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10/2009: bringt bagger!

Hilfe!

Was nach über 40 Jahren Auseinandersetzung um ein Atommüllendlager im Salzstock Gorleben-Rambow zurückbleibt, sind Frust und Enttäuschung bei denjenigen, die Hoffnungen in Gorleben gesetzt haben auf der einen Seite, die Bergleute und ihre Familien.

Das lässt sich bestimmt nicht mit dem Hinweis abtun, dass das Bergwerk in Gorleben ein „Erkundungsbergwerk“ sein sollte und nun die Erkundung beendet ist.

Enttäuschung gibt es auch bei den vielen Gegner*innen des Gorleben-Projekts auf der anderen Seite über die fehlende Bereitschaft, das Endlagerprojekt endgültig zu beenden, einen Schlussstrich zu ziehen. Stattdessen geht es weiter mit einem Stand-By-Betrieb in Gorleben, einem fertigen Bergwerk – und diese fehlende Fairness bei der Endlagersuche gepaart mit einer Aktenlage pro Gorleben ist eine schwere Hypothek, zumal die Ausschlusskriterien bei der Endlagersuche so zugeschnitten wurden, dass Gorleben weiter als Notnagel, für den Fall des Scheiterns an anderer Stelle, fortgeschleppt werden kann.

Der Rückbau der oberirdischen Anlagenteile ist kein Tag des Triumpfes. Für uns ist das kein Etappensieg. Es markiert nur eine von vielen Etappen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die Frage, was tun mit dem Atommüll.

Wir stellen zugleich fest, dass es keine Pläne gibt, nach über 40 Jahren Gorleben in der Region zugleich zukunftsorientiert zu handeln, es fehlt jegliche Wiedergutmachung.

Staatliche Hilfe für den Umbau der Energiewirtschaft fließt ab sofort in die vom Kohleausstieg betroffenen Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Ein Sofortprogramm von 1,5 Mrd. Euro ist bis 2021 fest in den Bundeshaushalt eingeplant. Nach Presseberichten könnten für die nächsten 20 Jahre, bis zur Abschaltung der Kohlekraftwerke im Jahr 2035, bis zu 40 Mrd. Euro in Verkehrsprojekte, Energieforschung und die Ansiedlung von Betrieben in den Kohlegebieten fließen.

So etwas gab es auch an anderer Stelle, in Wackersdorf, einem weiteren Brennpunkt der Energiewirtschaft. Der anhaltend heftige Widerstand sowie eine veränderte politische wie wirtschaftliche Lage führten dazu, dass die Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung (DWK) im Mai 1989 den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf aufgab. Die Atomkonzerne beschlossen, künftig im französischen La Hague die Brennstäbe aus deutschen Atomkraftwerken aufarbeiten zu lassen, dies sei deutlich billiger – und ist heute Geschichte.

Kleine Bemerkung am Rande: der DWK gehört übrigens bis heute das Gelände, auf dem und unter dem das Endlagerbergwerk Gorleben errichtet wurde. Jährlich muss die staatseigene Firma BGE an die DWK, eine Briefkastenfirma, 43.000 Euro Pachtgebühr überweisen, hier der Appell: das muss ein Ende haben und neu verhandelt werden!

Die Bayrische Staatsregierung ließ 1,5 Mrd. DM in die Region fließen, die DWK schoss noch einmal eine halbe Milliarde hinzu. Das „Wunder von Wackersdorf“ machte die Runde. Sieben Firmen siedelten sich in Wackersdorf an, 1.600 Arbeitsplätze wurden schaffen. Mit 1.400 Arbeitsplätzen ist BMW der Platzhirsch. Für den Standort, so wird vorausgesagt, hat die Entwicklung der Elektromobilität zusammen mit dem Trend zum Leichtbau noch großes wirtschaftliches Potenzial.

Im Wendland flossen „nur“ die Gorleben-Gelder, rund 500 Mio. DM, Akzeptanzgelder für den Bau von Sportanlagen, Bürgersteige und Wegebau. Ohne jeden weiteren Plan, ohne jeden Gedanken an Nachhaltigkeit und Zukunft.
Ein staatliches Programm zur Kompensation von Arbeitsplätzen, die mit dem Verzicht auf die Wiederaufarbeitungsanlage oder das Ende des Endlagerprojekts in Gorleben zu erwarten gewesen wären und tatsächlich waren, blieb aus. Ein zündender Gedanke, das Atom- und Atommüllzeitalter abzuhaken und in die Zukunft zu investieren, fehlt bisher.

Für uns gehört „Gorleben“ auf den Misthaufen der Atom-Geschichte. Dafür werden wir weiterkämpfen.

Aber wir brauchen Investitionen in die Zukunft, keinen „Innovationspark“ in Gorleben nach dem Wackersdorf-Modell. Aber: Ob der Ausbau des Schienennetzes zwischen Uelzen und Dannenberg, Dannenberg – Lüchow- Salzwedel sich jetzt derzeit nicht lohnt, wie es Ministerpräsident Stephan Weil sagte, das ist nicht die Frage. Das Netz wäre eine Investition in die Zukunft, damit die Region nicht zum Altenheim der Republik wird. Hier könnte demonstriert werden, dass das Land gegenüber der Stadt nicht einfach abgehängt wird.

Wir brauchen Forschung, einen Standort für die Ostfalia-Universität, junge Menschen, zum Beispiel in Neu-Tramm, weil dort keine Castor-Polizei mehr untergebracht werden muss. Der Campus ist schon da, es muss einen festen Lehrbetrieb und Fachangebote geben, die sich an den großen und im Wendland beheimateten Themen anlehnen wie Energiewirtschaft, Biodiversität, Abfallwirtschaft… Soziale Arbeit natürlich auch.

Gorleben soll leben, unser erster Aufruf zum Protest und Widerstand gegen die Atomkraft und Gorleben als Atommüllzentrum, enthielt Visionäres, den Verweis auf Alternativen in der Energieerzeugung und die Grenzen des Wachstums. Wir haben damit etwas bundesweit angestoßen. Jetzt muss daraus etwas Handfestes auf für die Region werden – reißt die Mauern in Gorleben ein, baut eine Uni im Wendland auf.

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Wolfgang Ehmke

Wolfgang ist langjähriger Pressesprecher der BI.