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Klassentreffen mit ungewissem Ausgang – diskutieren für einen erfolgreichen Lackmustest

An der Evangelischen Akademie in Loccum fand vom 28. bis 30. Juni die Tagung „Standortsuche: Miteinander – aber nicht konform?“ statt. Über Atommüll-Lager und Partizipation stritten sich verschiedene Akteure wie z.B. Mitarbeiter von BGE, BfE, BMU sowie Beteiligungsexperten, Umweltinitiativen, Mitglieder des NBGs usw. Auch zwei Frauen der BI waren dieses Jahr wieder dabei.

Der Austausch war sehr geprägt durch die Frage nach den im nächsten Jahr anstehenden Teilgebietskonferenzen.

Spult die Community wirklich nur ihre Rituale ab oder gab es doch hier und da Bewegung, die es braucht, um ein Gesetz mit Geburtsfehlern positiv mit Leben zu füllen.

„Einmal im Jahr gibt’s halt ein Klassentreffen“, sagte einer der Teilnehmenden augenzwinkernd; „diesen ewig gleichen Schlagabtausch kann ich nicht mehr ertragen“, bemerkte ein anderer.

Irgendwo dazwischen bewegten sich die Gespräche und Informationen rund um das Standortauswahlgesetz (StandAG). Spannend wird es bei der Frage, ob dieses Treffen denn nun auch zu Bewegung in der Kommunikation der einzelnen Akteure untereinander führt und ob die offenen Fragen rund um ein lernendes Verfahren langsam so mit Leben gefüllt werden können, dass alle Akteure dadurch zuversichtlicher werden.

Seit BGE und BfE die Bürger*innen zu verschiedenen Beteiligungsformaten bzw. Infoveranstaltungen laden und interessierte Menschen, Umweltinitiativen und Behördenvertreter auch immer wieder auf den Veranstaltungen des NBGs zusammentreffen, begegnen sich einige der Akteure deutlich öfter als 1x jährlich. So fragt sich manche, ob die Community nur ihre Rituale abspult oder ob es doch hier und da Bewegung gibt.

Manche Entwicklungen/Informationen scheinen nahezu stagnierend:

Es kann schon mal ermüdend sein, wieder nur zu hören, dass das Geologiedatengesetz (Grundlage für die Veröffentlich der Daten, die zur Ausweisung der Teilgebiete herangezogen werden) immer noch als Referentenentwurf zwischen BMU und BMW umhergeistert – um nur ein Beispiel zu nennen.

Umso erfrischender ist es, wenn neue Gesichter auftauchen und versuchen mit unverstelltem Blick auf die Konfliktlinien zu schauen.

In Loccum war es dieses Jahr unter anderem der Kasseler Organisations- und Arbeitspsychologe Prof. Dr. Oliver Sträter, der sich selbst als „Welpen“ in der Standortfrage bezeichnete, und eine Arbeitsgruppe zu der Frage „Was ist für ein lernendes Verfahren erforderlich?“ leitete.
Sträter berät die BGE bei der Umsetzung des Anspruchs, das Standortauswahlverfahren „selbsthinterfragend“ und „lernend“ anzulegen und warnt vor einem „drifting to failure“ am Beispiel von Boing. Warum ein Sicherheitsmanagement, dass nicht selbsthinterfragend ist, in ein Desaster führen kann, erklärte er sehr plastisch.

Bleibt die Skepsis, ob die BGE als Vorhabenträgerin diese Botschaft konstruktiv umsetzen kann. Denn in der Mitte/im zweiten Drittel des Jahres 2020 soll die Auswahl der Teilgebiete abgeschlossen sein. Dann werden die Teilgebiete bekannt gegeben und die Teilgebietskonferenzen einberufen.

So, wie es im Gesetz geplant ist, gibt es zwei Probleme: Einerseits sagt das Gesetz wenig darüber aus, wie die Teilgebietskonferenzen durchzuführen sind. Klar ist nur, dass das Zeitfenster mit 6 Monaten sehr knapp bemessen ist. Andererseits ist überhaupt nicht klar, wie die Masse an potentiellen Teilnehmer*innen in einen konstruktiven Dialog miteinander treten soll.

Aber auch, wenn das Gesetz einen engen Rahmen für die Teilgebietskonferenzen vorgibt, so kann man doch Möglichkeiten schaffen, um diese Schwächen zumindest etwas zu heilen. So gab es den Vorschlag, eine „Einlesezeit“ zu gewähren. Heißt, nach der Benennung der Teilgebiete gibt man den Betroffenen z.B. ein halbes Jahr sich in das Thema einzuarbeiten/mit dem Thema zu beschäftigen, bevor man die erste Teilgebietskonferenz einberuft.

Dann wäre natürlich immer noch nicht klar, wie diese erste Teilgebietskonferenz tagen soll bei der potentiellen Masse an Teilnehmer*innen. Es ist derzeit ja auch noch völlig unklar, wie viele Teilgebiete ausgerufen werden. (Häufig wird eine Zahl zwischen 20 – 80 genannt).

Asta von Oppen hat dazu als Referentin in der Arbeitsgruppe Teilgebiete ein Zahlenbeispiel geliefert, das wie folgt aussieht. (Sie hat Gorleben als Beispiel gewählt, da so die Zahlen plastisch nachvollzogen werden können – das heißt nicht, dass Gorleben zwingend Teilgebiet werden muss).

Zahlenspiele für 20 Teilgebiete
Beispiel Gorleben (als 1 Teilgebiet) ca. 40 Personen:
10 Vertreterinnen der Gebietskörperschaften: Zwei Bundesländer, drei Kommunen = 2 Landräte, 3 Bürgermeister plus Referat
3 Vertreterinnen der Grundbesitzer
10 interessierte Personen (Zufalls)-bürger Mann/Frau und Vertreteinnenr der jüngeren Generation)
4 Personen aus der Wirtschaft je Bundesland
4 Vertreterinnen der Umweltverbände
4 Vertreterinnen von Kirche, Gewerkschaften, Landwirtschaftskammer etc.
4 externe Fachleute
20 Teilgebiete 40 X 20 = 800 Personen plus Orgateam von BfE und BGE, Moderation, Geschäftsstelle, 18 Mitglieder des NBGs

Bei all den Unklarheiten gab es über weite Teile der Tagungsteilnehmer*innen allerdings einen Konsens darüber, dass die Durchführung der Teilgebietskonferenzen als Lackmustest für das Verfahren nach StandAG anzusehen sei. Gelingt es hier zu zeigen, dass vielmehr mit dem Geist des Gesetzes gearbeitet wird und notwenige Anpassungen auch vorgenommen werden, könnte es das Vertrauen in das Verfahren befördern. Gelänge es eben nicht, wäre Vertrauen verspielt.

Lia Jahrens und Elisabeth Hafner-Reckers aus dem BI-Vorstand

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Lia Jahrens

Lia ist Teil des BI-Vorstands.