohl Zehntausende ins Wendland zu einer eindrucksvollen Kundgebung bringen.
Plötzlich sehen wir uns mit abenteuerlichen Vorwürfen und einem völlig neuen Demo-Kalender konfrontiert: es soll, nachdem der angedachte Plan, im September auch im Süden mit einer Kettenreaktion gegen die Atomkraft mobil zu machen, fallen gelassen wurde – u.a. weil es im Süden ähnliche Vorbehalte an der Zusammenarbeit mit Parteien gab wie bei uns – ,soll nun am 18. September in Berlin demonstriert werden. Warum? Um eine direkte Einflussnahme auf das Regierungshandeln kann es doch nicht gehen. Die Entscheidung von Schwarz-Gelb, die Laufzeiten der Atommeiler wieder zu deregulieren, wird von Demonstrationen niemals direkt beeinflusst, Verzögerungen und Hindernisse entstehen natürlich auf dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Klimas contra Atom, da sind wir zur Zeit wirklich stark. Tatsächlich wird aber eine Bundesratsinitiative des Landes Bremen oder der Zerfall der Berliner Koalition, der sich aus vielen Quellen speist, eine ebenso wichtige Rolle spielen. Geht es doch um die Fortsetzung des Bündnisses mit den Parteien? Muss dafür ein Ort und eine Zeit gefunden werden? Dann fragen wir die Akteure aus unseren Reihen, wem gegenüber fühlt ihr euch verbunden? Abenteuerlich wird dieser Vorstoß auch deshalb, weil er wie eine Replik auf die Abstimmungsniederlage rüberkommt, im Herbst in Dannenberg und nicht in Lüneburg zu demonstrieren. „Eine Mutter mit Kinderwagen kommt da nicht hin“ und „Der Heizungsbauer aus Baden-Württemberg kommt da nicht hin“ – so ähnlich wurde argumentiert. Damit stigmatisiert ihr den Protest und Widerstand im Wendland als „gefährlich“ und unseren Widerstand als gewalttätig. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang – und er ähnelt der Kriminalisierung des wendländischen Widerstands durch die Politik: Jahrelang haben wir große Auftaktdemonstrationen veranstaltet, die absolut friedlich verliefen. Richtig ist, dass, wenn der Castor dann rollte, sich Menschen phantasievoll und entschlossen quer gestellt haben. Die geplante Demonstration in Berlin wird, ob ihr es wollt oder nicht, schon deshalb unsere Mobilisierung für die Novemberaktion schwächen, weil die Kraft und das Geld, die in die Vorbereitung fließt, eigentlich in die Vorbereitung im Rahmen eines großen parteienunabhängigen Bündnisses fließen müsste. Sich in Berlin auf die Bühne zu stellen und laut zu sagen, kommt im November ins Wendland, ist ein Appell – mehr nicht. Kurz gesagt: Ihr schwächt unsere Arbeit! Denn im Herbst ist nicht nur Aktionstag, sondern eben auch „Zähltag“, und die Gegenseite wartet nur darauf, unter Verweis auf einen nur regional starken Protest ein Argument zu finden, um Gorleben fertig zu machen.
Wolfgang Ehmke – im Namen des Vorstands der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.