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Symbolbild Atommüll

„Nachtrag“ zur Stellungnahme Sicherheitsanforderungen

Bis zum 20. November ist es möglich, die „Sicherheitsanforderungen“ an ein Endlager für hochradioaktiven Müll zu kommentieren. Das Bundesumweltministerium ist nach wie vor aufgefordert, den dann überarbeiteten Entwurf im Umweltausschuss des deutschen Bundestages zu debattieren. An einer Rechtsexpertise zum Verordnungs-Entwurf wird im Auftrag der Rechtshilfe Gorleben und der Bürgerinitiative Umweltschutz noch gearbeitet. Folgender „Nachtrag“ wurde bereits nach Berlin geschickt.

In der Debatte um die Sicherheitsanforderungen an ein Endlager für hochradioaktiven Müll taucht u.a. die Überlegung auf, dass an dem gleichen Standort, also auch im gleichen einschlusswirksamen Gebirgsbereich, ein zweites, räumlich getrenntes Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle aufgefahren werden soll, wenn erhebliche Mengen dieser Abfälle, die nicht im Schacht Konrad gelagert werden dürfen, anfallen.

Wir hatten auf der Anhörung am 14./15.9.19 in Berlin uns deutlich für neues, vergleichendes Endlagersuchverfahren auch für schwach- und mittelaktive Abfälle ausgesprochen, um zu vermeiden, dass der bisherige Standort „Schacht Konrad“ tatsächlich als Abfalllager in Betrieb genommen wird: Eine Nachnutzung eines ausgedienten Bergwerks als Atommüllendlager würde heutzutage niemals genehmigt werden. Und wir haben diese Forderung erhoben, damit am Ende nicht drei Endlager in Betrieb gehen müssen.

Bis zu unserem „Auszug“ haben wir immer wieder nachgefragt, ob es sich bei diesen zu entsorgenden Abfällen um den zu hebenden Müll aus der Asse II und aus der Urananreicherungsanlage in Gronau handelt. Erst im Nachfassen wurde uns von MinDirg Peter Hart gesagt, es gebe ja den gesetzlichen Auftrag, den Müll aus der Asse II zu bergen. Zu Gronau, so erinnern wir uns, fiel kein Wort.

Das WDR-TV-Magazin Westpol berichtet nun, dass URENCO schon seit 2016 wieder abgereichertes Uranhexafluorid (UF6) aus Gronau nach Russland exportiert habe. Im August 2018 waren Vertreter*innen des Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, der IPPNW und von ICAN Deutschland von RWE zu einem Gespräch im RWE-Hauptquartier in Essen eingeladen. Mit am Tisch saß der Chef von Urenco Deutschland, Dr. Joachim Ohnemus. Weder Herr Ohnemus noch die RWE-Vertreter berichteten trotz Nachfragen über die neuen Russland-Verträge. Zwei Monate später fand im Oktober 2018 ein weiteres Gespräch im Bundesumweltministerium (BMU) in Bonn statt. Auch dort verschwiegen die Ministeriumsvertreter die neuen Russland-Geschäfte. Auch schriftlich gab das Ministerium im August 2018 und im September 2019 keinerlei brauchbare Auskunft auf konkrete Fragen zum Thema. Das berichten uns unseren politischen Freund*innen aus dem Münsterland.

Wir sehen uns getäuscht!

D.h. dass im Entwurf der Verordnung lediglich ein „Vorratslager“ auf dem Papier kreiert wurde, tatsächlich aber lässt die Urenco mit Ihrem Wissen den Müll als Wertstoff deklariert nach Russland verschwinden. Wir werden den Verdacht nicht los, dass insgeheim darauf gehofft wird, dass am Ende die Asse II absäuft, bevor der Müll geborgen wird, dann ist man das dritte Lager los.

Dazu sollten Sie unbedingt Stellung nehmen.

