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Endlagersuche in der Schweiz
Die Schweiz gilt als vorbildlich, wenn es um die Endlagersuche geht. Da lohnt es, ein wenig genauer hinzuschauen. Die Alpenrepublik will das Endlager für Atommüll an der Grenze zu Deutschland im Gebiet „Nördlich Lägern“, wenige Kilometer südlich der deutschen Gemeinde Hohentengen bauen. Die Schweizer Behörden werden in dieser Woche über den geplanten Bau des Endlagers im Kanton Zürich informieren. Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), die als Bauherrin fungiert, will beim Bundesamt für Energie (BFE) die Rahmenbewilligungsgesuche für das geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle einreichen. Zugleich beantragt die Nagra die Rahmenbewilligung für den Bau einer „Brennelementverpackungsanlage“, die grenznah im aargauischen Würenlingen das atomare Risiko erhöhen wird.
Die Standortauswahl für den besten aller schlechten Standorte eines atomaren Endlagers in der Schweiz spricht für eine gewisse Verzweiflung der Schweizer AKW-Betreiber und der Nagra und verheißt nichts Gutes. Atommüll, der eine Million Jahre sicher verwahrt werden muss, braucht eine gute Geologie und nicht gute Worthülsen.
- Die Opalinustonschichten im Gebiet „Nördlich Lägern“ sind im internationalen Vergleich sehr dünn, auch wenn die Nagra gerne die darüber und darunter liegenden tonhaltigen Schichten dazurechnet.
- Am wichtigsten aber: „Der Standort „Nördlich Lägern“ liegt über einem Permo-Karbon-Trog, dessen Bedeutung bisher nicht sauber abgeklärt wurde. Findet man tatsächlich Erdgas in diesem Trog, dürften die Tage eines Endlagers in diesen Gebieten gezählt sein“, sagt der unabhängige Experte Marcos Buser.
- Der Beitrag: „Ressourcenkonflikte 3: Kohle und Gas im Permo-Karbon-Trog der Nordostschweiz“ zeigt die massiven geologischen Probleme deutlich auf.
- Die beiden Schweizer Geologen Walter Wildi und Marcos Buser verweisen auch auf die Grundwasserprobleme innerhalb des Dreiecks der genutzten Thermalquellen von Baden/Ennetbaden, Zurzach und Eglisau.
- Den Auswahlkriterien für ein atomares Endlager in Deutschland dürfte der Standort „Nördlich Lägern“ nicht genügen.
- Hier braucht es weitere Untersuchungen und eine intensive, unabhängige, wissenschaftliche Analyse.
Für den Standort gibt es allerdings auch einige „Argumente“:
- Im Gebiet „Nördlich Lägern“ rechnet die Schweizer Atomlobby und die NAGRA mit einem geringeren innerschweizer Widerstand als beispielsweise im Weinland.
- Ein grenznäherer Standort war schwer findbar und die Beteiligung der direkt betroffenen deutschen AnliegerInnen war und ist die mächtig aufgeblasene Illusion von Beteiligung. Was würden die Menschen in der Schweiz sagen, wenn Deutschland seine gesamten atomaren Hochrisiko-Anlagen im Grenzgebiet konzentrieren würde?
- Ein Teil der Regional- und Kommunalpolitik auf beiden Rheinseiten schaut leider weniger auf die Sicherheit als auf den zu erwartenden großen Geldsegen aus dem Geldsäckel der Atomindustrie. Es ist erschreckend, wie in Demokratien das lang geübte Prinzip der atomaren Käuflichkeit auch von den Medien als Selbstverständlichkeit hingenommen wird.
- Der Schweizer Franken scheint für die Politik die optimale Endlagerformation zu sein. 800 Millionen Schweizer Franken und atomare Käuflichkeit schützt zwar nicht die nächsten 33.000 Generationen, passen aber gut in unsere verantwortungslose Zeit der Umweltzerstörung und der Gier.
Der extrem grenznahe Standort entspricht einem alten europäischen Prinzip: Nationale Vorteile werden genossen – Risiken aber international verteilt. Wir Deutschen haben mit unseren politisch gewählten Atommüll-Standorten Gorleben/Morsleben, beide an der ehemals innerdeutschen Grenze, sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Plutonium hat eine längere Halbwertszeit als Nationalstaaten.
Bei einem Endlager, das Sicherheit für eine Million Jahre geben soll, muss die Geologie im Vordergrund stehen und nicht die, auch mit 800 Millionen Schweizer Franken erkaufte, politische Durchsetzbarkeit.
Die wichtigen offenen Fragen und berechtigten Zweifel im Bereich der Geologie beim Standort „Nördlich Lägern“ müssen jetzt kritisch und vor allem unabhängig und neutral geprüft werden. Hier steht auch das Land Baden-Württemberg in Verantwortung.
Eventuell könnte in den geologischen Formationen der Schweiz schwach- und mittelradioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeleistung und vorwiegend kurzlebigen radioaktiven Stoffen mit kurzer Halbwertszeit endgelagert werden. Es wachsen allerdings die Zweifel, ob die Schweiz in der Lage ist, den langlebig-hochradioaktiven Müll im eigenen Land für eine Million Jahre sicher zu lagern.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Der Autor war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer und ist Mitglied im Vorstand des Trinationalen Atomschutzverbandes TRAS)
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