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Traditionell läutet die so genannte "Landmaschinenschau" des Widerstandsnests Metzingen die Proteste gegen die Atommülltransporte ins Wendland ein. Rund 300 Castorgegner protestierten am Abend vor der Abfahrt des Zuges und blockierten rund eine Stunde die B 216 zwischen Lüneburg und Dannenberg. 

Ort: Metzingen
Copyright: Karin Behr
Quelle: PubliXviewinG

Da war mal ganz viel Polizei

Am 16. Mai titelte die Elbe-Jeetzel Zeitung: „Ehemalige ÜFuEst in Woltersdorf unterm Hammer“. Es ist eine von vielen großen Unterkünften, in der zu Castorzeiten im Wendland tausende Polizist*innen untergebracht waren.

Mit dem Beginn der großen Protestaktionen gegen die Atommülltransporte nach Gorleben errichtete die Polizei eine umfangreiche Infrastruktur. Zum Höhepunkt der Auseinandersetzungen wurden 10.000 Beamt*innen im Wendland zum Schutz der Castoren eingesetzt. Die Einheiten kamen aus ganz Deutschland und wurden in Unterkünften im oder rund um den Landkreis untergebracht. Teilweise wurden extra dafür ganze Containersiedlungen errichtet. Andererseits hielt das Land für das einmal im Jahr stattfindende „Großereignis“ extra Infrastruktur vor, die dann wenige Wochen genutzt aber das ganze Jahr bewacht und Instand gehalten wurde.

„Der relativ strukturschwache Einsatzraum Lüchow-Dannenberg bietet nur begrenzte Möglichkeiten für die Versorgung von Einsatzkräften und die Bereitstellung von Unterkunftsplätzen. Ferner sind private, gewerbliche und kommunale Grundstückseigentümer in vielen Fällen nicht bereit, für polizeiliche Zwecke geeignete Grundstücke oder Gebäude zur Verfügung zu stellen“, so beschreibt die Landesregierung 2009 die Situation auf Anfrage der LINKEN. „Die Gesamthaushaltsbelastung für die Nutzung der (…) Grundstücke beträgt rund 2 Mio. Euro zuzüglich der Bewirtschaftungsausgaben.“

Nachdem der Atommüll-Konflikt mit dem Castortransport im November 2011 eskalierte, wurde ein „Neustart“ der Endlagersuche versprochen und die Atommüllfuhren ins Wendland gesetzlich verboten. Bis zur Entscheidung, wo auf der „weißen Landkarte“ Deutschlands künftig ein Endlager gebaut werden soll, werden einige Jahrzehnte vergehen.

Bis dahin wurde eine Strategie entwickelt, die „Ruhe“ und „Vertrauen“ in den Landkreis Lüchow-Dannenberg zurückbringen soll. Kürzlich wurde mit dem Abriss der Festungsmauer um das Bergwerk begonnen. Seit ein paar Jahren schmilzt auch die Infrastruktur für die Unterbringung der vielen Polizeibeamt*innen.

Üfest Woltersdorf

Das Gelände der ehemaligen „Übersee-Funk- und Empfangstation“ befindet sich bei Woltersdorf und wird Ende dieser Woche versteigert. Sie war eine Einrichtung der ehemaligen Deutschen Bundespost zur Realisierung von Überseetelefonieverbindungen auf Kurzwelle. Sie wurde 1938 errichtet und war bis 1982 in Betrieb. Im Jahr 1979 begannen die großen Demonstrationen gegen Gorleben. Bundespost- und das Bundesinnenministerium einigten sich über eine teilweise Nutzung des Areals durch das Land Niedersachsen für die Unterbringung von Polizeikräften. Nach Umbaumaßnahmen bezogen im Frühjahr 1979 Polizeikräfte einige Räume der Üfest. Später wurden im Außenbereich Baracken/Container errichtet. Sie dienten als Unterkunft für die Polizeikräfte bei der jährlichen November-Großveranstaltung, bis die Container im Sommer 2005 abbrannten.

Mit Ende der Castortransporte wurde die Üfest nicht mehr genutzt, von Oktober 2015 bis April 2017 wohnten Flüchtlinge dort. Der Mietvertrag mit Niedersachsen läuft noch bis Ende Juli 2020, die Jahresmiete beträgt über 50.000 Euro.

Kaserne Tramm

Tausende Menschen, die sich an den Castor-Protesten beteiligt haben, erinnern sich möglicherweise nur zu gut an die Kaserne in Tramm. Hier wurde zuletzt eine „Gefangenensammelstation“ der Polizei eingerichtet.

Polnische, sowjetische und italienische Kriegsgefangenen errichteten ab 1939 die große Anlage im Baustil der wendländischen Rundlinge. Hier wurden während des 2. Weltkrieges Waffen produziert. In den 50er Jahren zog der Bundesgrenzschutz ein. Nach der Öffnung der Grenze gab die Bundeswehr 1994 den Standort auf und die 180ha große Anlage wurde 1997 an einen Lüchow-Dannenberger Unternehmer verkauft. Ein Teil der Anlage wurde ab ca. 2001 langfristig an das Land Niedersachsen zur „jährlich kurzzeitigen Nutzung“ (im November) vermietet. Der Mietvertrag endete am 31. Dezember 2017 – genutzt wurde das Areal von der Polizei schon länger nicht mehr. Heute kann man das gesamte Gelände für 15 Millionen Euro kaufen.

Bad Bodenteich & Dedelstorf

Eine weitere Unterkunft für viele Castor-Polizisten war die Bundesgrenzschutz-Kaserne Bad Bodenteich. Auch hier gab es Leben nur für wenige Wochen im Jahr, den Rest standen die Gebäude leer. Im Februar 2015 wurde das Gelände verkauft.

Auch die „Richthofen-Kaserne Dedelstorf“, seit 1994 nicht mehr von der Bundeswehr genutzt, wurde im November kurzfristige Heimat hunderter Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet. Heute sind ein großteil der Gebäude abgerissen.

Es fehlen in dieser Liste noch ein paar Standorte. Doch:

Worum es hier geht

Die absurde Tragweite und gigantische Dimension der Auseinandersetzungen um einen Atommüllstandort auf den verschiedensten Ebenen sollten sich vor allem diejenigen verdeutlichen, denen möglicherweise ein Atommülllager vor der eigenen Haustür droht.

Auch wenn wir es nicht fassen können: Gorleben ist als Standort für ein Atommülllager nicht vom Tisch. Anstatt das untaugliche Bergwerk aus dem neuen Verfahren zu streichen, wird es fortgeschleppt. Wir befürchten, dass dieses Suchverfahren an der Akzeptanz von Alternativen und auch an den finanziellen Möglichkeiten scheitern wird – um dann wieder auf den einzigen vorhandenen Standort zurückzugreifen: Gorleben.

Und dann? Hat die Polizei auf jeden Fall ein logistisches Problem.

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Jan Becker

Jan hat jahrelang die Webseite contratom.de betrieben, schreibt heute den Blog von .ausgestrahlt und betreut die Webseiten der BI und des Gorleben Archiv.