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Michael Sailer – Machbarkeitsfanatiker oder Realist?

Michael Sailer ist jetzt im Ruhestand – und macht gleich weiter mit einem Job bei der BGE. Er hat die Atommüllpolitik in Deutschland maßgeblich mit geprägt und zugleich durch seine Statements für viele Kontroversen gesorgt.

Der Dipl.-Ingenieur für technische Chemie gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Öko-Instituts und war ein wichtiger Berater und Impulsgeber der Anti-Atom-Bewegung. Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) erinnert sich gern an Zeiten, wo man gemeinsam auf Anti-Atom-Bundeskonferenzen auf harten Küchenböden in links-alternativen WG´s einen „Pennplatz“ fand und im Plenum um die richtige Strategie gegen die Nutzung der Atomkraft rang.

Mit den ersten rot-grünen Landesregierungen und schließlich mit Rot/Grün im Bund unter Gerhard Schöder und Jürgen Trittin übernahm das Ökoinstitut zunehmend Aufträge für Behörden und Politik und geriet mit einer wachsenden Zahl von Mitarbeitern mehr und mehr in Abhängigkeit von zahlungskräftigen Auftraggebern. So wechselte es die Seiten – vom Beratungsteam der Bewegung – hin zu einem begehrten gut bezahlten Dienstleister – und riss damit eine große Lücke: „Die Straße“ als Protestform reicht nicht, ohne Rechtsbeistand und wissenschaftliche Expertise stehen Bürgerinitiativen und Umweltverbände schlecht da.

Kritik an Castor-Protesten

Jürgen Trittin und Michael Sailer eckten mit ihrer Kritik an den Blockadeaktionen der Castor-Transporte aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage Cap de La Hague nach Gorleben an. Der Grünenpolitiker fand, es gehöre sich für Parteimitglieder nicht, gegen die Beschlüsse der eigenen Regierungspartei auf die Straße zu gehen.

Michael Sailer war 1999 Mitglied der Reaktorsicherheitskommission (RSK), 2002 bis 2006 übernahm er den Vorsitz. Seine Kritik war völlig anders motiviert, er bekämpfte die Plutoniumpolitik aufs Schärfste und hatte damit auch Erfolg: eine Wiederaufarbeitungsanlage in der BRD wurde aufs Eis gelegt – mit erheblichem Druck durch „die Straße“. Und die Plutoniumwirtschaft, die auch den Zugriff auf den Bombenstoff ermöglichte, wurde ausgebremst: Keine WAA, kein Schneller Brüter, Aufkündigung der Verträge zwischen deutschen Energieversorgern und Franzosen wie Engländern, flankiert von den Novellen des Atomgesetzes. Das war eine klare Linie.

Michael Sailer aber übersah, dass die Beweggründe, gegen die Castortransporte zu protestieren, vielfältig waren, in erster Linie wurde im Wendland „auf der Straße“ die Forderung laut, aus der Nutzung der Atomkraft auszusteigen und auf den untauglichen Salzstock Gorleben endlich aufzugeben. Die Gefahren, die von Transporten ausgehen, war das dritte Argument – und schließlich war es unverkennbar auch wieder Sailers Handschrift, kraftwerksnahe Zwischenlager zu errichten, statt die Castorbehälter ständig auf Reisen zu schicken.

„Machbarkeitswahn“ hinsichtlich des Endlagers in Gorleben

Was die Eignung des Salzstocks Gorleben angeht, mischte Sailer den Gorleben-Widerstand mächtig auf. Auf Einladung der Rechtshilfe Gorleben sollte Michael Sailer 2009 in Trebel einen Sachstandsbericht zum Stand der Endlagerdebatte geben. Daraus wurde eine Diskussion über „Machbarkeitswahn“ und die Kompetenz der Wissenschaft, langfristige Prognosen abgeben zu können.

Streitpunkt waren Äußerungen des Fachmanns in einer Broschüre des Öko-Instituts „Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in Deutschland“. Der erforderliche Kenntnisstand für die Errichtung eines Endlagers in Steinsalz durch die in den letzten 40 Jahren in Deutschland geleistete Forschungstätigkeit sei weitgehend erarbeitet, hieß es da. Auf Nachfragen in der Veranstaltung erklärte Sailer dann: „Ja, wir haben das notwendige Handwerkszeug, um an die Endlagerfrage heran zu gehen.“

Der zweite Reibepunkt war damals – wie heute – Michael Sailers klare Aussage, dass es für ihn „derzeit keine Gründe gibt, Gorleben aus einem vergleichenden Auswahlverfahren herauszuhalten“. Michael Sailer ließ sich nicht beeindrucken, für ihn war der Salzstock Gorleben aus wissenschaftlicher Sicht grundsätzlich geeignet, als Endlager zu dienen. Aber: „Ich will nicht die machbare Lösung realisieren, sondern die bestmögliche. Es muss mindestens ein halbes Dutzend zur Auswahl stehende Standorte geben, die auf ihre Eignung überprüft werden.“ Dazu gehören nach Sailers Ansicht auch Gebirgslagen aus Tongestein. Auf Nachfrage erläuterte er diesen Satz, dass sei kein Freifahrschein zur Realisierung des Endlagers Gorleben, sondern ein Verfahrensvorschlag. Trotzdem harter Tobak für die Gorleben-Gegner*innen, die eine lange Liste geologischer Mängel aufsagen können, die gegen die Eignung Gorlebens sprechen.

Sailer gehört auch zu denjenigen, die darauf drängen, die Endlagerungsfrage zügig anzugehen – auch auf die Gefahr hin, dass Eile vor Sorgfalt rangiert. Er hält die oberirdische Zwischenlagerung für ein großes Problem. Auch das zieht sich wie eine rote Linie durch seine Statements.

Im Rückblick zeigt sich, er hatte das Zeug, diese Linien konsequent zu verfolgen, und hat auch bei der Ausformulierung des Standortauswahlgesetzes (StandAG) seinen Standpunkt in das Gesetz unverkennbar hineinschreiben können – diesemal gegen den Druck „der Straße“: Gorleben flog bekanntlich nicht heraus beim „Neustart“ der Endlagersuche, nun kommt der Vergleich. Gut zu wissen, dass es mehrere „bestmögliche“ Standorte in der BRD gibt, „Gorleben ist nicht der beste Standort“, zitierte ihn schon 2012 die Hannoversche Allgemeine Zeitung.

Hier im Wendland wird nichts vergessen.

Wir werden ihn daran erinnern, falls wider Erwarten Gorleben durch das Suchverfahren geschleppt wird. Bereits im dritten Quartal, wenn der sog. „Vorhabensträger“, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), ihren Zwischenbericht vorlegt, aus dem dann klar hervorgeht, welche Regionen im Topf bleiben und welche herausfallen, kann man erfahren, ob sich Michael Sailer durchgesetzt hat. Wie auch immer die Entscheidung ausgeht.

Foto: wendlandnet / Angelika Blank

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Wolfgang Ehmke

Wolfgang ist langjähriger Pressesprecher der BI.