Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
Institutionelle Gewalt und langer Atem
Auf der heutigen Sitzung des Kreistages Lüchow-Dannenberg, zu der Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen als Gast geladen wurde, erteilten ausnahmslos alle Parlamentarier/innen der Gruppe X (SPD, Grüne, FDP, UWG und Grüne Liste Wendland) dem Dialog-Angebot Röttgens eine klare Absage. Gerügt wurde vor allem, dass Röttgen sowohl die Laufzeit der Atomkraftwerke und damit den Entsorgungsdruck erhöht habe und zugleich die Aufhebung des Gorleben-Moratoriums verfügt hatte. Damit sei ihm jede Redlichkeit abzusprechen, wenn er jetzt von einer nationalen Verantwortung bei der Lösung des Atommüllproblems rede. – Die Angebote des Ministers seien auch enttäuschend, denn eine Mitsprache bei der Auswahl von Gutachtern könne nicht heilen, dass seit der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens im Jahr 1977 alle formal-rechtlichen Mitsprachemöglichkeiten ausgehebelt wurden. Als Gastredner der Kreistagssitzung erklärte Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg:
„Bereits 1977 galt der Salzstock Gorleben aus Sicht der Landesregierung Niedersachsens und die Antragsteller für die Einlagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle als geeignet, im Mai 1979 war in einer Regierungserklärung Ernst Albrechts (MP – CDU) auch schon von hochradioaktiven Abfällen die Rede. Am 28. Juli 1977 beantragte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) gemäß § 9b Atomgesetz die „Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für ein Bergwerk von schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfällen“. Die PTB hatte also am Anfang durchaus vor, ihr Endlager formal rechtmäßig zu errichten. Beigefügt war ein Anlagenkonzept, daraus geht der Plan hervor, zunächst ein Bergwerk zur Einlagerung leicht- und mittelaktiver Abfälle zu genehmigen.
„Da ausreichende Standortdaten in Gorleben bisher nicht ermittelt werden konnten, werden diese Unterlagen keine standortspezifischen Angaben enthalten. Ich werde aber umgehend das Erforderliche veranlassen, um standortspezifische Daten nachreichen zu können…“
Stück für Stück, scheibchenweise sollte Gorleben realisiert und die Öffentlichkeit eingelullt werden, von Ergebnisoffenheit keine Spur.
Schließlich verkündete die PTB in ihrem Infoblatt aus dem Januar 1980, dass die Eignung des Salzstocks für schwach- und mittelaktive Abfälle erwiesen sei – von Ergebnisoffenheit keine Spur, die Festlegung auf Gorleben aber wird manifest.
Quelle: Der Gorleben-Komplex, Hrsg. Niedersächsisches Umweltministerium Januar 1996
Die PTB beantragt am 14.4.1982 den Rahmenbetriebsplan, der wird am 9.9. 1983 zugelassen. Das Ende der Erkundung sahen die Antragsteller für „voraussichtlich im Jahr 1992“ vor.
Quelle: R. Remo Klingner, Rechtsgutachten vom 8.9.2009, erstellt im Auftrag des BfS
Die Fortschreibung des veralteten Rahmenbetriebsplans, dessen „Lenkungswirkung“ laut Klingner-Gutachten verbraucht ist, durch Sie, Herr Minister, ist ein Affront – und eine Steilvorlage für eine erfolgreiche Klage. Dafür danke! Fortgeschrieben wird durch Sie auch der zutiefst undemokratische Ansatz, die formalrechtliche Mitwirkung zu verhindern. Das ist für uns ein Ausdruck institutioneller Gewalt!
Wir sind stolz darauf, dass wir dieser Gewalt, vielfacher und zum Teil völlig unverhältnismäßiger polizeilicher Gewalt bei den ungezählten Demonstrationen und Aktionen in den 34 Jahren Widerstandsgeschichte, dem Verhöhnen und den Beschimpfungen – Innenminister Kanther nannte uns „unappetitliches Pack“ – nicht mit Gewalt, sondern mit unserem Lachen begegnet sind.
1992 – Abschluss der Erkundung, so lautete die Prognose. Jetzt sind wir im Jahr 2011, für Sie, Herr Röttgen stehen wir am Anfang des Prozesses, nein, wir stehen am Ende des Prozesses. 34 Jahre lang schon führen wir einen zähen Kampf für eine strahlenfreie Zukunft und gegen Gorleben, um Transparenz, immer wollten wir die Wahrheit wissen, die unter Verschluss gehalten wurde. „Vertraulich“ steht auf den Papieren, die uns erst zugespielt wurden, die wir heute einsehen können, weil unser Engagement die 30 Jahre Geheimhaltungspflicht und Geheimtuerei dem Volk gegenüber überdauert haben.
Der lange Atem, Protest und Widerstand, Prozesse und Akteneinsicht und manch eine Indiskretion, Hinweise von „Geheimnisträgern“, die ein Gewissen zwackte, machten es möglich, Schritt für Schritt aufzudecken, bis hin zur Gewissheit, dass Gorleben von Anfang als Endlager geplant und ausgebaut werden sollte und dass mit jedem Erkundungsschritt in den 70er und zu Beginn der 80er Jahre wie auch in der Phase des Schachtabteufens die Zweifel an der Eignung wuchsen, bis hin zur Gewissheit, dass aus geologischer Sicht Gorleben ungeeignet ist.
Nun bieten Sie den Dialog. Herr Röttgen, es gibt nichts Richtiges im Falschen. Blockaden aber, das haben wir gelernt, bergen große Chancen – die der Umkehr. Die WAA wurde nicht gebaut, sie war nie entsorgungspolitisch von Interesse, sondern eine zivil – militärische Anlage. Der Schnelle Brüter in Kalkar ist ein Freizeitparadies, die Einlagerung der Castor-Behälter wurde über 10 Jahre verzögert, der ursprünglich geplante Ausbau des Atomprogramms gestoppt, der Siegeszug der Regenerativen wird nicht zu stoppen sein, und Gorleben wird nicht zu retten sein.
Deshalb reden wir, führen den Dialog mit den Kräften, die nach einem schwarz-gelben Zwischenspiel den Rückbau Gorlebens zu bewerkstelligen haben. Ihr Bemühen geht ins Leere, ein Wimpernschlag der Geschichte, denn w i r schreiben Geschichte. Gorleben wird leben! Atomkraft – Nein danke!“
Wolfgang Ehmke 0170 510 56 06
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