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Endlagersuche, Langzeitlagerung und ablaufende Genehmigungen

Ein Schwerpunkt auf der BI- Mitgliederversammlung (MV) am 10. März war die Debatte um die verlängerte Zwischenlagerung. Warum?

Seit klar ist, dass sich die Endlagersuche deutlich länger dauert als bei der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes angenommen, wird man nicht mehr von einer Zwischenlagerung reden können. Wie steuern auf eine Langzeitlagerung zu. Es geht um weitere 100 Jahre, bis die 16 Zwischenlager mit hochradioaktiven Abfällen, die es in Deutschland gibt, geräumt werden können. Aber die Genehmigung für Gorleben läuft 2034 aus, für Ahaus zwei Jahre später. Wir müssen uns folglich jetzt schon darum kümmern, zumal das Genehmigungsverfahren in zwei Jahren anläuft.

Eine Forderung auf der MV war, wenn ich das richtig verstanden habe, weg damit. Abtransport. Gute Idee?

Diesen Wunsch kann ja jeder nachvollziehen. Dem haben wir aber deutlich widersprochen. Martin Donat, unser BI-Vorsitzender, hat an die Grundposition in der Anti-AKW-Bewegung erinnert, die lautet „Nichts rein – nichts raus!“. Die Castorbehälter sollten nur noch ein einziges Mal bewegt werden, nämlich, wenn der feststeht, hin zu dem Endlagerstandort. Alles andere wäre riskant. Kurz: Wir vertreten nicht die Position „not in my backyard“.

Vor einer Einlagerung des Strahlenmülls müssen die Abfälle ja auch noch einmal konditioniert werden, also endlagerfähig und -fertig verpackt werden.

Richtig. Das kommt noch hinzu. Die Art der Verpackung hängt auch vom Wirtsgestein ab. Also Ton, Salz, Granit. Das ist alles noch offen. Es sei denn, man will die Castorbehälter, die eigentlich nur Transport- und Lagerbehälter sind, auch als Endlagerbehälter zulassen. Aber das wäre ein Hammer, weil dann ganz viel korrodierendes Metall mit eingelagert wird und die Gasentwicklung bei einer tiefengeologischen Lagerung ein Riesenproblem würde…

Bleiben wir mal oben. Da lagern 1.900 Behälter in oberirdischen Hallen. Worin besteht das Problem?

Ich persönlich sehe die größten Probleme darin, dass diese Hallen keinen wirklichen Schutz bieten gegen Flugzeugabsturz, Drohnen, Beschuss. Denkbar sind auch Sabotage, Geiselnahme, Erpressung, Cyberangriffe. Im Fachjargon heißt dieser Komplex „Sonstige Einwirkungen Dritter“ (SEWD). Im Kriegsfall kann man diese Hallen ohnehin nicht schützen. Die Betreibergesellschaft BGZ redet sich dann heraus, das sei nicht ihr Revier, das sei Sache der Landesverteidigung.

Die BGZ behauptet doch, dass die Hallen eigentlich nur den Zugang zu den Behältern versperren, dass die Castorbehälter möglichen „Einwirkungen“ wie Flugzeugabsturz standhalten. Außerdem soll doch in Gorleben auch eine zusätzliche Mauer um die Halle gezogen werden. Reicht das nicht?

Langsam. Schritt für Schritt. Wenn es so wäre, dann lässt sich nicht erklären, dass die Zwischenlager, die zeitlich nach Ahaus und Gorleben errichtet wurden, deutlich dickere Wandstärken haben. Man unterscheidet das WTI- Konzept, da kommt man immerhin schon auf 70 bis 85 Zentimeter Wandstärke, und das STEAG-Konzept, da sind es schon 120 Zentimeter. In Gorleben und Ahaus sind es 50 Zentimeter auf 20 Zentimeter konisch zulaufend, die Decke ist nur 20 Zentimeter stark.

Deshalb heißt die Halle im Anti-Atom-Volxmund auch „Kartoffelscheune“. Zum Vergleich: in Lubmin an der Ostsee wird eine Castorhalle neu gebaut, da beträgt die Wandstärke 160 Zentimeter rundherum. Das wäre unsere Zielmarke. Dazu kommt, dass sogar bei sieben der robusteren Lager diese zusätzliche Wand hochgezogen wurde. Die Wand in Gorleben und Ahaus ist ein Witz. Zehn Meter hoch. Die Halle ist 20 Meter hoch. Nach oben alles offen. Die BGZ spricht auch nur davon, dass diese Wand ein Schutz gegen Nahkampf wäre, also das Eindringen in die Halle verhindern soll.

Was folgt daraus? Die Forderung nach einer Verbunkerung? Das hast du doch wiederholt gesagt.

Ja. Nein, da musste ich mich auf der MV korrigieren. Unter Verbunkerung versteht man eine unterirdische, oberflächennahe Lagerung. Ich halte das eigentlich für richtig, aber nicht für politisch durchsetzbar. Selbst das, was geboten ist, ist letztlich schwer durchzusetzen: die Hallen in Gorleben und Ahaus müssten eingehaust werden, das Sauberste wären halt Neubauten.

Und wer soll das denn bezahlen. Der KENFO-Topf, in den die alten AKW-Betreiberfirmen 24 Mrd. Euro eingezahlt haben, gibt das doch gar nicht her. Endlagersuche, Langzeitlagerung der Castoren und übrigens ja auch aller anderen Arten von Atommüll, Schacht KONRAD ja oder nein, am besten nein… wie soll das gehen?

