bi-blog

12 Jahre nach der Atomkatastrophe in Fukushima – Was haben wir daraus gelernt?

Vor 12 Jahren, am 11. März 2011, begann mit dem Tōhoku-Erdbeben die Atomkatastrophe von Fukushima. In vier der sechs Reaktorblöcke gab es extrem schwere Unfallabläufe, teilweise mit Kernschmelzen und ein massives Entweichen von Radioaktivität. Es war einer dieser typischen schweren Atomunfälle, ein Katastrophenablauf, mit dem die Betreiber im Vorfeld nicht gerechnet hatten.

Glück im Unglück war ein gnädiger Wind, der in den Anfangstagen die extreme Radioaktivität aufs Meer hinaustrug und nicht in die nahe Metropolregion Tokio mit ihren 37 Millionen Menschen.

Wenige Monate nach den Kernschmelzen in den Atomanlagen von Fukushima Daiichi trafen der Betreiber Tepco und die japanische Regierung die Vereinbarung, den geschmolzenen Kernbrennstoff binnen eines Jahrzehnts aus den zerstörten Meilern zu bergen, doch wie so viele Versprechungen des japanischen „atomaren Dorfes“ ist dies nicht geschehen. Erfolgreich war allerdings die verharmlosende Nach-Unfall-PR, die heute Krisenkommunikation genannt wird.

12 Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima sind die Entschädigungen für die tatsächlichen Opfer der Katastrophe minimal. Doch ein Gericht in Tokio ordnete die Zahlung von 13 Billionen Yen (94,6 Milliarden Euro) Schadensersatz für die Aktionäre des Atomkonzerns an. (Eine Milliarde sind tausend Millionen). Es gibt wenige Urteile, die besser die „Westlichen Werte“ aufzeigen, für die Japan und der Westen leider immer mehr stehen.

Die Atomunfälle von Fukushima und Tschernobyl kamen viele Millionen Jahre zu früh. In einer alten, bundesweit verteilten Broschüre der deutschen Atomkonzerne stand sinngemäß: „Wenn die Vormenschenaffen im Alt-Tertiär vor 50 Millionen Jahren 20 Kernkraftwerke gebaut und seither betrieben hätten, dann hätte man einen solchen Unfall mit Kernschmelze und Freisetzung von Radioaktivität vielleicht einmal registrieren können“. Die alten, falschen Versprechungen von der hundert Prozent sicheren Atomkraft aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts werden auch 2023 wieder gemacht und Ängste vor einem Blackout durch den Atomausstieg gezielt geschürt …

Die internationale Atomlobby war nach Fukushima und Tschernobyl für kurze Zeit ein wenig in Deckung gegangen. Aufgegeben hat sie ihr profitables Geschäft nicht. Das globale atomare Dorf, die alten mächtigen Seilschaften funktionieren immer noch. Die atomar-fossile Lobby lässt die zukunftsfähigen Energien und die Energiewende bekämpfen, denn Strom aus Wind und Sonne ist schon lange kostengünstiger als Strom aus neuen Kohle- und Atomkraftwerken.

In Deutschland kämpfen einflussreiche Lobbygruppen und Parteien immer noch mit Angstkampagnen gegen die Abschaltung der letzten AKW und auch neue, wieder einmal 100 % sichere Atomkraftwerke werden geschickt ins Gespräch gebracht.

Nur die Vor-Fukushima Durchsetzungsstrategien wurden geändert. Mit den makaber-erfolgreichen Strategien, mit denen die Gefahren des Klimawandels und von Asbest heruntergespielt wurden, werden jetzt die Folgen des Reaktorunfalls verharmlost. Es sind nicht so sehr die Betreiber-Konzerne der alten AKW noch die neuen Atom-Start-Ups mit ihren gefährlich-unreifen Reaktor-Konzepten, die Laufzeitverlängerung und neue AKW fordern, sondern scheinbar unabhängige Bürgerinitiativen und Tarnorganisationen wie die Nuclear Pride Coalition. Die alte Gefahrtechnologie Atomkraft soll nach dem Willen der Strategen im Hintergrund mit dem Klimaschutz-Argument grüngewaschen werden. So wie die Verantwortlichen des bisher letzten Weltkrieges auf Wunderwaffen setzten, so setzen die Verantwortlichen im aktuellen, erneut verloren gehenden Krieg gegen Klima und Natur auch auf die Wunderwaffe Atomkraft.

Wenn jetzt nach Fukushima „sonnenarme“ Länder wie Saudi-Arabien, Jordanien, Türkei, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate teure AKW bauen wollen, dann geht es nicht in erster Linie um Energie oder Klimaschutz, denn Strom aus Wind und Sonne ist schon lange günstiger als Strom aus neuen Atomkraftwerken. Es geht um Proliferation, um zukünftige „Atomkraftwaffen“ und Macht. Jedes neue Land, das über Atomkraftwaffen verfügt, erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges und des damit verbundenen atomaren Winters. So könnte die Atomkraft tatsächlich einen makabren Beitrag gegen den Klimawandel und zur globalen „Abkühlung“ leisten. Der Neubau von AKW und der weltweite AKW-Export (nicht nur in Spannungsgebiete) sind ein globales Selbstmordprogramm.

Was haben wir aus der Reaktorkatastrophe von Fukushima gelernt? Mit den Unfällen von Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima wurden wieder einmal die realen Gefahren dieser nicht menschengerechten Technologie aufgezeigt und der Ausstieg aus der gefährlichen und teuren Atomkraft eingeleitet. Und andererseits sind die alten atomaren Seilschaften mit geschickten neuen Durchsetzungsstrategien und atomarem Greenwash immer noch aktiv, um AKW-Gefahrzeitverlängerung und neue Atomanlagen durchzusetzen.

Der Kampf gegen Apokalypse-Blindheit, Klimakatastrophe, Artenausrottung, gegen die Wachstumsreligion und gegen globale Zerstörungsprozesse, der große Streit für eine umweltfreundliche Technik und eine menschengerechte Zukunft steht auch 12 Jahre nach Fukushima noch ganz am Anfang.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-) BUND-Geschäftsführer, Bauplatzbesetzer 1975 in Wyhl

Avatar-Foto

Axel Mayer

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein. Der Autor war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer und Bauplatzbesetzer in Wyhl.