Atomstreit in der Union: Auch Kritik an Mappus

Überall regt sich Widerstand gegen Stefan Mappus. Ach so: Wer ist Stefan Mappus und wo ist Überall? So viel vorab: Scharfmacher in Sachen Atomkraft, Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Lesen Sie selbst, wir dokumentieren einen Beitrag der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 14. August.

Für Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) ist die Sache klar: Mindestens 15 Jahre länger will er die deutschen Atomkraftwerke am Netz halten. Doch nicht nur Norbert Röttgen sieht das anders: Auch im Kreis stehen bekannte Christdemokraten mit Öko-Profil ihrem Parteifreund im Bundesumweltministerium oder gar den Grünen in dieser Frage näher als dem Partei- und Regierungschef im Südwesten.

Wie hältst du’s mit dem Atomausstieg? Claus-Peter Hutter behagt die Frage gar nicht. Einerseits ist der Mann aus Benningen der wohl bekannteste Umweltschützer im Landkreis, seine Stiftung Nature Life International hat sich kürzlich sogar gegen das Ingersheimer Windrad ausgesprochen. Ein Plädoyer für längere Reaktorlaufzeiten fällt da schwer. Andererseits leitet Hutter die Umweltakademie Baden-Württemberg, und seine Dienstherrin, Südwest-Umweltministerin Tanja Gönner, liegt voll auf Mappus-Kurs.

In dieser Zwickmühle greift Hutter zu einem Wort, das in Union und FDP seit Monaten Hochkonjunktur hat – zum Wort „Brückentechnologie“. Weltweit sei die Kernenergie ein Auslaufmodell, sagt Hutter. Aber noch könnten erneuerbare Energieträger die bei einer raschen Abschaltung der Reaktoren drohende Versorgungslücke nicht schließen. Bis es so weit sei, dürften jedoch keinesfalls neue Kohlekraftwerke entstehen, weshalb die Atommeiler wohl oder übel noch am Netz bleiben müssten. Doch wie lang darf die nukleare Brücke aus Hutters Sicht werden? „Vielleicht zehn bis 15 Jahre“, bleibt der gelernte Verwaltungsmann unter der Forderung der Landesregierung – um sich sogleich zu korrigieren: Die Länge der Reaktor-Laufzeiten sei gar nicht der springende Punkt. Vielmehr müssten die Stromkonzerne kräftig abgeschöpft werden, um den Ausbau der erneuerbaren Energien „dynamisch“ voranzutreiben. Das, sagt Hutter, habe ja schon Günther Oettinger – der Mappus-Vorgänger und EU-Energiekommissar – zutreffend formuliert.

Lieber gar nicht auf die Gretchenfrage nach dem Atomstrom antworten will Michael Jacobi. Der zur Union gewechselte, frühere Grünen-Landtagsabgeordnete beruft sich darauf, „politisch nicht mehr aktiv“ zu sein – obwohl er daheim in Bietigheim-Bissingen als Chefredakteur eines CDU-Blättchens kräftig die schwarze Werbetrommel rührt. Seine Aussage, „was der Jacobi sagt, ist doch Schnee von gestern“, dürfte auf kommunaler Ebene registriert werden.

Tatsächlich aus der Politik zurückgezogen hat sich Adolf Allmendinger. Viele Jahre war der Eberdinger umweltpolitischer Sprecher der CDU im Kreistag, jetzt gibt er sich im parteiinternen Streit als Röttgen-Anhänger zu erkennen. Zwar redet auch Allmendinger von der „Brückentechnologie“ Kernkraft, doch die Mappus-Forderung nach deutlich längeren Laufzeiten hält er schon wegen der weiterhin ungelösten Endlager-Frage für überzogen. Er glaube auch nicht, dass die unpopulären Meiler für die Union nächstes Jahr im Landtagswahlkampf zum Schlager werden könnten, warnt Allmendinger die Landes-CDU davor, sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen.

Bekennender Atomkraftgegner mit christdemokratischem Parteibuch ist der Besigheimer Stadtrat Hansjörg Kollar. „Das Gerede von der Brückentechnologie“ hält der selbstständige Friseur für „unredlich“. Schon weil die Endlager-Frage ungelöst sei, bleibe „die rot-grüne Ausstiegsstrategie richtig“, sonst verlängerten sich mit den Reaktorlaufzeiten auch die der Atommüll-Zwischenlager an den Reaktorstandorten, verweist Kollar aufs nahe Neckarwestheim. Dass dort entgegen früherer Versprechungen überhaupt ein Zwischenlager entstand, habe ihn endgültig davon überzeugt, dass Atomkraftwerke nicht zu verantworten seien. „Darum können die ja auch nicht haftpflichtversichert werden.“

Stefan Mappus hält Kollar überdies vor, für sein Vorpreschen pro Kernkraft kein Mandat der Basis zu haben. Bevor er in der Atomfrage so forsch für die Partei spreche, solle Mappus deshalb erst mal eine Mitgliederbefragung einleiten. Dabei, glaubt Kollar, werde sich zeigen, dass es in der CDU weit mehr Atomkraftgegner gebe, als es dem Spitzenpersonal lieb wäre.

Steffen Pross