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„Traum und Wirklichkeit der Russischen Reaktor-Exporte“

Russland verspricht 90 Milliarden Dollar für den Reaktorbau im Ausland. Mittlerweile ist die Anzahl der aktiv im Bau befindlichen Reaktoren deutlich geringer als von Rosatom behauptet.

Die Russische Umweltschutzorganisation Ecodefense hat heute ihren neuen Report „Traum und Wirklichkeit der Russischen Reaktor-Exporte“ veröffentlicht. Der Report bündelt die geplanten und laufenden Bauten von Atomkraftwerken russischer Bauart weltweit und die Summen, die Russland bereit ist, für den Export seiner Reaktoren auszugeben. Der Report wird unmittelbar vor dem 8. Jahrestages der Atomkatastrophe von Fukushima veröffentlicht, eine der schlimmsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte, die ein globales Ausbremsen der Aktivitäten der Atomindustrie zur Folge hatte und zahlreiche Länder dazu veranlasste, nuklearen Bauprojekten eine Absage zu erteilen.

Das Jahr 2018 hindurch hat Rosatom wiederholt angegeben, sie würden in einer Reihe von Länder 36 Reaktor neu bauen und schätzten das Gesamtvolumen ihrer ausländischen Bestellungen auf 130 Milliarden Dollar. Allerdings besagt der Report von Ecodefense, dass Anfang 2019 weltweit nur 7 Reaktoren im Bau befindlich waren, eine Anlage in der Türkei, zwei in Bangladesch, zwei in Belarussland und zwei in Indien. Die Gesamtkosten dieser Reaktoren belaufen sich auf etwa 36 Milliarden Dollar. Während Rosatom behauptet, die restlichen Reaktoren bauen zu wollen, sind diese aktuell nicht im Bau befindlich und zahlreiche der Abkommen sind nicht durch rechtsverbindliche Dokumente abgesichert.

Die russische Regierung hält daran fest den Export von Atomkraftwerken zu fördern, indem sie staatliche Bürgschaften vergibt. Zusammen beläuft sich die Summe der Kredite und anderer finanzieller Unterstützung auf etwa 90 Milliarden Dollar. In den meisten Fällen werden Kredite zu einem Zinssatz von 3% gewährt, was erheblich günstiger ist als Angebote von Privatbanken. Ohne russische Staatsgelder würden die meisten Rosatom-Projekte niemals umgesetzt.

Im Jahr 2018 beschloss Jordanien, das Projekt eines russischen Kernkraftwerks abzubrechen, da es keine ausreichenden Finanzittel dafür sichern konnte. Zuvor hatten Vietnam und Südafrika ähnliche Projekte aufgegeben. Versuche seitens Rosatom, zusätzliche Mittel für das Akkuyu-Projekt in der Türkei einzuwerben, sind bisher gescheitert. In dieser Situation kann die russische Regierung erneut beschließen, den National Wealth Fund, ein Schlüsselelement des russischen Rentensystems, zu nutzen, um ihr atomares Wachstum zu finanzieren. So wie es in der Vergangenheit schon Anwendung fand, um Mittel für ein verzögertes Nuklearprojekt in Hanhikivi in Finnland bereitzustellen.

„Die Investition von 90 Milliarden US-Dollar für Atomprojekte in anderen Ländern ist ein absoluter historischer Rekord. Und diese Mittel fließen hauptsächlich in Länder des Globalen Südens, die sonst keine Reaktoren bestellen könnten. Rosatom sagt, dass es 36 neue Einheiten baut, aber die Realität sieht ein bisschen anders aus – derzeit befinden sich nur sieben russische Reaktoren im Bau“, sagt Vladimir Slivyak, Autor des Berichts und Co-Vorsitzender von Ecodefense.

„Anstatt die viel gepriesenen Gewinne der harten Währung aus dem Bau von Atomkraftwerken im Ausland zu genießen, bezahlt Russland selbst für viele Projekte. Dazu gehören Subventionen aus dem National Wealth Fund (der das mitgenommene Rentensystem des Landes finanzieren soll) oder die Ausweitung von super lukrativen Krediten in anderen Ländern zu Zinssätzen, von denen unsere eigenen Bürger*innen und Unternehmen nur träumen können. Man kann nur hoffen, dass dieser Bericht dazu beitragen wird, eine breite nationale Debatte um die Verdienste der russischen Öffentlichkeit zugunsten fortgesetzte Sponsorentätigkeit für eine riskanten Ausweitung der Atomkraft voranzutreiben“, schreibt der frühere stellvertretende Energieminister von Russland, Vladimir Milov, in seinem Vorwort zum Bericht.

„Atomreaktoren sind nach wie vor sehr teuer und unnötig, da Regenerative Energien weltweit boomen. Atomkraftwerke sind seit Fukushima nicht sicherer geworden und produzieren immer noch Atommüll, der in den kommenden Tausenden von Jahren gefährlich sein wird. Die russische Regierung sollte ihren Reaktorexport einstellen, um unnötige Kosten und neue Unfälle zu vermeiden“, fügte Slivyak hinzu.

ecodefense wurde 1989 gegründet und ist eine der ältesten Umweltgruppen in Russland. Sie ist aktiv gegen gefährliche Aktivitäten der Atom- und Kohleindustrie, für den Erhalt der Wälder und die Förderung der Umwelterziehung. Seit 2014 steht Ecodefense seitens der russischen Behörden unter Druck. Das russische Justizministerium erklärte Ecodefense nach seiner Kampagne gegen den Bau eines Atomkraftwerks in der Nähe von Kaliningrad (ein im Jahr 2013 eingefrorenes Projekt) zum „foreign agent“. Ecodefense schloss sich einer Sammelklage an, die von über 60 russischen Organisationen der Zivilgesellschaft beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht wurde, und forderte die Abschaffung des Repressionsgesetzes Russlands in Bezug auf „ausländische Agenten“ (der Fall ist aktenkundig als „Ecodefense und andere gegen Russland“).

  • Für weitere Informationen:
    Telefon +79032997584 / ecodefense@gmail.com / http://ecodefense.ru

Presseberichte:

Bitte unterstützen: Solidarität mit Ecodefense!

Mit einer Petition wollen wir die russische NGO Ecodefense unterstützen, gegen die sich verschärfende, repressive Maßnahmen der Putin-Administration richten. – zum Unterzeichnen der Petition

Kerstin Rudek

Kerstin war viele Jahre Vorsitzende der BI und berichtet hier über ihre vorwiegend internationalen Aktivitäten.