Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

Merkel lässt lesen, Riesenhuber leugnet – BI Umweltschutz appelliert an die Energiewirtschaft, keinen Cent mehr in Gorleben zu investieren

„Das Missing-Link, der Beleg für die Einflussnahme der Kohl-Regierung auf die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), ist da. Bisher waren wir auf den philologischen Vergleich der unterschiedlichen Fassungen jener Expertise angewiesen, die in der Fachbehörde des Bundes 1983 dreimal umgeschrieben wurden, um die flagranten Sicherheitsdefizite des Salzstocks Gorleben als nukleares Endlager zu vertuschen“. Der Bericht fasste die Ergebnisse von Tiefbohrungen aus der Erkundungsphase des Salzstocks Gorleben zusammen. Die PTB warnte, sollte in Gorleben hochradioaktive Abfälle eingelagert werden, könnten bereits nach 600 bzw. 1170 Jahren kontaminierte Wässer die Oberfläche erreichen. Die Fachbehörde schlug zunächst vor, andere Standorte zu untersuchen, das wurde jedoch nach Intervention aus Bonn aus dem Bericht gestrichen. Am 13.07.83 stimmt das Bundeskabinett der sogenannten „untertägigen Erkundung“, also dem Bau des Endlagerbergwerks zu. Statt eines Eignungsverfahrens reichte der Politik der Fabelbegriff „Eignungshöffigkeit“ für die Milliarden schwere Investition.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die Ende August nach Akteneinsicht im Bundesamt für Strahlenschutz den Stein ins Rollen brachte, widerspricht vor allem dem ehemaligen Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU). Riesenhuber hatte auf die Veröffentlichung eines Telefaxes aus dem Forschungsministerium vom 13.05.83 an die Adresse der PTB in einer Presseerklärung jede Verantwortung von sich gewiesen und geleugnet, dass auf die PTB Druck ausgeübt wurde. Das Telefax, das der BI ebenfalls vorliegt, belegt hingegen das Gegenteil. Als Zeitzeuge hatte der damalige PTB-Abteilungsleiter Röthemeyer schon 1985 presseöffentlich erklärt, dass dem Amt seitens der Kohlregierung ein Maulkorb verpasst wurde (Frankfurter Rundschau 25.7.85). Im April hatte er im Gespräch mit der Berliner Tageszeitung weitere Details geliefert: Zu einem Treffen mit den Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover, auf dem der Sachverhalt und die Empfehlung, die Standortsuche zu erweitern, besprochen werden sollten, erschienen unerwartet aber auch Vertreter des Bundeskanzleramtes und der Bonner Ministerien für Forschung und Technologie und des Inneren – ein Bundesumweltministerium existierte vor dem Reaktorbrand in Tschernobyl nicht. Die Ministeriumsvertreter forderten die Physikalisch-Technische Bundesanstalt zur Änderung ihres Gutachtens auf. „Es gab nichts Schriftliches, keine schriftliche Weisung, aber wir mussten das Gespräch klar als Weisung auffassen“, sagt Röthemeyer (TAZ 18.4.09).

Interessant ist vor diesem Hintergrund vor allem die Eingangszeile des Telex mit dem Bezug zur Besprechung in der BGR am 11.5.1983. „Das ist genau die Besprechung, bei der laut Röthemeyer uneingeladen die Vertreter des Bundeskanzleramtes und der beiden Ministerien erschienen“, erläutert die BI. „Riesenhuber leugnet, was nicht mehr zu leugnen ist, und die Bundeskanzlerin lässt lesen, das ist nur noch peinlich“, kommentiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke die Haltung der CDU-Politiker. Angela Merkel hatte als Reaktion eine Prüfung der Akten zugesagt.

Die Gorleben-Gegner appellieren unterdessen an die Energiewirtschaft, „keinen müden Cent“ mehr für Gorleben auszugeben. Die Atomruine Gorleben wurde zu 90 Prozent von der Energiewirtschaft finanziert. Grundlage ist die Endlagervorausleistungsverordnung. Nach dem Atomgesetz ist der Bund zuständig für die Suche und Errichtung eines Endlagers, bittet aber die Atomstromproduzenten anders als bei der Asse und in Morsleben zur Kasse. „25 Jahre lang wurde die Öffentlichkeit getäuscht. Eine rein politisch motivierte Standortwahl, geschönte Gutachten nach Auswertung des Tiefbohrprogramms, ohne atomrechtliches Genehmigungsverfahren wurde das Bergwerk in Teilen schon als Atommülllager ausgebaut, nun steht das Projekt vor dem Aus – der klare Verzicht auf Gorleben dient der pekuniären Schadensbegrenzung.“

Wolfgang Ehmke – Tel. 0170 / 510 56 06

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