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Was bleibt

Mal mutig nach vorne schauen: die letzten drei Atomkraftwerke in Lingen, Neckarwestheim und das Kraftwerk Isar 2 gehen am 15 April vom Netz. Doch es ist nicht auszuschließen, dass die Debatte um die Atomkraft nur verschoben wird und dann im Herbst wieder auflebt. Solange die Kraftwerke nicht zurückgebaut werden, bleibt es bei Ungewissheiten und Wachsamkeit ist gefragt.

Das gilt sogar für uns im Wendland. Es reicht ja eigentlich schon, dass in Gorleben in zwei Hallen Atommüll dauerhaft steht: 113 Castorbehälter in der einen, schwach- und mittelaktiver Abfall in der anderen. Nicht nur dass der Landkreis Lüchow-Dannenberg von vier Tongebieten berührt ist, die von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) als potentiell geeignet bei der Suche nach einer tiefengeologischen Atommülldeponie angesehen werden, auch der Rückbau des Bergwerks Gorleben kommt nicht voran, immer noch wird der einstige Favorit für ein Endlager offengehalten.

Die Ungewissheit gilt aber erst recht für die Menschen in Lingen und Gronau. Die dortigen Atomanlagen – die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen sind bekanntlich vom Atomausstieg ausgenommen. Jetzt erreicht uns Post aus Münster von den Freund:innen des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen und der Ini SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster. In dem Schreiben heißt es „Die Atomkraft bleibt uns leider auch in Deutschland nach dem 15. April erhalten – in der EU sowieso. Ganz aktuell tut sich dazu einiges an den deutschen Atomstandorten und in der EU – leider vieles negativ, mit großen Auswirkungen auf die Fähigkeit, die Erneuerbaren Energien im notwendigen Maße auszubauen.“

  1. Atomstandort Deutschland

Die Berliner Morgenpost brachte vor einigen Tagen eine überraschend umfassende Übersicht über die Zukunft der Atomindustrie in Deutschland nach dem 15. April – inkl. Blick auf die Urananreicherung Gronau, die Brennelementefertigung Lingen, Framatome Erlangen, Jülich und auch die Rosatom-Tochter Nukem. Der Artikel lohnt sich und sollte möglichst weiterverbreitet werden, da er viele bleibende Baustellen des Atomausstiegs klar benennt. Die sehr zu begrüßende Abschaltung der drei letzten AKW ist leider nur die eine Seite der atomaren Medaille:

https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article237969403/atomkraft-akw-branche-deutschland-ausland-wissen.html

  1. Atompakt Frankreich-Ungarn… Russland … Bayern

Was Framatome im bayrischen Erlangen so macht, zeigt der Besuch von Viktor Orbán in Paris bei Präsident Macron vor einigen Tagen – der neue ungarisch-französische Atompakt zum Bau des Rosatom-AKW in Paks an der Donau wird in großen Teilen technisch von Framatome in Bayern umgesetzt – in Zusammenarbeit mit Siemens Energy:

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/viktor-orban-in-paris-atompakt-zwischen-frankreich-und-ungarn-18747947.html

Frankreich arbeitet weiter eng mit dem Kreml zusammen im Atomsektor. Dazu eine neue Studie von Greenpeace Frankreich, die im Gegensatz zu Greenpeace Deutschland sehr aktiv sind zu den Atomdeals zwischen Framatome und Rosatom:

https://www.lemonde.fr/en/energies/article/2023/03/12/french-nuclear-industry-maintains-links-with-russian-giant-rosatom_6019019_98.html

https://www.greenpeace.fr/espace-presse/nucleaire-rosatom-livre-une-importante-cargaison-duranium-enrichi-a-la-france/

  1. Urenco steigt aus Modulreaktoren aus, aber erweitert UAA Almelo

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Urenco steigt offensichtlich aus dem Bau von Modulreaktoren aus – nicht genügend kommerzielle Investoren am Horizont! Wir haben schon lange auf den Hauptversammlungen von RWE und E.ON gegen die Modulreaktorpläne protestiert – nun passiert es endlich! Das ist ein schwerer Rückschlag für Urenco, weil der Ausstieg auch bedeutet, dass die bislang total heiße britische Regierung ihre Unterstützung für das Modulreaktoren-Projekt entzogen hat:

https://world-nuclear-news.org/Articles/Urenco-exits-U-Battery-micro-reactor-project

Aber natürlich kein Licht bei Urenco ohne neuen Schatten: Urenco will die Urananreicherungsanlage in Almelo ausbauen. Die hoffen wohl auf neue Kunden in Osteuropa, die von Rosatom zu Urenco switchen wollen. Dazu gibt es bis zum 26. April (kein Scherz – das ist der Tschernobyl-Tag) Einspruchsmöglichkeiten in Almelo. Dazu demnächst mehr, die Nachricht ist noch ganz frisch.