Aufgefallen sind uns noch weitere Ungereimtheiten und Fehler des Entwurfs. Es geht um die eine Million Jahre Sicherheit, die ständig Maßstab Ihres Handelns sein soll. Tatsächlich, so ist im StandAG (§ 24, Anlage 4) nachzulesen, gilt diese – ja wohl auch nur gegriffene Zahl – bei den Sicherheitsbetrachtungen als „weniger günstig“. „Günstig“ ist auf dem Hintergrund der Verfallszeiten der radioaktiven Abfälle, die Abfälle 10 Mio. Jahre sicher zu lagern, das heißt von der Biosphäre abzuschirmen.

In dem Punkt, dass neben möglichen Wasserwegsamkeiten der Gasdruck nicht betrachtet wurde, schließen wir uns der Stellungnahme des pensionierten Bergbauingenieurs und Morsleben-Veteranen Peter Klamser an. Er schrieb uns:

„Ein ganz großes Problem ist der Fluiddruck und / oder der Gasdruck (der im Verordnungsentwurf nicht erwähnt wird), durch die die radioaktiven Isotope aus dem Endlager ausgetrieben werden können.

Die Volumenverkleinerung durch den Gebirgsdruck (wird auch „Konvergenz“ genannt) erhöht sowohl den Gas- als auch den Fluiddruck. Im Endlager wird durch die folgenden Prozesse in allen Phasen neues Gas erzeugt:

  1. Alphastrahler sind Heliumquellen und erzeugen Gasdruck.
  2. Radioaktive Strahlung zersetzt wasserstoffhaltige Materialien unter der Freisetzung von Wasserstoff (Radiolyse) und erzeugen Gasdruck.
  3. Metalle (Castoren etc.) werden durch Wasser, vor allem saline Wässer (Wasser mit gelösten Salzen, wie sie in tiefen geologischen Formationen allgegenwärtig sind) korrodiert. Dabei entsteht Wasserstoff, der Gasdruck erzeugt.
  4. Bei der Korrosion bildet sich Rost, welcher ein größeres Volumen aufweist als das metallische Eisen, wodurch die Dilatanzfestigkeit überschritten werden kann.

Der Gasdruck verstärkt die Transportvorgänge und damit die Emissionen radioaktiver Isotope erheblich.

Der Gasdruck ist sogar bedeutender als der Fluiddruck: Durch die laufende Erzeugung neuen Gases (Wasserstoff aus Korrosion und Helium aus dem Alphazerfall) wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der petrostatische Druck (Gebirgsdruck) in der Nachbetriebsphase überschritten, was zu einem sicheren Versagen der Barrieren führen wird.

Wenn der Gasdruck größer als der petrostatische Druck wird, kann es sogar zum Fracking der Barrieren kommen, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem katastrophalen Austritt von radioaktiven Isotopen in sehr kurzer Zeit mit einer sehr hohen Strahlenbelastung für die betroffene Bevölkerung führen wird. Das ist neben einer Kritikalität der Super -GAU für ein Endlager mit hochradioaktiven Stoffen.

Der Gasdruck muss also in die Verordnung eingefügt und in den Sicherheitsnachweisen extra behandelt werden, da er ein sehr bedeutender treibender Faktor für die Emission radioaktiver Isotope ist.“

Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

  • Endlagersuche: Stellungnahme zu Sicherheitsanforderungen
    Welchen Stellenwert haben Kommentare? Wohin soll der Müll aus der Asse-II und aus Gronau? Was passiert nach 500 Jahren? „Vergessen und Verschwinden lassen“ heißt offenbar die Devise. Der Referentenentwurf zur Endlagersicherheitsanforderung-Verordnung wirft viele Fragen auf. Unsere Stellungnahme.
  • AG Schacht Konrad, 14.11.2019: Stellungnahme zum Referentenentwurf Verordnungen zu den Sicherheitsanforderungen für ein Endlager und für die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen

Stellungnahme am 14. und 15. September 2019 (ab Minute 25!)

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Wolfgang Ehmke

Wolfgang ist langjähriger Pressesprecher der BI.