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„Er kannte die Prozesse in der Atomanlage besser als die Betreiber“
Martin Grant Forwood, Anti-Atom-Campaigner und Kenner der britischen Atomanlage Sellafield, starb Anfang Oktober. Forwood erhielt vor zwei Jahren für seine unermüdliche Arbeit zur Aufklärung über die Gefahren der Atomenergie den „Nuclear Free Future Award“.
Er habe die Wiederaufarbeitungprozesse in Englands größter Atomanlage am Ende besser gekannt als die Betreiber von Sellafield selbst, heißt es in Texten über den Anti-Atom-Aktivisten. Mit seiner beispiellosen Sammlung von Originaldokumenten über die Atomindustrie war er eine zuverlässigere Informationsquelle für Journalist*innen und Aktivisten*innen als der staatliche Betreiber. So war Forwood 30 Jahre lang „ein Dorn im Auge des Betreibers“.
Außerdem unternahm er viele kreative Protestaktionen, unter anderem kettete er sich 2003 an eine Eisenbahnlinie, um eine für Sellafield bestimmte Atommüllsendung aus Italien zu stoppen. Radioaktiven Schlamm, eingesammelt an der öffentlich zugänglichen Küste vor der Atomanlage, schickte er in einem mit Blei ausgekleideten Koffer an die italienische Botschaft in London. Die Umweltbehörde deklarierte den Schlamm als Atommüll, der schließlich in Sellafield auf der Atommüllhalde Drigg eingelagert werden musste.
Für ihre Aufklärungsarbeit als Aktivist*innen und Sprecher*innen der Organisation CORE (Cumbrians Opposed to a Radioactive Environment) erhielten Janine Allis-Smith und Martin Forwood vor zwei Jahren den „Nuclear Free Future Award“ (NFFA). Der NFFA ist der „wichtigste Anti-Atom-Preis der Welt“, er ehrt seit 1998 Menschen, die sich besonders für eine Zukunft frei von Atomkraft und Atomwaffen einsetzen.
„Mit Jahrzehnten von einzigartig schwierigen Stilllegungen und mit Neubauplänen in Moorside haben wir noch viel zu tun und werden den Herausforderungen mit der gleichen Entschlossenheit begegnen, die uns durch die vielen Hochs und Tiefs der letzten Jahre geführt hat“, kündigten die Preisträger*innen 2017 an.
Sellafield – Gorleben
In Sellafield warten noch 21 Behälter mit hochradioaktivem Atommüll, der bis 2005 aus deutschen Atomkraftwerken in die dortige Wiederaufarbietungsanlage geliefert wurde, auf die Rückführung. Geplant war, dass diese Behälter in das Zwischenlager Gorleben gebracht werden sollten. Mit dem „Neustart der Endlagersuche“ sind die Castortransporte nach Gorleben allerdings verboten worden. Nun sollen die 21 Behälter auf Standortzwischenlager auf den AKW-Geländen von Brokdorf, Biblis und Isar aufgeteilt werden. Mit dem ersten dieser drei Transporte ist in den nächsten Jahren zu rechnen.
„Auch wenn es nie zu den angekündigten Transporten aus Sellafield nach Gorleben gekommen ist, so waren Sellafield und Gorleben doch die Kehrseiten einer Medaille: Verbunden als Kristallisationspunkte im Kampf gegen die Atomenergie“, so beschreibt Mathias Edler, ehemaliger BI-Pressesprecher und später Greenpeace-Atomexperte unsere Beziehung zu Forwood, dessen Informationen wie technische Erklärungen der Wiederaufarbeitung hier sehr geschätzt wurden.
Martin starb am 6. Oktober im Alter von 79 Jahren an Krebs.