  1. Laufzeitverlängerung für Tihange 1, Doel 1 + 2?

Ganz frisch kommt auch die beunruhigende Nachricht, dass die belgische Regierung evtl. im Hauruckverfahren die für 2025 vorgesehene Abschaltung der drei sehr störanfälligen Uralt-Reaktoren Tihange 1 sowie Doel 1 + 2 aushebeln will – das wäre eine Katastrophe und zeigt dramatisch, was passiert, wenn mensch den Ausbau der Erneuerbaren verschlampt, weil mensch sich ganz auf Atom verlässt.

  1. Scientists for Future: „kein ökologisches Uran“

Eine ausführliche und sehr gute Studie von Scientists for Future behandelt die Umweltschädlichkeit des Uranabbaus – sehr lesenswert – es gibt eben keine „grüne“ oder „nachhaltige“ Atomkraft. Uranabbau zerstört die Umwelt und die Gesundheit rund um den Globus:

https://de.scientists4future.org/kein-gruenes-und-kein-oekologisches-uran/

  1. EU will Atomkraft pushen

Und wenn ihr euch fragt, warum so wenig Geld in die Erneuerbaren fließt, hier ist einer der Gründe: Die EU will gemäß ihrer neuen Taxonomie auch Atomkraft massiv finanziell fördern:

https://taz.de/Vorstoss-der-EU-Kommission/!5918871/

Da geht es um richtig viel Kohle: Allein Frankreich braucht ca. 100 Mrd. Euro zur Sanierung der existierenden AKW, zudem mindestens weitere 100 Mrd. zum Bau der geplanten sechs neuen Reaktoren. Polen möchte nun trotz des Ukraine-Kriegs nebenan auch drei Reaktoren bauen – Kostenpunkt 50-60 Mrd. Euro. Ungarn braucht 30-40 Mrd. für den Bau des Rosatom-AKW Paks (2 Blöcke). Auch andere osteuropäische Länder wollen gerne weitere AKW. Der franz. EU-Kommissar Thiery Breton schätzte schon vor zwei Jahren einen Finanzbedarf von 500 Mrd. Euro allein für den Neubau von AKW.

Diese gewaltige Summe muss irgendwo herkommen. Privatwirtschaftlich läuft da wenig, also soll die EU-Kasse geplündert werden. Es ist abzusehen, dass die Atomländer Frankreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und nun auch der Kandidat Polen ihr ganzes Geld in Atomprojekte stecken wollen – und dafür die EU massiv anzapfen werden.

Und das Geld fehlt dann für den Ausbau der Erneuerbaren. Die verrückten Atompläne verhindern also in vielen Ländern die Energiewende auf Jahrzehnte. Das geht uns alle an. Aber auch Deutschland ist kein Vorbild: Milliarden werden hier z. B. in die umweltschädlichen LNG-Terminals gesteckt für Uniper, RWE & Co. – weg ist weg.

Und noch was: Selbst wenn all diese derzeit angekündigten AKW tatsächlich gebaut werden, decken sie nur einen kleinen Teil des Strombedarfs ab – und „der Rest“ wird dann eben weiter fossil über Kohle und Gas abgedeckt werden, weil die Erneuerbaren verhindert werden. Das wird von den „technologieoffenen“ Atomfreaks natürlich gerne verschwiegen. Von daher sind Atom, Kohle und Gas weiter „gute Freund:innen“. Wir müssen dieses nuklear-fossile Bollwerk aufbrechen – und zwar bei allen drei Energieträgern, sonst läuft uns die Energiewende in der EU davon.

Es bleibt also noch sehr viel zu tun – deshalb:

  1. April, 13 Uhr: Ostermarsch Gronau ab Bhf. Gronau zur UAA. Alle Infos: https://ostermarsch-gronau.de
  2. April, 13 Uhr: Kundgebung gegen die Brennelementefabrik Lingen, dann Demo zum AKW und die Abschaltung eintüten. Alle Infos: https://atomstadt-lingen.de/aktuelles

Atomfreie Klimagrüße

SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster, Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen

www.sofa-ms.de, www.urantransport.de

 

 

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Wolfgang Ehmke

Wolfgang ist langjähriger Pressesprecher der BI.