Wenn es um die Forderung Neubau geht, dann zielt die auf die beiden Lager der ersten Generation, also Gorleben und Ahaus. Da ist meines Erachtens unausweichlich. Alles andere wäre ein Tanz auf dem Vulkan. Oder ein Spiel mit dem atomaren Feuer. Ach egal, die Bilder stimmen alle nicht so richtig, aber die Forderung stimmt. Eine Sofortmaßnahme wäre in jedem Fall ein Überflugverbot. Das gibt es an allen anderen Zwischenlagern, weil das auch AKW-Plätze waren bzw. sind. Nur nicht in Ahaus und Gorleben. Dass ein Neubau möglich ist, zeigt das Beispiel Lubmin/Greifswald. Interessant: das ist kein BGZ-Projekt, da sind die Energiewerke Nord zuständig.

Und dann ist die Welt in Ordnung? Auf der MV gab es doch auch Kritik daran, dass du dieses Thema in den Vordergrund stellst.

Richtig. Ich bin da erklärtermaßen einseitig, weil ich das Thema „Sicherung der Anlage“ mit Blick auf die anstehende Neugenehmigung für sehr bedeutsam halte.

Geht es um die Sicherheit der Anlage, dann spielen natürlich ganz andere Aspekte eine große Rolle, die habe ich zwar nicht vergessen, aber da passiert schon mehr. Die BGZ muss ja nachweisen, dass es in den Behältern mit abgebrannten Brennelementen keine Kettenreaktion gibt, dass keine Radioaktivität austritt, dass es ein Reparaturkonzept gibt. Die BGZ hat dazu ein Forschungsprogramm aufgelegt.

Unsere Kritik am BGZ-Forschungsprogramm ist: die wollen nur nachweisen, dass in Gorleben und Ahaus und später an allen anderen Standorten, die sukzessive die Genehmigung verlieren, alles so bleiben kann wie bisher. Unsere Fachgruppe Radioaktivität hat dazu einen Forderungskatalog erarbeitet. Da geht es um die Überwachung der einzelnen Behälter – man kann sich das ein wenig wie Fiebermessen vorstellen. Es reicht nicht, die Deckeldichtungen im Blick zu haben. Die große Frage ist, was passiert bei einer so langen Lagerzeit im Innern den Behälter. Und sind die Behälter dann überhaupt noch transportfähig?

Gretchenfrage: Muss man die Behälter nicht auch öffnen, Proben nehmen, um zu sehen, ob Hüllrohre zerbröselt sind? Oder bei den Kokillen, ob das Glas versprödet ist?

Ich fand das anfangs richtig, aber musste mich korrigieren. Wolfgang Kallen von unserer Fachgruppe Radioaktivität meint ganz richtig: Was hat man davon? Und Falko Berkemeier sagte in der Diskussion dazu: „Ich teile seine Auffassung: Nicht aufmachen und reingucken! Macht man bei rohen Eiern auch nicht alle zwei Tage, um zu prüfen, ob sie noch gut sind, um dann festzustellen, dass sie a) nicht mehr ins Eierfach des Kühlschranks passen und b) jetzt erst recht schlecht werden.“ Ja vielleicht ist das Bild auch nicht ganz angemessen, weil es um hochradioaktive Stoffe geht.

Ich weiß, dass einer unserer wissenschaftlichen Berater, Wolfgang Neumann von der Gruppe Ökologie Hannover, das Öffnen favorisierte. Vielleicht muss man in einigen Jahrzehnten, wenn es um die Konditionierung der Abfälle geht, das Thema noch einmal ganz neu anfassen. Ich meine – die Behälter anfassen.

Und wo sollte das Öffnen passieren? Dazu müssten sie in eine Wiederaufarbeitungsanlage transportiert werden. Oder in die PKA?

Muss die Frage sein? Die Pilotkonditionierungsanlage gleich nebenan war für das Umverpacken des Atommülls gedacht, mit Blick auf das Endlager im Salzstock, 500 Meter entfernt. Die Anlage entfällt, weil der Zweck entfällt und weil sie sicherheitstechnisch dazu gar nicht mehr für derartige Experimente geeignet ist. Darüber haben wir auf der MV auch gesprochen und ich könnte nun aus den alten und zum Teil gar nicht so alten Expertisen zitieren…

Bitte nicht. Die BGZ will die Anlage ja abreißen. Was habt ihr noch beredet?

Wir wollen, dass die Standortregionen bei der Debatte um die Langzeitlagerung eine Stimme haben, wir wollen einen Begleitprozess, Kommunen, Umweltinitiativen und Verbände, Bürgerinnen und Bürger müssen sich einbringen können. Die BGZ rühmt sich ihres „Standort-Dialogs“. Aber die Informationsveranstaltungen sind eben nur Informationsveranstaltungen, Beteiligung heißt Mitsprache, zum Beispiel wenn es um das BGZ-Forschungsprogramm geht.

Aus der Zivilgesellschaft kamen in der Vergangenheit immer wieder, ich will nicht sagen die besten, aber wertvolle Vorschläge, wenn es um Sicherheitsdefizite der Behälter und ihrer Lagerung ging.

Die Zeit läuft…

Ja, das wissen wir. Nicht unbedingt für uns. Wenn alles nichts nützt, wenn wir jetzt nicht gehört werden, müssen wir uns Gehör verschaffen, wie in alten Zeiten. Vor den Toren der Zwischenlager zuallererst. Und Geld zurücklegen für Klagen. Im Moment geht es auch darum, die politischen Entscheider zu erreichen. Die sitzen in Berlin.

Andreas Conradt stellte die Fragen, Wolfgang Ehmke gab die Antworten.

 

 

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Wolfgang Ehmke

Wolfgang ist langjähriger Pressesprecher der BI.