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Das Gezerre um die Atomkraft geht in die letzte Runde

Das Gezerre um die Laufzeitverlängerung der verbliebenen drei Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim und Isar 2 geht weiter. Die Atomkraftwerke sollten bis zum 15. April 2023 weiterlaufen, so das „Basta“ des Bundeskanzlers Olaf Scholz, nicht als Notreserve, sondern wirklich weiterlaufen, bis die Brennelemente ausgelutscht sind. Ist der Drops dann gelutscht?Aus der FDP war zunächst zu hören, man würde nun die Füße stillhalten. Doch dann kam, was kommen musste: FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christan Lindner selbst erklärte seine Bereitschaft, einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen zuzustimmen, wenn die Dinger am Netz blieben. „Ich wäre sofort bereit, zu sagen: Wir machen in Deutschland ein Tempolimit, wenn die Kernkraftwerke länger laufen“, sagte der FDP-Chef in dem Podcast Lage der Nation vom 9. November 2022 (ab 1:02:16). Das gehört offensichtlich zu den gewöhnlichen Planspielen der Politik. Nur mit dem Strommarkt hätte ein solcher Deal wirklich nichts mehr zu tun, mal abgesehen davon, dass ein Tempolimit gut für´s Klima wäre…

Zu erwarten war also, dass mit dem Jahresbeginn 2023 die Atom-Debatte auch wieder Fahrt aufnimmt, die Unionsparteien, AFD, die Welt, der Focus, der Merkur füttern beständig das Thema, schüren Unsicherheiten, und die FDP muss entscheiden, ob sie eine verantwortbare Energiepolitik oder nur Effekthascherei will.

Das tut sie bisher auf ihre Weise: die FDP plädiert weiterhin für eine Laufzeitverlängerung. Das Präsidium der Partei hat Ende Januar 2023 ein Papier verabschiedet, mit dem sie eine Gesetzesinitiative ankündigt: “Technologieoffen in die Zukunft – Ein Technologiefreiheitsprinzip gesetzlich verankern”. Darin heißt es: “Kernfusion und Kernenergie der nächsten Generation” sollen “sicher und klimaneutral” vorangebracht werden.

Im Gespräch mit Harald Ebner, MdB Grüne, das wir gemeinsam mit dem BUND im Bundestag Ende November geführt hatten, warnte er uns gegenüber eindringlich, der Atomausstieg sei auch nach dem „Basta“ des Kanzlers kein Selbstläufer, es vergehe keine Rede des CDU-Chefs Merz, in der nicht der Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke gefordert wird: als notwendiger Beitrag zur Versorgungssicherheit und als Strompreisbremse.

Prompt plädiert die Partei in ihrer „Weimarer Erklärung“ Mitte Januar für eine Laufzeitverlängerung: „Wir brauchen gerade in der jetzigen Situation eine Politik, die alle verfügbaren Energiequellen an Netz bringt. Dazu gehört auf die Nutzung der noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke bis Ende 2024 und die vorurteilsfreie Prüfung des Baus neuer Kernkraftwerke der modernsten Generation.“ Gestern (9.02.) brachte sie einen entsprechenden Antrag in den Bundestag ein (20/5543).

Die Union entwickelt sich unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz zu einer „atomaren Geisterfahrerin“, ihre Energieexperten sollten Wirtschaftsnachrichten lesen: „In der gesamten europäischen Energieversorgung machen die gut vier Gigawatt Leistung der drei letzten deutschen Kernkraftwerke keinen Unterschied“, sagte kürzlich RWE-Chef Markus Krebber zum Atomausstieg in der ZEIT (09.02.2023).

Die Unionsparteien verkennen schlicht, dass die Atomkraft keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit leistet, sie negieren die Gefahren der Atommülllagerung und vollziehen eine Wende um 180 Grad. Täglich möchte man die Partei an ihre Aussagen nach der Fukushima-Katastrophe erinnern, als sie selbst die Atomkraft als Hochrisikotechnologie verdammte.

Der Nachweis, dass die drei Atomkraftwerke keinen Beitrag zur Energiekrise oder zur Absenkung der Strompreise leisten, steht oben an. Wolfgang Kiene, der Geschäftsführer von Maka Windkraft, hatte vorgerechnet, warum der Strom derzeit so teuer, aber nicht knapp ist, weil Gas der Preistreiber an der Strombörse ist: „Wir als Windkraftbetreiber sind an diese Börse gezwungen worden. Vom Gesetzgeber. Jetzt heißt es, wir bekommen zu viel für unseren Strom. Für den Monat August 2022 gab es rund 46 Cent für unsere Produktion an der Börse (…). Wenn der Strom wenigstens knapp wäre und wir liefern auf Angebot und Nachfrage für diesen Preis. Nein.
Aktuell: Heute ist Samstag, 17. September 2022. Unser Park könnte pro Stunde rund 8000 KWh produzieren. Er ist aber abgeregelt. Abgeregelt, weil an der Börse wieder spekuliert wird. Jetzt sollte uns das gar nicht stören. Wir bekommen nämlich den abgeregelten ,,Strom” voll vergütet. Zahlt ja der Kunde. Dem wird erzählt, der Strom sei knapp und er müsse sparen. In Wahrheit zahlt er den abgeschalteten und den dadurch verknappten Strom und weiß nicht, wie er das stemmen soll.“

Umweltverbände und Anti-AKW-Initiativen sind deshalb gut beraten, jetzt Flagge zu zeigen. Der Drops ist nicht gelutscht! Damit es am 15. April wirklich heißt „Atomkraft – Aus!“, gehen wir am 11. März auf die Straße. Start 10.30 Uhr am Gildehaus in Lüchow.

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Wolfgang Ehmke

Wolfgang ist langjähriger Pressesprecher der BI.